Die Unverwechselbaren: Steven Tyler:Der Mikrofon-Ständer, sein bestes Stück

Der Sänger von Aerosmith ist nicht mehr der Jüngste. Aber er hat immer noch Sexappeal - wegen seines lasziven Umgangs mit seinem wichtigsten, ziemlich bunten Arbeitsgerät.

Lisa Sonnabend

Auch Homer, Marge und Bart haben riesige Münder. Und so hätte man Steven Tyler 1991 bei seinem Gastauftritt in der TV-Serie "The Simpsons" kaum erkannt, hätte der Sänger von Aerosmith nicht sein zweites Erkennungsmerkmal dabei gehabt: den Mikrofonständer.

Steven Tyler; AP

Wildes Tier: Steven Tyler schreit, am Mikrofonständer hängt passenderweise ein Tuch im Gepardenlook.

(Foto: Foto: AP)

Als der Zeichentrick-Steven-Tyler in Moe's Taverne den Hit "Walk this Way" schmetterte und ganz Springfield in Aufruhr brachte, war der mit Stofffetzen behangene Gestell natürlich immer in Tylers Reichweite. Und auch heute wirbelt der 60-Jährige auf Konzerten den Mikroständer durch die Luft wie eine Streitaxt, schwingt ihn wie einen Schamanenstab hin und her, schreitet mit ihm wie eine alternde Diva die Bühne entlang und hält ihn beschwörend ins Publikum.

Liebevoll hat der Aerosmith-Frontmann bunte Tücher und Schals an sein gutes Stück gehängt und es mit Steinchen und Münzen beklebt - die selbstverständlich nichts mit den Freundschaftsbändchen von Wolfgang Petry gemein haben, die dieser um das Handgelenk zu binden pflegt. Bei Wolfgang Petry signalisieren die Bänder Spießertum, bei Steven Tyler Sex. Selbst im Alter.

Berühren darf man den Ständer deshalb noch lange nicht: Legendär ist Tylers Zickigkeit, wenn Fans ihm an seine Schals wollen. Was vielleicht auch daran liegt, dass Tyler angeblich am aufgeplusterten Mikrostativ einst gerne die eine oder andere Drogenration versteckte.

Die Exzentrik von Frontmann Steven Tyler auf und hinter der Bühne hat immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Er hatte zahlreiche Affären mit Models, hat zwei Scheidungen hinter sich, ist Vater der Schauspielerin Liv Tyler und hat in mehren Filmen mitgespielt. Aber seine Drogengeschichten waren rekordverdächtig. Steven Tyler und Joe Perry hörten in den siebziger Jahren auf den Spitznamen "Toxic Twins", die toxischen Zwillinge. Erst neulich machte die Meldung die Runde, der Aerosmith-Frontmann habe mal wieder mit einem Entzug begonnen.

Nach 38 Jahren Bandgeschichte soll dennoch bald ein neues Album erscheinen. Die älteren Herren gehen immer noch auf Tour - und der Mikroständer ist natürlich weiterhin dabei.

Betrachtet man den nicht mehr ganz so jungen Rock'n'Roller Steven Tyler, bekommt man manchmal den Eindruck, er würde den Mikroständer verstärkt auch als Stütze benutzen - an manchen Tagen, weil er schnell erschöpft wird, an anderen, weil er vor der Show doch wieder ein bisschen zu viel Jack Daniel's getrunken oder möglicherweise zu viele Drogen konsumiert hat.

Eines ist der Mikroständer bei Tyler jedoch auch heute noch: Phallussymbol. Wenn er ihn lasziv zwischen seine Beine schiebt oder wenn er das Mikrofon mit seinem Mund fast zu verschlingen scheint, wird er dank des Utensils seinem Ruf als Mr. Testosteron immer noch gerecht. Auf der Unterseite steht auch heute bei Konzerten unzweideutig zu lesen: "Do me, o yeah!"

Der gewöhnliche Rockstar dagegen pflegt ja eher ein pragmatisches Verhältnis zu seinem Stativ. Mick Jagger und Iggy Pop lassen zwar auf der Bühne ähnlich die Sau raus wie Tyler, das Spiel mit dem Mikroständer beherrschen sie aber längst nicht so gut. Und Freddie Mercury? Der lief stets mit verkürztem Stab umher, zieht also den Kürzeren.

Einige Stars wie Kylie Minogue oder Justin Timberlake nehmen sogar kaum mehr ein Mikro in die Hand, sondern lassen sich ein Headseat zwischen die Ohren klemmen. Undenkbar für Tyler, den klassischen Rocker: Man kann sicher sein, dass in den Bandproberäumen auf aller Welt mit Hilfe von Konzertmitschnitten von Aerosmith der Umgang mit dem Mikrofon fleißig geübt wird.

Gerade ist Guitar Hero Aerosmith erschienen, ein Videospiel, mit dem man Songs der Band nachspielen kann. Steven Tyler springt mit Falten im Gesicht und aufgerissenem Mund wie ein Derwisch über die Bühne, sein Zauberstab ist immer im Einsatz.

Möchtegern-Rockstars können bei dem Spiel die Rollen der Bandmitglieder Joe Perry, Brad Whitford und Tom Hamilton übernehmen - nur die von Steven Tyler nicht. Niemand wird schließlich je den Umgang mit dem Mikrofonständer beherrschen wie er: Nachahmung zwecklos.

Mikrofonständer sind in jedem Musikgeschäft zu bekommen, ab 20 Euro kriegt man stabile Ausführungen. Um ihn aussehen zu lassen wie Steven Tylers bestes Stück, sollte man allerdings viel Fantasie auf angehängte Halstücher und Schals verwenden. Zwischen die billige Meterware müssen natürlich auch sündteure Quilt-Stoffe. Und zum Schluss noch ein Spruch mit dem Edding: "Do me, o yeah!"

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