Die E-Zigarette:Rauchen im Tabakwunderland

"E-Dampfer" können überall rauchen, keine Gesundheitswarnung trübt ihren Genuss. Doch ist die elektronische Zigarette "gesünder"?

Jakob Vicari

Der Geschmack von mildem Tabak erfüllt die Lunge. Die Zigarettenspitze glimmt, das Nikotin flutet das Blut. Und zwar mitten im Nichtraucherbereich. Doch niemand beschwert sich.

E-Zigarette; oh

Elektronisch glimmen: Den Aschenbecher kann man getrost wegwerfen.

(Foto: Foto: oh)

"E-Dampfer" rauchen überall, wo sie wollen. Keine Gesundheitswarnung trübt ihren Rauchgenuss. Der Kick einer Schachtel Zigaretten kostet sie 55 Cent. Die Nikotinversorgung ist billig, denn Tabaksteuer zahlen sie nicht.

Was klingt wie eine Geschichte aus dem Raucherwunderland, ist in Deutschland möglich. Immer mehr Raucher greifen zur elektrischen Zigarette. Mit jedem Rauchverbot und jedem Regenguss erhöht sich ihre Zahl. Wie viele es genau sind, lässt sich nicht feststellen. Wie gefährlich das Suchtmittel ist, auch nicht.

Optisch erinnert an der E-Zigarette alles an eine Zigarette. Wenn man an ihr zieht, glimmt an der Spitze als künstliche Glut eine rote LED. Dahinter liegt ein Lithium-Ionen-Akku, ein Verdampfer und ein Depot für den Suchtstoff. Die E-Zigarette funktioniert im Prinzip wie eine Nebelmaschine aus der Disco. Eine Flüssigkeit aus Propylenglykol, Glyzerin und Benzylalkohol wird elektrisch verdampft.

Keine Ahnung, was wirklich passiert

Für die Zigarette wird die Lösung mit Nikotin und Aromen versetzt. Der feine Nebel schmeckt dann nach "Tobacco" oder "Tobacco-Mild", seit ein paar Wochen auch nach Schokolade und Apfel.

In Österreich wurde der freie Verkauf der elektronischen Zigarette schon im April 2007 verboten. Die Nikotindepots seien als Arzneimittel einzuschätzen, die Inhalatoren eindeutig Medizinprodukte.

"Die Rauchentwöhnung ist typisches Zeichen für ein Arzneimittel", sagt Marcus Müllner von der AGES PharmMed, der österreichischen Zulassungsstelle für Arzneimittel und Medizinprodukte. "Wenn das drin ist, was drauf steht , wissen wir, wie es wirkt", sagt er. Seitdem wären sie nur noch in Apotheken zu bekommen - doch noch hat kein Hersteller die Zulassung beantragt.

Doch was in den elektrischen Zigaretten tatsächlich passiert, weiß auch Müllner nicht. "Dafür gibt es ja eine Zulassung", sagt er. In der Zulassung als Arzneimittel wird die Herstellungsqualität, Wirksamkeit und die Sicherheit beurteilt. Die deutsche Politik ist sich nicht sicher, ob die elektrischen Zigaretten als Tabakprodukt oder als Arzneimittel eingestuft werden sollen.

Die Elektrozigarette "erzeugt bei einem Lungenzug das rauchtypische Gefühl im Hals-Rachenraum", schreibt Großhändler Sven Heeder über sein Erfolgsprodukt. Heeder nennt sich "Marktführer". Geduldig gibt er Auskunft über das Produkt, dass dank zahlreicher Gesetzeslücken das Raucherglück verspricht. Vor etwas über einem Jahr hat er angefangen, elektrische Zigaretten zu verkaufen. Eine Behörde hat sich deshalb noch nicht bei ihm gemeldet.

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Rauchen im Tabakwunderland

Tabakprodukt oder Arzneimittel?

"Die elektrische Zigarette wird in Deutschland ganz bewusst nicht als Gerät zur Rauchentwöhnung beworben", sagt Großhändler Sven Heeder, "denn Rauchentwöhnung ist was Medizinisches."

Die Händler befürchten, dass aus ihren Zigaretten Medizinprodukte werden wie in Österreich. Nikotinpflaster und Nikotinkaugummis sind auch hier als Arzneimittel zugelassen.

Doch das aufwendige Zulassungsverfahren würden sich kaum einer der kleinen Händler von elektrischen Zigaretten leisten können, die noch den deutschen Markt bestimmen. Würden die elektrischen Zigaretten hingegen zu Tabakprodukten, fiele Tabaksteuer an. Und auch die Warnhinweise wie auf Zigarettenschachteln würden kommen.

Hauptsächlich ältere Raucher kaufen Heeders Produkte. "Wenn man nicht mehr jugendlich ist, fängt man an sich Gedanken über seine Gesundheit zu machen", sagt der E-Zigarettenhändler. Noch schätzt Heeder die Zahl der verkauften elektrischen Zigaretten auf etwa 1000 Stück im Monat.

Durch den Vertrieb über das Internet hat niemand genaue Zahlen. Die E-Zigaretten kommen direkt aus China an deutsche Händler. In Österreich und der Schweiz hat man den Verkauf der elektrischen Nikotinspender gerade gesetzlich untersagt.

"Hier wird sehr schnell Nikotin abgegeben und aufgenommen", sagt der Mediziner Pál L. Bölcskei vom Münchner Institut für Raucherberatung und Tabakentwöhnung. Er hat sich aus Neugierde eine elektrische Zigarette bestellt. Für die Rauchentwöhnung wird er sie nicht einsetzen. "Das bedeutet den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben", sagt er.

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Rauchen im Tabakwunderland

Der schnelle Suchtstoff

Das Problem der elektrischen Zigarette ist, dass das Nikotin fast so schnell im Gehirn aktiv wird, wie bei normalen Zigaretten "Je schneller eine Droge im Gehirn ankommt, desto größer die abhängig machende Wirkung", sagt Bölcskei, "und Nikotin ist ja keine harmlose Substanz."

"Wissenschaftlich ist praktisch nichts bekannt", sagt Thomas Schulz vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Der Toxikologe hat die elektrischen Zigarette untersucht. "Es ist völlig ungeklärt welche Nikotinmengen die Verbraucher inhalieren", sagt Schulz, "wenn man bedenkt, wie Nikotin wirkt, ist das nicht akzeptabel."

Das Nikotin ist der Suchtstoff in Zigaretten. Doch Nikotin ist auch ein starkes Nervengift, bereits geringe Dosen wirken tödlich. Eine genaue Deklaration fehlt auf den elektrischen Zigaretten. Gerade für Kinder könnte das Verschlucken der süßlich riechenden Nikotinkartuschen gefährlich werden. "Für eine Bewertung fehlen uns einfach wichtige Daten", sagt Schulz. Er rät die Verbraucher zur Vorsicht. Und auch Mediziner Bölcskei würde niemandem die elektrische Zigarette empfehlen.

Das Rauchen ohne Verbrennung könnte tatsächlich gesünder sein. Noch fehlen Studien, die eine ausschließliche Nikotinanwendung ohne die störenden Einflüsse des Zigarettenrauches untersucht haben. Eine aufwendige Studie ist in Arbeit - finanziert durch den chinesischen Hersteller der elektrischen Zigarette "Ruyan". Der ließ in Neuseeland an der Universität von Auckland gerade eine umfangreiche medizinische Untersuchung an E-Rauchern durchführen.

Ein nicht ungeschickter Zug, hat das Unternehmen doch eine eher nikotin- und tabakkritische Arbeitsgruppe mit den Untersuchungen zur "gesünderen" Zigarette beauftragt. Doch bisher wurden keine Ergebnisse veröffentlicht. Im Januar hat das Bundesinstitut für Risikobewertung seine kritische Stellungnahme veröffentlicht.

Passiert ist bisher nichts. So ist die elektrische Zigarette im Moment einfach ein elektrisches Gerät fast ohne Auflagen. Und die E-Dampfer paffen weiter wie im Tabakwunderland.

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