Die Beziehung von Handys und Männerslips:Drunter und drüber

Lesezeit: 5 min

Wie Frauen bereits am Klingelton des Mobiltelefons erkennen können, was für Unterwäsche Männer tragen: ein Scanner für unterwegs.

Nika Scheidemandel

Eine Unterhose, natürlich, sie sollte eine Unterhose sein wie eine Rose eine Rose. Aber natürlich führt ausdrücklich die Unterhose immer wieder dazu, dass Frauen nach einem viel versprechenden Date die Wohnung eines Kerls verlassen, bevor sie ihn richtig kennenlernen. Denn sagt sie nicht schon alles?

Eine Sprache: Melodie und Unterwäsche. (Foto: Foto: Istockphoto)

Die Unterhose eines Mannes ist mehr als ein Stück Stoff. Sie ist eine Klangfarbe, eine Melodie, in der sich der Mann selbst wiedererkennt oder eben gar nicht. Armes Kerlchen, mit all' den Mustern und Motiven. Ähnlich verräterisch wie Unterhosen sind bei Männern eigentlich nur noch die Klingeltöne am Handy, und wetten will man, dass vom Einen auf das Andere locker zu schließen ist.

Wartezeiten auf Flughäfen sind ein ziemliches Vakuum. Die eigene Person relativiert sich, man kann weder Lesen noch an Konkretes denken. Der hier zu Spielchen aufgelegte Mensch wird doch gerne mal zur Überwachungskamera seiner Umgebung. Die Wahrnehmung ist in dieser fremd auferlegten Meditationszeit sehr geschärft, man sieht auf einmal völlig unwesentliche Handlungen.

We will rock you in Hugo Boss

Da klappt zum Beispiel ein Mann am Stehtisch ein silbernes Acer Laptop auf. Das Ganze, so muss man sich vorstellen, geschieht in Einzelbildaufnahmen und mit der Präzision einer hochauflösenden Spiegelreflex-Digitalkamera. Wir sehen: eine Jeans. Dann klingelt es. Der stehende Herr bückt sich nach dem Telefon, das in der Außentasche seines Bordkoffers untergebracht ist. Ein roter Hugo-Schriftzug auf blauem Hintergrund schiebt sich wie ein zu breiter Untertitel aus dem Hosenbund des Trägers in die untere Bildkante. Dazu ertönt eine digitale Version des Songs "We will rock you" von Queen.

Warum trägt der Fremde eine Hugo-Unterhose? Warum hat er sich für dieses Modell mit dem zweifarbigen, wuchtigen Elastikbund entschieden, das an Badekleidung erinnert? Es besteht keine offensichtliche Parallele zu seinem sonstigen Erscheinungsbild: Jeans, schwarze Lederschuhe, dunkelblauer Blouson. Sein Telefon lässt keine Rückschlüsse auf die Wahl seiner Unterhose zu, denn es ist ein schlichtes Motorola. Bleibt nur zu vermuten: Hier soll, bei aller Schlichtheit, wenigstens etwas so richtig rocken. Diese Botschaft sendet der Fremde uns und sich selbst, als Autosuggestion, jeden Morgen beim Anziehen im Bad, unmissverständlich.

Schnitt. Es ertönt die einprägsame Melodie von "Der rosarote Panther". In der näheren Umgebung tun alle so, als höre das keiner. Auch der äußerst gepflegte Asiate, der etwas abseits an einer Säule lehnt, liest aufmerksam weiter in seinem Buch. Die Akustik der Halle weist jedoch ihn als Verursacher aus. Anscheinend hat er die Anzahl seiner Wählversuche auf unendlich gestellt. Bloß keinen Anruf verpassen, es könnte ja wichtig sein. Ausgerechnet so einen Mann verlässt aber im entscheidenden Moment der Mut, zu seiner niedlichen Klingeltonwahl zu stehen.

Bereits damit gibt er zu verstehen, dass es sich bei ihm um einen manischen Machtmenschen handelt, dessen Strukturhunger und Kontrollwahn auch vor dem Intimbereich nicht Halt macht. Wahrscheinlich trägt er einfarbige Boxershorts mit sehr dünnen Streifen, in denen er sich beim Ausziehen als Variation von Inspektor Clouseau natürlich hoffnungslos verheddert. Zu seinen Ohren führt kein schmales weißes Kabel in Halsnähe, für derlei modischen Schnickschnack ist Clouseau nicht zu haben. Seinem Charakter entsprechend, quittiert er das Ende des Klingelns mit einer kleinen Geste, hebt sein Gesäß leicht an und rückt die Gürtelschnalle zurecht.

Eine vom Aussterben bedrohte Spezies

Ganz anders der soignierte Herr im grauen Dreiteiler, der seinen BurberryTrenchcoat sorgsam zusammengefaltet über die Lehne des Nachbarsitzes gelegt hat. Noch im Moment, da der schon bei Lieferung voreingestellte Klingelton seines Sony-Ericsson-Gerätes anspringt, greift er nach dem bereits neben ihm liegenden Apparat und meldet sich mit sachlichem "Ja, bitte?" Solche Männer, die alterslos in ihren Fünfzigern verharren, mit graumeliertem Haar und klarem Blick, wie ihn sonst nur Paul Newman beherrscht, sie sind eine leider vom Aussterben bedrohte Spezies.

Nie würden sie zu einem Termin zu spät oder gar nicht erscheinen, und ein Mobiltelefon besitzen solche Männer nur, weil es die Abläufe ihres komplizierter gewordenen Berufslebens verlangt, und damit sie im Notfall auch erreichbar sind, falls nahestehenden Menschen etwas zustoßen sollte. Sie sind mit dem Leben zufrieden und mit einer Frau verheiratet, deren Schönheit auch ohne Operation bis ins hohe Alter reicht.

Die Haltung eines solchen Mannes ist so tadellos, dass er nie in die Verlegenheit käme, der Umwelt seine Unterwäsche zu zeigen. Diese liegt also liebevoll zusammengefaltet in der rechten, oberen Schublade der schönen Kommode im Anziehzimmer daheim bereit. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um ein feingeripptes klassisches Modell der Firma Schiesser, das er seit Jahrzehnten trägt. Übrigens haben solche Männer auch kein Problem damit, wenn es zu kalt wird, eine lange Unterhose zu tragen, und zwar eine solche, die nicht unten aus der Anzughose rausguckt.

Mit einer langen Unterhose hätte der junge Event-Manager nebenan schon ein erhebliches Problem. Sein Anzug ist von Alexander McQueen und sitzt etwas zu knapp, was ihm aber gerade gefällt, dem Schlingel! Er hat mehrere Abonnements aus dem Condé-Nast-Verlag laufen, und zwar einfach so, nicht aus einem ganz bestimmten Grund. Er hat damals, beim Grundstudium BWL, schon zwei Praktika bei Top-Agenturen überlebt und supergern ab und zu in dem Roman "American Psycho" von Bret Easton Ellis gelesen, an dem ihm von der Coolness abgesehen besonders gut gefiel, dass so viele Sachen eine Rolle spielten, die man sich nachkaufen konnte. Als sein nagelneues Razr-Phone in der Dolce & Gabbana-Edition klingelt, hören wir, vom summendem Vibrieren gefolgt, eine Art Space-Shanty metallisch zucken.

Er hat schon in den Neunzigern nie etwas anderes getragen als Calvin Klein, und zwar Boxer Briefs, in Grau und Weiß, je nach Stimmungsfarbe. Grau zum Workout, Weiß zum Date. Ihn stört nicht, dass viele Begriffe seiner Lebenswelt englisch sind, ist ja auch ein Zeichen dafür, dass Deutschland endlich etwas lockerer und angebundener geworden ist. Als er beim Einchecken trotz Business-Class ein paar Minuten warten muss, nutzt er die Zeit für ein paar gezielte Dehnübungen, die Teile seines schön eingecremten Körpers immer wieder zum Vorschein kommen lassen.

Passgenau, mit unaufdringlichem Eingriff

Der sympathische Mensch an der Flughafenbar fällt hingegen durch seinen Klingelton Low auf. Das ist ein sachlicher und unaufdringlicher Nokia-Klingelton-Klassiker mit warmer Klangfarbe. Für einen Wimpernschlag sitzt er in weißen, weichen, enganliegenden Fruit Of The Loom-Baumwollshorts auf seinem Barstuhl und trägt einige Sekunden später, als er das Handy mit einem offenen Lachen beantwortet, ein fast identisches und ansprechendes Modell von Haynes. Beide Modelle sind mit einem unaufdringliche Eingriff versehen.

Was nur eines beweist: Mit diesem passgenauen Mann kann nichts schief gehen. Er wird für mindestens zwei Jahrzehnte wie 34 aussehen, seine sportliche Ausstrahlung wird von einer ausgeglichenen Wesensart eingerahmt wie auf einem Renoir-Gemälde die Apfelbäume von einem weißblauen Himmel. Perfekt. Und sollte er einmal nicht ganz so perfekt sein, wie sie und er sich das vielleicht wünschen, gibt es ja immer noch die Stil-Hinweise auf der Fruit of the Loom-Homepage, die dafür sorgen, dass diesem Mann keine Fehler unterlaufen: Männern mit der Körpergröße von 175 bis 180 Zentimetern wird dort hinreißend diskret empfohlen, Unterhemden ohne Arm zu vermeiden, "da diese fehlende Muskeln hervorheben können". Selbst für kleine Männer, die nicht über 174 cm hinauswachsen können, ist guter Rat nicht teuer. Sie sollen tunlichst Boxer Shorts und Boxer liegen lassen: "Denn diese lassen Sie kleiner aussehen."

Die einzige Sorte Mann, die sich nicht durch das Tragen einer Unterhose verrät, offenbart sich mit einem subtilen Erkennungszeichen: Wer stets Hosen mit Knopfleiste statt Reißverschluss trägt, hat nur auf den ersten Blick viel Zeit, wenn es ums Ganze geht. Unter den abgewetzten Jeans kommt dann nämlich nicht etwa Stoff zum Vorschein, sondern etwas anderes. "Going Commando!" heißt das im Englischen und beschreibt, was Brooke Shields 1980 in der legendären Werbung für Calvin Klein Jeans meinte, als sie fragte: "Wollen Sie wissen, was zwischen mir und meine Calvins kommt? Gar Nichts."

© SZ vom 24. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: