Deutschland wird vermessen:Draller, größer, breiter

Die Deutschen haben in Breite und Länge zugenommen. Deshalb sollen bis 2008 neue Kleidermaße eingeführt werden.

Mirja Kuckuk

Size Germany lautet das Projekt, bei dem es um die wahre Größe Deutschlands geht - bundesweit sollen 12000 Testpersonen vermessen werden. Langfristiges Ziel ist die Einführung eines einheitlichen europäischen Größensystems für Textilien. Künftig sollen Kunden beim Hosen- oder T-Shirt-Kauf nicht mehr überlegen müssen, was denn nun richtig ist - die deutsche Größe 36, eine italienische 42 oder aber eine englische 10. In Frankreich, Spanien und Schweden haben sich Freiwillige bereits der Reihenmessungen unterzogen.

Neue Konfektionsgrößen

Grund für die neuen Konfektionsgrößen: Die Deutschen haben in Länge und Breite zugenommen.

(Foto: Foto: ddp)

Nun ist Deutschland dran, und hierfür müssen erst einmal die deutschen Konfektionsgrößen neu berechnet werden. Die letzten Reihenmessungen für Männer fanden in den sechziger Jahren statt. ,,Seitdem sind die deutschen Männer im Schnitt sechs Zentimeter größer geworden, und die Körper werden zunehmend kräftiger'', sagt Projektleiter Rainer Trieb von der Firma Human Solutions, die auf ,,Bodyscanning'' spezialisiert ist. ,,Beim Kleiderkauf treten besonders bei jungen Männern Passformprobleme auf, weil die Textilindustrie anhand überholter Maßtabellen mittlerweile am Markt vorbeiproduziert'', sagt Trieb. Auf der Stange hängt in der Regel die richtige Größe für den Großvater - nicht aber für den um Zentimeter größeren Enkel.

Wie groß die Veränderungen im Laufe weniger Jahre sein können, hat eine bereits 1999 durchgeführte Vermessung von etwa 1500 Frauen im Rahmen eines Forschungsprojekts für die Miederwarenindustrie ergeben. Demnach hat die durchschnittliche deutsche Frau einen Brustumfang von 99,7 Zentimetern und 83,7 Zentimeter Taille. Hüfte: 104,1 Zentimeter. Zum Vergleich: 1983 hatte sie noch die deutlich geringeren Maße von 94,7-78,8-98,8.

Gemeinsam mit den Hohensteiner Instituten, einem unabhängigen Forschungszentrum zur Qualitätsprüfung von Textilien, will Human Solutions nun die dem Wandel der Zeit geschuldeten Veränderungen der Körperproportionen feststellen - um dann die Größentabellen zu aktualisieren und zu vereinheitlichen. Bei solchen Mess-Aktionen wird der Körper in vier verschiedenen Haltungen mit Hilfe eines 3D-Body-Scans erfasst; Arm- und Beinlänge sowie Hüft- und Brustumfang werden penibel registriert. Bodyscanner Trieb erwartet eine Verschiebung ins Extreme: ,,Es wird voraussichtlich einen größeren Anteil an dicken, aber auch an sehr dünnen Menschen geben.''

Derzeit bieten viele Hersteller sogenannte Schmeichelgrößen an - das heißt, eine Frau, die bislang die Größe M in ihrem Kleiderschrank liegen hatte, schlüpft plötzlich mit Leichtigkeit in ein T-Shirt der Größe S. In den USA ist mittlerweile die Größe ,,zero'' geläufig, die die Maße eines zwölfjährigen Mädchens abbildet. Sie entspricht der deutschen 32 und wird es auch künftig, so Martin Rupp vom Forschungszentrum Hohenstein, hierzulande nicht geben: ,,Eine 34 bleibt eine 34. Die Größen werden sich lediglich um Nuancen ändern. Ich halte es nicht für nötig, das Größenspektrum in Deutschland zu erweitern.'' Wichtiger sei es, Zwischengrößen - wie Männeranzüge in der Größe 92 - verstärkt anzubieten.

Bis September 2008 sollen das von 80 Bekleidungs- und Automobilunternehmen gesponserte Projekt abgeschlossen und die angepassten Konfektionsgrößen auf dem deutschen Markt eingeführt werden. Wie viel Zeit bis zu einem europaweiten ,,Größen-Euro'' vergeht, bleibt aber noch zu messen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: