Deutschland:Viele Kinder zu arm für gesunde Ernährung

Gesunde Ernährung ist durchaus eine Frage des Geldbeutels. So reicht Hartz IV offenbar nicht aus, um Kinder angemessen zu versorgen.

Karl H. Brückner

Mit dem Regelsatz nach Hartz IV, den es seit Anfang 2005 gibt - lässt sich eine ausgewogene Ernährung von Kindern und Jugendlichen kaum sichern. Davor warnt das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) der Universität Bonn.

Die stellvertretende Leiterin des FKE, Mathilde Kersting, sieht darin auch den Grund für die hohe Quote von übergewichtigen Kindern in den unteren sozialen Schichten.

Für den Lebensunterhalt erhält ein volljähriger Hartz-IV-Bezieher 347 Euro monatlich. Für Kinder bis 14 Jahre gibt es pauschal 60 Prozent davon, also 208 Euro pro Monat, für Teenager bis 18 Jahre sind es 80 Prozent und damit 278 Euro. Das Kindergeld wird dabei voll angerechnet, es steht also nicht zusätzlich zur Verfügung.

Selbst für den Einkauf beim Discounter zu wenig

Rund ein Drittel dieser Regelsätze hat das Bundesarbeitsministerium rechnerisch für Nahrungs- und Genussmittel angesetzt. Dies sei in vielen Fällen nicht ausreichend, stellt das FKE fest.

Das Institut hatte die Preise für über 80 Lebensmittel bei Discountern, "normalen" Supermärkten sowie in einem Bioladen in Dortmund erhoben. Anhand dieser Daten berechneten die Wissenschaftler nach Altersgruppen gestaffelt die Kosten für "optimierte Mischkost".

Das Ergebnis: Für vier- bis sechsjährige Kinder reichen die staatlich veranschlagten 2,57 Euro pro Tag gerade aus - allerdings nur, wenn Lebensmittel konsequent beim Discounter gekauft werden.

Und im Schnitt sind mindestens 4,68 Euro erforderlich, um einen Teenager ausgewogen zu ernähren - deutlich mehr als die veranschlagten 3,42 Euro.

"Für Empfänger von Arbeitslosengeld II ist es kaum möglich, ihre Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren", lautet das Fazit von Mathilde Kersting.

Nicht zufällig sei der Anteil von übergewichtigen Kindern in unteren sozialen Schichten zwei- bis dreimal so hoch wie in anderen. Mit mehr Geld allein sei es allerdings nicht getan. "Wichtig ist es auch, diese Bevölkerungsgruppe von dem Nutzen einer ausgewogenen Ernährung zu überzeugen", so Kersting.

Die Vermutung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), gesunde Ernährung sei keine Frage des Geldbeutels, trifft für Menschen, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind, offensichtlich nicht zu.

Das bestätigen auch bundesweite Berichte über Abmeldungen von Kindern vom Schulmittagessen, das im Allgemeinen täglich mindestens 2,50 Euro kostet. Verschärft wird das Problem aktuell durch massive Preissteigerungen insbesondere bei Milch, Milchprodukten und Getreide.

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