Deutsches PR-Imperium:Die Markenmacherin

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Karla Otto ist die mächtigste Deutsche in der Modewelt. Seit 25 Jahren berät die PR-Frau erfolgreich Kreateure wie Jil Sander, Miuccia Prada und Jean Paul Gaultier.

Jina Khayyer

In diesen Tagen dreht sich wieder mal alles nur um die Mode. Der Schauenmarathon läuft. New York, London, Mailand, Paris. Für Karla Otto bedeutet das vier Wochen lang vor allem Folgendes: Küsschen links, Blick nach hinten, Lächeln, Händeschütteln rechts. Lunch mit Kunden, Tee mit der Presse, zwischendrin immer wieder eine Show und jeden Abend Veranstaltungen.

Die Bonnerin Karla Otto verhalf den Großen der Modebranche zu Weltruhm. (Foto: Foto: Arslan Sukan)

Bis zu fünf Mal wechselt sie an solchen Tagen das Outfit. Für jede Präsentation einer ihrer Designer trägt sie Entwürfe von ihm. Da schadet es nichts, dass sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahr ihre Modelkleidergröße 34 behalten hat, und sich somit jederzeit ein Kollektionsteil aus einem ihrer vier Büros in New York, London, Mailand und Paris von der Stange nehmen kann.

Karla wer? Karla Otto! So heißt sie und so heißen auch ihre Büros: Sie ist die weltweit einflussreichste PR- und Imageberaterin bekanntester Modemarken und berät seit 25 Jahren Kreateure wie Jil Sander und Miuccia Prada. Oder heute Jean Paul Gaultier, Viktor & Rolf, Hussein Chalayan, Marni, und so weiter. Die Liste scheint endlos. Doch auch wenn keiner ihrer Kunden Frauen kalt lässt, sagt ihr eigener Name fast niemandem etwas, und so gesteht sie gleich zu Beginn, dass dies das erste Mal ist, dass sie ein Interview über sich selbst gibt.

Das Eine-Frau-Imperium

Heute trägt sie Marni. Ein ärmelloses Seidentop, kurzen Rock und Ballerinas. Ihr Gesichtsausdruck ist entspannt, manchmal fast mädchenhaft. Als hätte ihre Karriere keine Narben hinterlassen. Ihre braunen Haare trägt sie schulterlang. Ihre tiefe Stimme klingt sanft. Sie ist freundlich, lacht viel und stellt sogar während des Interviews den Blackberry aus. "Wenn ich mein Telefon abstelle, ist es fast so, als hätte ich Urlaub", sagt sie und fängt an, ihre eigene Geschichte zu erzählen: Wie eine junge, zierliche Frau aus Bonn ein PR-Imperium geschaffen hat, das sie bis heute ganz alleine führt.

Nach dem Abitur, das war 1973, machte Karla Otto das, was viele nach dem Abitur machen - eine lange Reise. Ein Jahr lang, um genau zu sein. Von Europa nach Asien. Über Persien, Afghanistan, Indien und Nepal bis nach Japan. Und zwar alleine. Ihr letztes Ziel wurde zu ihrem neuen Zuhause. Und eine Handvoll Freunde hatte sie dort auch schon: Ein Jahr zuvor hatte sie, während der Olympischen Spiele in München, eine japanische Theatergruppe kennengelernt. Für Sport interessiert sich Karla Otto nicht besonders, aber für Kultur eben. Und aus diesem Grund war sie nach München gereist.

In Tokio angekommen, beschloss sie zu bleiben. Zog zur Theatergruppe, schrieb sich an der Universität ein, um Japanisch zu studieren, und verdiente sich das Studium durch Modeljobs. Obwohl Karla Otto in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, mit zwei Schwestern und einem Bruder, hat sie schon früh ihr Leben selbst finanziert. "Und so bin ich zur Mode gekommen", sagt Karla Otto, "und nach Mailand". Wie so oft wurde aus dem Nebenjob schnell ein Hauptberuf, und schon bald schickte sie die Modelagentur nach Mailand. "Dort habe ich ziemlich bald Fiorucci kennengelernt, der mich fragte, ob ich die Pressearbeit für ihn machen will", sagt Karla Otto, die sich daraufhin von Japan und dem Modeldasein verabschiedete.

Elio Fiorucci war 22 - also etwa genauso alt wie Karla Otto damals - und hatte gerade das Familienunternehmen übernommen. Mit seinem sehr reichen Vater im Rücken brachte er Londoner Jugendkultur in Form von T-Shirts, Jeans und Accessoires erst nach Italien, um dann von dort aus die ganze Welt zu erreichen. Fiorucci machte zum Beispiel aus gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen, wie Butterbrotbehältern, modische Accessoires. Die zwei Engel, einer blond, der andere braun, mit dem Schriftzug "Fiorucci" in Pink wurden zum Logo einer ganzen Generation - der Popper. Das war der erste globale Massentrend, für dessen Vermarktung Karla Otto verantwortlich war. Und das in einer Zeit, da niemand so genau wusste, wie man Trends und Image vermarktet. Bei diesem Lernprozess war Karla Otto von Anfang an dabei. Als Lehrmeisterin sozusagen. Eine ihrer ersten Lektionen: Wie man aus einem zurückhaltenden Hamburger Modehaus eine Weltmarke macht; aber dazu kommen wir gleich.

Ohne Show läuft gar nichts

Nach dem Erfolg mit Fiorucci machte sich Karla Otto Anfang der achtziger Jahre mit ihrem eigenen Pressebüro in Mailand selbständig. Sie war kurz zuvor, während der Modeschauen in Paris, Jean Paul Gaultier begegnet, der sie mit seiner Pressearbeit für den italienischen Markt beauftragte. "Damals fing die Modewelt gerade an, global zu denken", sagt Karla Otto. Bis dahin mussten die Redakteure der Modezeitschriften zum Standort des Designers kommen, um sich die Kollektion ansehen zu können. Jetzt konnten die Mailänder Redakteure Jean Paul Gaultiers Entwürfe bei Karla Otto im Büro hängen sehen.

Sie entschied, wer kommen und sie entschied auch, wer sich was für welche Modeproduktion ausleihen durfte - und gewährleistete so selbst die Kontrolle über das ästhetische Umfeld der Marke. Nun aber zurück zum Hamburger Modehaus. Jil Sander. Sie hatte von Karla Otto gehört und rief sie an. Otto flog nach Hamburg. Einen Tag später, auf dem Rückflug nach Mailand, hatte sie bereits den Vertrag mit ihrer neuen Kundin in der Tasche. "Das war schon toll", sagt Karla Otto, "dass Jil den Mut dazu hatte und mir vertraute. Vor allem weil wir am Anfang nicht immer einer Meinung waren. In Deutschland war Jil Sander zwar sehr bekannt, aber international kannte man nur die Marke als Marke. Keiner wusste genau, was Jil Sander ist, weil sie nie eine Show machte. Jil war absolut gegen Shows. Aber auch wenn bis heute alle versuchen, eine Alternative zur Modenschau zu erfinden: Wenn du keine Show machst, bist du einfach nicht präsent. Egal wie gut deine Sachen sind. Niemand interessiert sich für dich", sagt Otto, die es schaffte, Sander davon zu überzeugen, eine Modenschau in Mailand zu machen.

Die enttäuschsten Pradas

Die Show wurde ein Erfolg und Jil Sander über Nacht zum internationalen Star der Modebranche. Fortan entwickelten Sander und Otto alles, bis auf die Kollektion, gemeinsam: Konzepte für weltweite Boutiquen, Anzeigenkampagnen, welche Produkte sie in welchen Medien anpreisen würden. Und auch wenn Sanders Talent und die Tatsache, dass sie eine der bemerkenswertesten Designerinnen unserer Zeit ist, außer Frage stehen, ist es nicht kühn zu behaupten, dass Karla Otto entscheidend am Aufbau der Marke beteiligt war.

Wie auch bei ihrem nächsten großen Coup: Prada. Vor allem bekannt durch Taschen und Schuhe, hatte Miuccia Prada gerade mit ihrer ersten Prêt-à-porter-Kollektion angefangen, als ihr Mann Patrizio Bertelli - derselbe übrigens, der später Jil Sander und Helmut Lang aufkaufte, um dann beide aus ihrem eigenen Unternehmen zu vertreiben - Karla Otto anrief. "Das war mein erster weltweiter Kunde. Alles, was nichts mit dem Entwurf der Kollektion zu tun hatte, haben wir gemeinsam entwickelt, Miuccia und ich": das Image der Marke, die Kampagnen, welcher Fotograf engagiert werden würde und welcher Art-Direktor. Wie die Flagshipstores weltweit aussehen sollten. Erst nur für Prada und später auch für Miu Miu.

Bis hin zum großen Schritt über den Atlantik: Karla Otto überzeugte Miuccia Prada, zusätzlich Shows in New York zu machen, die ihr endlich den großen Weltruhm einbrachten und die Auszeichnung als beste internationale Designerin. Eine enge Kollaboration und eine enge Freundschaft entstanden, die elf Jahre hielten. "Dann machte mir Bertelli ein verlockendes Angebot", sagt Otto. Er wollte sie kaufen. Genauso wie er bereits Jil Sander und Helmut Lang gekauft hatte. Mittlerweile hatte Karla Otto ihr zweites Büro in Paris eröffnet und wollte als Nächstes in London Fuß fassen. Sie lehnte Bertellis Angebot ab. "Ich habe es bis hierhin alleine geschafft, ich wollte meine Büros und vor allem meine Selbständigkeit nicht aufgeben."

Die Pradas waren enttäuscht. Damit hatten sie nicht gerechnet. Die Zusammenarbeit endete. Geschadet hat Karla Otto diese Entscheidung nicht. Ganz im Gegenteil. Bis heute gehört ihr alles zu hundert Prozent, und ihr Name wirkt mehr denn je wie ein Magnet: Von Luxusunternehmen wie Roberto Cavalli, Alberta Ferretti, Pucci oder Fendi, bis hin zu Sportmarken wie Nike - sie alle lassen sich von Karla Otto vertreten. Sogar Karl Lagerfeld, der seit der vergangenen Saison versucht, seine eigene Jeansmarke an den Mann zu bringen. Denn: Auch wenn die Welt nicht auf Jeans von Karl Lagerfeld gewartet hat, wenn es jemand schafft, dass diese Jeans gefeiert werden, dann Karla Otto, die dieses Jahr selbst etwas zu feiern hat - ihr 25. Firmenjubiläum. Zu diesem Anlass hat sie ein Büro in New York eröffnet. In einem Loft in Chelsea, nach Feng-Shui-Regeln austariert, der Lehre von Wind und Wasser. An beidem mangelt es ihr hier nicht, in der zwölften Etage des Chelsea Art Towers, komplett verglast mit Blick über den Hudson River bis hinüber nach New Jersey.

Otto verhilft zu Weltruhm

Ein Stapel mit losen Zetteln und ein Telefon. Mehr ist auf ihrem Schreibtisch nicht zu sehen. Erwartet hätte man das nicht auf dem Arbeitsplatz der weltweit einflussreichsten PR- und Imageberaterin. Von hier aus will Karla Otto vor allem dem türkischen Designer Hussein Chalayan und den Holländern Viktor & Rolf eine Brücke bauen, die bislang nur in Europa bekannt sind. Um Weltruhm zu erreichen, müssen sie aber Amerika erobern - dazu will ihnen Otto verhelfen. Genau so, wie sie es zuletzt mit Marni geschafft hat. Einem kleinen Kürschner-Unternehmen aus Italien, das seine Pelzkollektion austauschte gegen bezaubernd geschnittene Seidentops und Kleider, und damit zum Lieblingslabel der Luxus-Bohemians und der Stars geworden ist.

Rund 60 Mitarbeiter unterstützen Karla Otto weltweit. Sie selbst pendelt zwischen ihren Büro-Standorten hin und her, wobei ihre Wohnung in London ist. "Mein einziges Zuhause würde ich das nicht nennen", sagt sie, "denn ich fühle mich überall zu Hause, wo ich bin." Auch in der Schweiz, wo ihr 16-jähriger Sohn ins Internat geht. "Wenn er Abitur macht, will ich nach New York ziehen", sagt sie. Das könnte dann vielleicht etwas mehr Ruhe in ihr Leben bringen. Soweit zumindest momentan der Plan, an dessen Verwirklichung jetzt noch nicht zu denken ist. Denn wenn die Schauen vorbei sind, fängt Karla Ottos Arbeit erst richtig an: Die Kollektionen ihrer Kunden wollen schließlich weltweit vermarktet werden.

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