Dem Geheimnis auf der Spur:Monster im Eis

Oddities. Mythical Creatures. Abominable Snowman. pic: circa 1951. This picture was taken at 19,000 feet in the Menlung Basin, Nepal, and shows, supposedly, the footprints of the Abominable Snowman or Yeti.

Der Fußabdruck eines Yeti - oder nur zwei Bärentapser übereinander? Das berühmte Foto nahm die Expedition von Eric Shipton 1951 auf.

(Foto: Popperfoto/Getty Images)

Seit Jahrhunderten wird im Himalaja über einen riesigen Schneemenschen berichtet. Mit Genanalysen wollen Forscher herausfinden, ob der Yeti wirklich existiert.

Von Nicolas Freund

Der erfahrene Bergsteiger Eric Shipton leitete 1951 eine Expedition in Nepal, die mögliche Routen für eine geplante Besteigung des Mount Everest auskundschaften sollte. In einer Talsenke fiel dem kleinen Team eine Spur im Schnee auf, wie sie noch keiner der Expeditionsteilnehmer zuvor gesehen hatte: Riesige Fußabdrücke führten durch das Becken, die größten mehr als 30 Zentimeter lang. Ein berühmtes Foto zeigt neben einer der Spuren eine Spitzhacke, deren metallener Kopf kaum den Abdruck durchmisst. Auch der schwere Bergstiefel eines der Kletterer, der auf einem anderen Foto zu sehen ist, passt problemlos in die Fußstapfen. Mehr noch als die Größe der Spuren beunruhigte die Entdecker aber ihre Anordnung. Sie führten so abwechselnd versetzt zueinander in die Schneewüste, als hätte sie kein vierbeiniges Tier, sondern ein aufrecht, wie ein Mensch auf zwei Beinen gehendes Wesen hinterlassen. War das Team um Shipton auf Spuren des Yeti, des sagenhaften Schneemenschen gestoßen? Menschen spiegeln sich gerne im ihnen Unbekannten, um es begreifbarer zu machen, und Fotos können so gut täuschen, wie kein anderes Medium, aber noch heute, wenn man die mehr als 60 Jahre alten Bilder betrachtet, möchte man den Bergsteigern gerne glauben, dass die Spuren von einem unbekannten Wesen stammen.

In einem buddhistischen Kloster in Nepal wird der angebliche Skalp eines Yeti ausgestellt

Legenden vom Yeti, einem Tier halb Mensch und halb Affe oder Bär, griffen westliche Besucher im Himalaja seit dem frühen 19. Jahrhundert in ihren Reiseberichten immer wieder auf. Auch in anderen Kulturkreisen gibt es vergleichbare Fabelwesen, wie den Bigfoot oder Sasquatch in Nordamerika und den Yeren in China. Augenzeugenberichte von Treffen mit diesen Monstern unterscheiden sich stark voneinander, mal ist von einem Tier mit schwarzem, mal mit weißem Fell die Rede, mal flieht es beim Anblick der Menschen, mal verhält es sich aggressiv. Gemeinsam ist aber allen Berichten, dass der Yeti wie ein Mensch auf zwei Beinen läuft und dass er sich nicht gerne beobachten oder gar fotografieren lässt. Fast immer finden sich nur indirekte Hinweise auf seine Existenz, wie Haarbüschel oder einsame Fußstapfen im Schnee und selbst diese sind oft nur durch verwackelte Bilder belegt. Von Bigfoot, dem nordamerikanischen Verwandten des Yeti, existiert zwar sogar eine unscharfe Amateuervideo-Aufnahme von 1967, der sogenannte Patterson-Gimlin-Film. Die Authentizität der kurzen Sequenz ist aber stark umstritten.

Wenigstens ein Teil eines angeblich echten Schneemenschen wird in einem buddhistischen Kloster im nepalesischen Dorf Khumjung ausgestellt. In einem Glaswürfel liegt der konisch zulaufende, mit dunkelbraunem Fell bedeckte Yeti-Skalp wie eine christliche Reliquie. Es wird allgemein angenommen, dass es sich dabei um eine Fälschung handelt. Auch hier müssen sich Yeti-Jäger, die nicht bis in das Dorf reisen möchten, aber wieder auf Bilder stützen, denn das Kloster soll an einer wissenschaftlichen Analyse der Haare nicht interessiert sein.

Ein großer Teil der Himalaja- und Yeti-Fans sicher auch nicht. Es ist ja auch zu schön, nicht nur einen hohen Berggipfel bezwungen, sondern sich auch noch in das Revier eines geheimnisvollen Tiermenschen hinein gewagt zu haben. Sogar der Südtiroler Vorbildkletterer Reinhold Messner wollte eine Begegnung mit dem Yeti gehabt haben. Inzwischen ist sich Messner allerdings sicher, dass die dunkle Gestalt, die er damals am Waldrand erblickt hatte, ein aufgerichteter Bär gewesen ist. Trotzdem hält sich der Yeti nach wie vor als das zottelige Maskottchen vieler Extrembergsteiger.

Gibt es im Himalaja eine unbekannte Eisbärenart, die für das Wesen gehalten wird?

Der Mythos vom geheimnisvollen Schneemenschen ist schon deshalb kaum aus der Welt zu bekommen, trotz einer Vielzahl wissenschaftlicher Erklärungsversuche. So lautet eine gängige These zur Entstehung der gigantischen Fußspuren, dass es sich dabei sehr wohl um die Tapser eines Vierbeiners, genauer gesagt, die eines Bären handelt. Dieser sei eben so gelaufen, dass er mit den Hinterpfoten immer in die Abdrücke der Vorderpfoten gestiegen ist und diese damit vergrößert hat. Im Schnee, wo sich kaum vorhersagen lässt, ob die Oberfläche stabil ist oder nicht, ist das eine instinktiv sichere Fortbewegungsmethode. Vorne sind in den Fußspuren deshalb die Krallenabdrücke zu sehen und nach hinten wird der Abdruck so groß wie zwei Füße. Schneeschmelze kann die Spuren noch größer erscheinen lassen.

Eine Genuntersuchung vermeintlicher Yeti-Beweisstücke führten Wissenschaftler der Universität Oxford und verschiedener Forschungszentren vor drei Jahren durch. Sie analysierten das Erbgut von Haarproben aus der ganzen Welt, vor allem aus Russland und den USA, aber auch aus Indien und Nepal. Die meisten Haare ließen sich domestizierten Tieren zuordnen, die natürlicherweise in der Gegend leben, wo der jeweilige Bigfoot oder Yeti gesichtet worden sein soll. In den meisten Fällen handelte es sich um Bären, Pferde oder Hunde.

Nur drei Proben stachen heraus: Zwei Haarbüschel aus Bhutan und dem nördlichen Indien sollen von Eisbären stammen, die in dieser Region eigentlich nicht anzutreffen sein sollten. Es könnte sich dabei um eine noch nicht bekannte Variante mit dunklerem Fell handeln. Die Forscher weisen auf bisher nicht verifizierte Berichte von Bären mit hellem Fell in Zentralasien hin. Eine andere Probe aus den USA wurde dem Homo sapiens zugeordnet, ist also menschlichen Ursprungs. Auf unbekannte DNA stießen die Wissenschaftler nicht. Sie schließen ihren Aufsatz aber mit der Anmerkung, dass das "Fehlen von Beweisen kein Beweis für Nichtexistenz ist".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: