Dem Geheimnis auf der Spur:Mann mit Maske

Dem Geheimnis auf der Spur: Ein großer Wurf: Kunst von Banksy auf einer Mauer im Westjordanland.

Ein großer Wurf: Kunst von Banksy auf einer Mauer im Westjordanland.

(Foto: Mauritius Images)

Wer ist Banksy und wenn ja, wie viele? Bisher ist es dem Street-Art-Künstler trotz eines weltweiten Interesses gelungen, seine wahre Identität zu verbergen.

Von Sofia Glasl

Graffitikünstler müssen sich tarnen. Sowohl bei der Arbeit an der Hauswand, die ihnen nicht gehört, als auch beim Signieren des Kunstwerks. Was Kapuzenpulli und Gesichtsmaske für den Sprayer sind, ist das Tag für die Unterschrift - ein Kürzel oder Pseudonym, das den Künstler verbirgt, ihm sein Werk aber zuordnet. Denn so vorsichtig Sprüher sein müssen, sie wollen auch als eigenständige Künstler mit individuellem Stil erkannt werden. Schwierig wird es, wenn die Polizei anrückt oder das Pseudonym enttarnt wird. Außer sie sind mittlerweile so berühmt, dass ihr Promistatus in der Kunstwelt sie schützt. Wie etwa den Franzosen Blek le Rat, der in den Achtzigern Ratten und Bananen mit Schablonen an die Hausecken Europas sprühte. Oder Obey, der mit dem "Hope"-Plakat, das 2008 den Obama-Wahlkampf bebilderte, schlagartig zu internationaler Bekanntheit gelangte und gesellschaftsfähig wurde.

Seine Kunst ist salonfähig geworden und steht für hohe Summen zum Verkauf

Der aktuell wohl berühmteste Street-Art-Künstler ist der Brite Banksy, der seit den frühen Nullerjahren mit politisch aufgeladenen und plakativen Schablonen-Kunstwerken auf sich aufmerksam macht. Das spektakulärste Projekt war eine Reihe von Panoramen auf der Sperranlage im Westjordanland. Er sprühte im Jahr 2007 auf die triste Mauer Fenster mit tropischen Reisezielen und nannte die Westbank das ultimative Reiseziel für Sprayer. Im März 2017 eröffnete er hier The Walled Off Hotel, ein Luxushotel mit Blick auf die Grenzmauer. Das Interieur besteht aus seinen Werken und soll künftig Ausstellungen von palästinensischen Künstlern bieten, da sie wegen Reiserestriktionen international kaum beachtet werden.

Banksy hat es trotz seines weltweiten Ruhms geschafft, sein Pseudonym aufrechtzuerhalten. Das einst Notwendige ist nun eine lukrative Marke - eine paradoxe Ironie: Werden Graffitikünstler in der Regel wegen Vandalismus und Sachbeschädigung zur Rechenschaft gezogen, werten Banksys Sprühereien inzwischen jedes Gebäude auf und das im ökonomischen Wortsinn. Banksys Kunst ist salonfähig geworden und steht für hohe Summen zum Verkauf. Der Übergang vom subversiven Street Artist zum gefeierten Star wird von vielen als Ausverkauf angesehen, denn Street Art und Galerien sind keine natürlichen Verbündeten. Ausgeschnittene Mauerstücke mit einem echten Banksy wirken immer irgendwie deplatziert, gezähmt. Da ist Banksy kein Einzelfall. Aber die metonymische Identifizierung des Künstlers als Teil des Werks erfährt hier eine Rückwärtsbewegung. Diese macht deutlich, dass selbst die als Negativ hochgehaltene Identität ausschlaggebend für den Rummel um seine Kunst ist.

Das Rätselraten um seine wahre Identität gehört zum Spiel. Die permanente Abwesenheit der Person ist Teil des Gesamtkunstwerks. So auch bei seiner selbst ausgerufenen Residency in New York. Im Oktober 2013 kündigte er eine einmonatige Schaffensphase in der Stadt an und wollte täglich ein neues Werk hinterlassen. Ein Foto auf der Homepage sollte je einen Hinweis auf den Ort geben. Was daraufhin geschah, kann man nur als Hype bezeichnen: Eine wilde Schnitzeljagd brach los. Jeder wollte der Erste sein, der das Werk findet und sieht, bevor es etwa von Hausbesitzern übermalt, von anderen Künstlern überschrieben oder von geldgeilen Unternehmern weggeschafft würde.

In dieser Aktion verdichtete sich besonders die Inszenierung seiner Künstlerpersona im Begriff der Schablone. Was beim Sprühen als Negativ funktioniert, ist in Banksys Selbstinszenierung sein Gesicht. Denn er, oder jemand, der sich in seinem Namen für ihn ausgibt, setzt sich mit ins Gesicht gezogener Kapuze vor Dokumentarfilmkameras. Die Leerstelle ist letztlich integraler Bestandteil der Marke Banksy.

Die tägliche Schnitzeljagd in New York war damit auch eine Jagd auf Banksy als Person und pervertierte in großem Rahmen die seit über zehn Jahren kursierenden Gerüchte um eine vermeintliche Enttarnung. In regelmäßigen Abständen gibt es neue, immer aufwendigere Theorien und noch aufwendigere Versuche, seine tatsächliche Identität zu belegen. Anfang der Siebziger in Bristol geboren, ist er angeblich der Grafikdesigner Robin Gunningham aus Bristol. Andere Quellen nennen ihn Robin Banks, unter diesem Namen hat er auch einige seiner Bücher mit Fotografien seiner Graffiti herausgegeben. Allerdings scheint das eher ein Scherz zu sein - spricht man den Namen aus, ergibt er rein lautlich den Ausdruck "robbin' banks - Banken ausrauben".

Mit Computerprogrammen, sonst von der Kriminalpolizei für die Überführung von Serienmördern angewendet, glich der Guardian akribisch Wohnsitze und Graffiti-Standorte miteinander ab. Ähnlich der 2016 veröffentlichte Versuch des Journalisten Craig Williams, die Tourdaten und -orte der britischen Band Massive Attack mit den Orten von immer neuen Banksys zu vergleichen. Seine Theorie: Der Sänger der Band, Robert Del Naja, sei Banksy. Dieser dementiert jedoch vehement, bezeichnet Banksy aber als langjährigen Freund.

Im April 2017 behauptete der Brite William Kasper, Banksy sei ein Künstlerkollektiv, bestehend aus vier Personen. Eine von ihnen, den Sprayer James Ame, Pseudonym Ame72, hatte er 2007 bei einem Grenzübergang in Palästina fotografiert und eine ähnlich aussehende Person beim Sprühen an der Mauer. Mehr Beweise kann er jedoch nicht beibringen. Diese Theorie wäre allerdings im Sinne von Banksys Schablonen-Identität konsequent: Die Künstler würden sich also unter aller Augen mit Einzelpseudonymen hinter der Kunstfigur Banksy verstecken - Banksy als ultimative Schablone, als Pseudonym des Pseudonyms.

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