Dem Geheimnis auf der Spur:Für immer fort

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1967 musste Jimmy Hoffa, der auch Kontakt zur Mafia hatte, wegen Betrugs und Bestechung ins Gefängnis. (Foto: Imago)

Jimmy Hoffa war einer der mächtigsten amerikanischen Gewerkschaftsbosse, bis er eines Tages spurlos verschwand.

Von Bernd Graff

Im Januar 1993 erschien in der New York Times ein Leserbrief, in dem der Verfasser berichtet, dass er das Magazin dieser Zeitung "wie immer in der Hoffnung auf ein bisschen Aufklärung" aufschlug und dann bitter enttäuscht wurde. Da habe ihn ein Frosch angestarrt. Angeblich, so der Titel des Artikels, sterben die Frösche aus. "Keine weiteren Frosch-Geschichten mehr!", meint dazu der Leserbriefschreiber, "Lasst uns doch bitte wieder zu menschlichen Fragen zurückkehren. Etwas zu dieser: Wo ist Jimmy Hoffa?"

Das ist die Frage. Das war sie 1993, als der Leserbrief abgefasst wurde, das war sie 1975, als Hoffa tatsächlich spurlos verschwand, das ist sie bis heute. Und als man am 30. Juli 1982 beschloss, den Fall wenigstens offiziell für abgeschlossen zu erklären, da war die obskure Geschichte dieses mächtigen Gewerkschaftsführers der Lastwagenfahrer, der Teamsters, schon zum urbanen Mythos geworden. Es kursierten Witze wie dieser: "Sagt ein Gewerkschaftsboss bei der Einweihung eines neuen Gebäudes zum anderen: Hoffa wird immer das Fundament unserer Arbeit sein." Der war ganz gut. Denn zur Hoffa-Story gehört, dass man seine Leiche einbetoniert auf einer Baustelle vermutet. 1993 hat Aimee Mann in dem Song: "Jimmy Hoffa Jokes" behauptet, dass die Witzeleien um dessen Verschwinden abgenutzt seien wie schlechte Beziehungen: "It's not exactly new / And we're infinitely blue / We're like Jimmy Hoffa jokes."

Jimmy Hoffa entwickelte sich vom Held der Gewerkschaften zur zwielichtigen Gestalt

Doch Hoffa bleibt nach wie vor verschwunden. Er ist nach Amelia Earhart, die 1937 mit ihrem Flugzeug in ein Schwarzes Loch über dem Pazifischen Ozean geflogen sein muss, der - wenn man das sagen darf - am spurlosesten verschwundene Mensch des 20. Jahrhunderts.

1913 in Indiana geboren, hatte Hoffa sich 1932 bei einem "Erdbeerstreik" genannten Aufstand von Lagerarbeitern einen Namen gemacht. Nachdem er eine Erhöhung des Lohns durchsetzen konnte, stellte ihn die Gewerkschaft der Transportarbeiter, die Teamsters in Detroit, als Funktionär ein. Er hat seine "Strawberry-Boys", eine Schlägertruppe, dorthin mitgenommen. Denn schon im ersten Jahr seines Wirkens bei den Teamsters war er körperlich angegriffen worden, man versuchte, sein Auto von der Straße abzudrängen, und auch, ihn darin in die Luft zu jagen. Hoffas Ruhm tat dies keinen Abbruch: im Gegenteil. Die Teamsters hatten Mitte der 30er-Jahre etwa 80 000 Mitglieder, 1939 - nach Hoffas Einstieg - waren es 420 000, Anfang der 50er-Jahre waren esmehr als eine Million. Hoffa wurde von 1957 an deren Präsident.

Doch der Mann stand da schon unter Beobachtung: Robert Kennedy, der Bruder des späteren US-Präsidenten, sammelte als Chefberater des Ständigen Untersuchungsausschusses gegen organisiertes Verbrechen schon seit Jahren für den Senat Beweise gegen Hoffa. Der war etwa beim Versuch erwischt worden, ein Mitglied dieses Ausschusses mit 200 000 Dollar zu bestechen - und 1957 trotzdem freigesprochen worden.

Kennedy schäumte, schrieb ein Buch darüber, " The Enemy Within", und erklärte die Teamsters zu einem Hauptfeind des Staates. Hoffa stand nicht nur im Verdacht, Gelder der Gewerkschafter-Pensionsfonds in die eigene Tasche umgeleitet, sondern vor allem auch, der Mafia daraus illegale Darlehen für ihre Casino-Bauten in Las Vegas verschafft zu haben.

Als Robert Kennedy 1961 amerikanischer Justizminister wurde, gründete er sogar eine Spezialeinheit: die Get Hoffa Squad. Nachdem dieser sich weitere Bestechungsskandale hatte zuschulden kommen lassen, wurde Hoffa 1967 doch noch zu dreizehn Jahren Gefängnis verurteilt - obwohl es ihm auch hier gelungen war, seinen Prozess jahrelang hinauszuzögern.

Die Teamsters ernannten ihn daraufhin zum Präsidenten der Herzen, erhöhten sein Gehalt und beglichen seine Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von 1,3 Millionen US-Dollar. Das war 1967 verdammt viel Geld. 1971 schon wurde er vom neuen Präsidenten Nixon wieder begnadigt. Man munkelte, Nixons Wahlkampf sei von Mafia-Leuten, die Hoffa einen Gefallen schuldeten, finanziert worden. Der Gewerkschafter erhielt die Auflage, nun mal zu kuschen, von seinen Getreuen versüßt mit 1,7 Millionen Dollar Ruhegeld. Aber Hoffa gab keine Ruhe. Er wollte seine Posten zurück, rebellierte gegen Nixon - schließlich gegen seine eigene Gewerkschaft.

1975, an einem Juli-Nachmittag, verschwand Hoffa spurlos, zuletzt wurde er auf einem Restaurant-Parkplatz in einem Vorort Detroits gesehen. Dort soll er angeblich mit zwei Mafia-Bossen verabredet gewesen sein. Die beiden Männer leugneten jedes Treffen. Seitdem blühen die Vermutungen: Hoffa soll an der Ermordung Präsident Kennedys beteiligt gewesen sein. Man habe ihn aus Angst vor einem Geständnis unter den Torstangen eines Fußballstadions verscharrt. Ein FBI-Verantwortlicher wollte die Mafia-Mörder kennen, ihre Namen aber nicht nennen, um Gefahr vom FBI anzuwenden. Noch 2001 will man seine DNA im Auto eines Bekannten gefunden haben. Stimmte alles nicht. 2006 grub man das Areal einer Pferdefarm um, ohne Erfolg. 2009 behauptete ein Mafia-Killer in seinen Memoiren, er habe Hoffa getötet und seine Leiche "für eine halbe Stunde oder so" in einem Fass verbrannt. 1992 wird sein Leben von Danny DeVito nach einem Buch von David Mamet verfilmt, Jack Nicholson spielt Hoffa.

2012 pflügte man eine Straße bei Detroit um, weil jemand glaubte, 1975 dort komische Aufschüttungen gesehen zu haben. 2013 wurde ein Feld in der Nähe des Restaurants umgegraben, weil ein Gangster behauptet hatte, dort sei der tote Hoffa deponiert worden. War er natürlich nicht. Vermutlich liegt er im Grab von Elvis.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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