Debatte um Sexismus:90 Prozent fordern Entschuldigung Brüderles

Rainer Brüderle FDP Sexismus Laura Himmerlreich Stern

Brüderle müsse sich bei der Journalistin entschuldigen, wenn die Vorwürfe, die sie gegen den Politiker erhoben hatte, wahr seien, fordert die Mehrheit der Befragten.

(Foto: dpa)

Rainer Brüderle schweigt zum Vorwurf des Sexismus. In der Öffentlichkeit kommt diese Haltung mehr als schlecht an. 90 Prozent der Deutschen fordern laut einer Umfrage eine Entschuldigung des Politikers. Doch auch sein erster öffentlicher Auftritt seit den Anschuldigen enttäuscht die Erwartungen.

Rainer Brüderle schweigt. "Kein Kommentar" antwortete er dem Nachrichtenmagazin Focus auf die Frage, ob er vor einem Jahr in einer Bar eine Journalistin angemacht habe. In der Öffentlichkeit kommt das beharrliche Aussitzen des FDP-Politikers mehr als schlecht an. In der Debatte um die Sexismusvorwürfe gegen den FDP-Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle fordern die Deutschen laut einer Umfrage eine Entschuldigung des Politikers.

Einer repräsentativen Emnid-Umfrage für die Bild am Sonntag zufolge waren 90 Prozent der Befragten der Meinung, Brüderle müsse sich bei der Journalistin entschuldigen, wenn die Vorwürfe, die sie gegen den Politiker erhoben hatte, wahr seien. In diesem Fall sprachen sich sogar 45 Prozent der Befragten für einen Rücktritt Brüderles vom Amt des Fraktionsvorsitzenden aus. Befragt wurden bundesweit 500 Bürger.

Bunte-Chefredakteurin sieht kein Abhängigkeitsverhältnis

In einem im Stern veröffentlichten Beitrag hatte die heute 29-jährige Journalistin Laura Himmelreich jüngst von einer Begegnung mit Brüderle Anfang 2012 berichtet. Dabei soll der FDP-Politiker anzügliche Bemerkungen gemacht und ihre Hand geküsst haben. Brüderle soll auf ihre Brüste geschaut und gesagt haben soll: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen".

Während Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki dem Stern in der Bild am Sonntag vorwirft, Brüderle schaden zu wollen, äußert sich auch die Chefredakteurin der Zeitschrift "Bunte", Patricia Riekel, kritisch gegenüber der Berichterstattung. Natürlich habe kein Mann das Recht, anzügliche Kommentare gegenüber Frauen zu machen, sagte sie der Bild am Sonntag. Zwischen Brüderle und der Journalistin bestehe allerdings kein Abhängigkeitsverhältnis. "Sie hätte ihn beim ersten Kommentar, der ihr anzüglich erschien, sofort deutlich in seine Schranken weisen oder gehen können."

Spitzenpolitikerinnen von SPD und Grünen sind da ganz anderer Meinung. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig prangert alltäglichen Sexismus in der Gesellschaft an. Dieser sei völlig inakzeptabel, sagte Schwesig der Welt am Sonntag. "Letztlich ist das ein deutlicher Ausdruck mangelnder Wertschätzung und damit fehlender Gleichberechtigung der Frauen."

Frauen darin bestärken, sich nichts gefallen zu lassen

Für Schwesig ist es "nicht hinnehmbar", dass Frauen, "die von solchen sexistischen Übergriffen berichten, nachträglich zu Täterinnen gemacht werden". FDP-Politiker hatten der Journalistin und dem Magazin eine Kampagne gegen Brüderle unterstellt.

Für Katrin Göring Eckardt, Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013, ist die ausgebrochene Sexismus-Debatte längst überfällig. Sie führe hoffentlich dazu, "dass Sexismus in Zukunft klarer benannt und nicht toleriert wird. Und die Frauen darin bestärkt, sich nichts gefallen zu lassen", sagte Göring-Eckardt der Welt am Sonntag.

Beim Neujahrsempfang am heutigen Sonntag hätte der FDP-Politiker die Chance gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch die Erwartungen der Öffentlichkeit hat er enttäuscht. Zwar setzte sich Guido Westerwelle für seinen Kollegen ein: Für den Mann an der Spitze gebe es "in einigen Redaktionsstuben kein Pardon mehr", so der Außenminister. Umso wichtiger sei es, "Zerrbilder, die in Medien über Menschen verbreitet werden, nicht durchgehen zu lassen". Doch Brüderle selbst schweigt weiter: Die Affäre erwähnt er mit keinem Wort.

Sexismus und die aktuelle Debatte bewegen viele Kommentatoren im Internet: Linktipps der Süddeutsche.de-Redaktion zur Sexismus-Debatte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: