Debatte um High Heels im Job:Meine Füße, meine Entscheidung

Konferenzen im Stehen gelten als besonders effektiv, sind aber nicht bei allen Mitarbeitern beliebt.

Besonders bequem ist der weibliche Businesslook nicht - zumindest nicht dieser.

(Foto: imago stock&people)

Arbeitgeber dürfen Kleidungsvorschriften machen. Frauen in hohe Schuhe zu zwingen, ist jedoch ein Unding. Über den Unterschied zwischen Blusenfarbe und Absatzhöhe.

Kommentar von Barbara Vorsamer

High Heels oder Turnschuhe, kurzer Rock oder lange Hose, Kopftuch oder offenes Haar, Lippenstift oder ungeschminkt: In der Freizeit darf jeder selbst entscheiden, was er tragen will - im Job nur bedingt: Nicht wenige Arbeitgeber schreiben ihren Mitarbeitern vor, wie sie sich zu kleiden haben. Ob und in welchem Ausmaß die Reglementierung Sinn macht, wird aktuell am Fall der Britin Nicola Thorp debattiert.

Die 27-jährige Angestellte einer Zeitarbeitsfirma hatte ihren Dienst an der Rezeption einer Unternehmensberatung in eleganten, flachen Schuhen angetreten - und wurde prompt wieder nach Hause geschickt. Absätze zwischen fünf und zehn Zentimetern seien für diese Stelle vorgeschrieben, soll ihr Vorgesetzter gesagt haben. Dann habe er sie vor die Wahl gestellt, sich angemessene Stöckelschuhe zu kaufen oder einen anderen Job zu suchen, berichtet Thorp.

Die Britin verzichtete auf den Schuhkauf und startete stattdessen eine Online-Petition, in der sie fordert, solche Vorschriften gesetzlich zu verbieten. Mehr als 100.000 Britinnen und Briten haben bereits unterzeichnet, weswegen das Parlament nun verpflichtet ist, sich des Themas anzunehmen. Auch die meisten Kommentatoren schlugen sich auf die Seite der Rezeptionistin. Weder Frauen noch Männern dürften im 21. Jahrhundert irgendwelche Kleidungsvorschriften gemacht werden, das beschneide die freie Entfaltung, fanden viele.

Damit haben sie grundsätzlich Recht. Über jede Vorschrift kann und darf diskutiert werden. Manche Vorgaben sind aber durchaus in Ordnung. So schränkt ein Verbot offen getragener langer Haare zwar die modische Entfaltung ein, ist aber aus hygienischen Gründen zum Beispiel in Kliniken und Küchen ein Muss. Dass Sandalen auf der Baustelle verboten sind und Helmpflicht herrscht, dient der Sicherheit der Arbeiter. Und auch vom Servicepersonal eines Hotels einen einheitlichen Look zu verlangen, ist akzeptabel - allein schon, weil es keine große Zumutung ist, ein Hemd in einer bestimmten Farbe zu tragen.

Die Selbstbestimmung einzuschränken, ist demnach okay, wenn sich die Anforderungen im Rahmen halten oder einen guten Grund haben. Doch welchen tieferen Sinn hat es, von einer Empfangsdame High Heels zu verlangen?

Erotik und Attraktivität gehören nicht in die Stellenbeschreibung

Ein elegantes und professionelles Erscheinungsbild kann sie auch in flachen Schuhen abgeben, nur sieht sie vielleicht nicht so sexy aus. Aber Erotik ist keine legitime Anforderung an Mitarbeiterinnen (außer vielleicht in bestimmten Branchen des Showbusiness', aber das ist ein anderes Thema). Wer Attraktivität verlangt, degradiert die Frau im Foyer zum Dekorationsobjekt neben dem Ledersofa, den Kunstdrucken und der Empfangstheke mit den Blumensträußen.

Im Fall Thorp schien übrigens genau das hinter den (inzwischen abgeschafften) Vorschriften zu stehen. Die Zeitarbeitsfirma verlangte nicht nur hohe Schuhe, sondern auch das Tragen von Make-Up von den Mitarbeiterinnen. Männliche Kollegen brauchten dergleichen nicht. Sind männliche Augenränder schöner als weibliche, stört ein Pickel nur, wenn er auf einer Frauenwange sitzt? Nein. Eine solche Regel ist schlicht sexistisch.

Natürlich verschönern sich viele Frauen freiwillig und gerne. So beschreibt eine Autorin im Independent "Bleistiftrock, Lippenstift, eine Wolke Parfum und sieben Zentimeter Absatz" als "professionelles Frauenroboterkostüm" und argumentiert, dass sie keine Feministin mehr sein wolle, wenn diese ihr die geliebten High Heels entreißen würden.

Als ob das irgendjemand ernstlich vorhätte! Ja, es gibt Feministinnen, die hohe Absätze generell für frauenfeindlich halten, mit dem Argument, diese würden Frauen quasi fesseln, weil sie mit ihnen nicht davon rennen können. Andere drehen dieses Argument um und behaupten, eine Frau mit hohen Schuhen signalisiere ihre Macht, weil sie zeige, eine Flucht gar nicht nötig zu haben. Warum dann wohl die mächtigste Frau der Welt, Bundeskanzlerin Angela Merkel, bislang noch nie in Stilettos gesichtet wurde? Wohl kaum, weil sie Angst vor Angreifern hat.

Schnell laufen zu müssen, spielt in Angela Merkels Leben wahrscheinlich keine Rolle, im normalen Angestelltenalltag auch nicht. Gehen und stehen muss man aber in fast allen Jobs. In Schuhen mit fünf bis zehn Zentimetern Absatz schmerzen den meisten Menschen dabei die Füße - und es ist langfristig gesundheitsgefährdend.

Ob und wie sie sich die Gesundheit ruiniert, muss jede Frau selbst entscheiden dürfen. Und das ist - neben der Frage nach der Notwendigkeit von High Heels an den Füßen einer Rezeptionistin - der entscheidende Unterschied, weswegen es zwar akzeptabel ist, Arbeitnehmerinnen die Blusenfarbe vorzuschreiben, nicht aber eine bestimmte Absatzhöhe. Beides ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerin, nur letzteres beeinflusst die Gesundheit.

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