Datings für Profikicker:Berufsziel: Spieler-Gespielin

Fußballerfrauen wie Victoria Beckham und Sylvie van der Vaart kämpfen gegen eine wachsende Luderfront - nun vermittelt sogar ein Online-Portal Dates mit Profikickern.

Marten Rolff

Das Fußball-WM-Jahr 2010 dürfte als annus horribilis der Spielerfrauen in die Geschichte eingehen. Als das Jahr, in dem verheiratete oder sonstwie liierte Millionenkicker weltweit Skandal an Skandal reihten und dabei selbst großzügigst ausgelegte Regeln des Anstandes (erotische Ausflüge: ja, sich erwischen lassen: nein) mit Füßen traten. Und womöglich auch als das Jahr, in dem plötzlich ein 22-jähriger Jungunternehmer eine seltsame Vermittlungsagentur eröffnete und die Parole ausgab: Spielerfrau? Kann doch jede!

Victoria Beckham

Der härteste Job der Welt: "Wives and girl-friends", kurz "Wags" verfolgten im Sommer 2006 das Spiel ihrer WM-Männer. Ganz vorne dabei, wie so oft, Cheryl Cole (mit Hut) und Victoria Beckham.

(Foto: Reuters)

Erinnern wir uns zunächst aber an die gröberen Fouls: Im Februar verlor Chelseas Innenverteidiger und "Dad of the Year", John Terry, die Kapitänsbinde des englischen Nationalteams, weil er einem Mannschaftskollegen ein Unterwäschemodel ausgespannt haben soll. Im August insinuierte die Bunte verschwiemelt ähnliche Übergriffe durch den deutschen Kapitän Michael Ballack und bezeichnete ihn im Editorial als "Schuft". Im Juli ermittelte die Pariser Staatsanwaltschaft gegen Bayern-Star Franck Ribéry wegen Verdachts auf Kontakt zur minderjährigen Prostituierten Zahia D. ("Ich war sein Geburtstagsgeschenk"). Und im September sollen bei Manchester-United-Stürmer Wayne Rooney Ehe und Einsatz gefährdet gewesen sein, als bekannt wurde, er habe sich mit einer Edelhure getroffen.

"Me, you! Fuck, fuck!"

Das fatalste Zeichen aber setzte Cristiano Ronaldo, als der Sunday Mirror im Juli berichtete, der portugiesische Weltfußballer (2008) habe in Los Angeles eine Kellnerin von einem Treffen überzeugt, und zwar mit vier Worten, neben denen jede Besenkammer-Anbahnung wie ein romantischer Pas de deux wirkt: "Me, you! Fuck, fuck!" Und schon war die Bedienung Weltfußballerbaby-Mutti und Multimillionärin. Ein üblicher Unfall, klar. Doch einer, der nun auch die naivste Klosterschülerin zu der Annahme berechtigt: Um sich als Spieler-Gespielin zu qualifizieren, genügt es, zur rechten Zeit am rechten Ort ein Tablett auf den Tisch zu knallen, sich eine blondierte Strähne aus dem Gesicht zu streichen und beim Freilegen einer halbwegs intakten Zahnreihe mit der Zunge über die Oberlippe zu gleiten.

Diese allgemein aufgeheizte Stimmung nutzt nun ein 22-jähriger BWL-Absolvent aus Dagenham bei London. Daniel Hall ließ gerade die Internetseite www.becomeawag.com (etwa: Wie ich eine Spielerfrau werde) freischalten. Sein Geschäftsmodell in vier Stufen löste in England einige Aufregung aus.

Die Idee: 1.) Interessiertes volljähriges Mädchen schickt Foto und füllt Fragebogen zu Vorzügen und Vorlieben aus. 2.) Online-Agentur gleicht Fragebogen mit Vorzügen und Vorlieben von registrierten Fußballprofis ab. 3.) Agentur vermittelt gegen eine Gebühr von 19,99 Pfund bei Übereinstimmung Date. 4.) Kicker kriegt Traum-Mädchen, Mädchen bekommt Traum-Leben. Halls Credo: Die Top-Gehälter der Stars machen das Dasein als Spielerfrau heute zum attraktiven Lebensziel und Selbstzweck. Sein angebliches Portfolio: 15 Profispieler, darunter "einige sehr große Namen", wie er auf seiner Seite versichert. Auf Interviewanfragen antwortet er derzeit nicht.

Lassen wir die Moral einmal beiseite. Streng genommen ist Halls Konzept nur die Weiterentwicklung einer Idee von Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher, der schon vor 25 Jahren vorschlug, zur besseren Triebregulierung Prostituierte im Mannschaftshotel zuzulassen.

Vorwerfen darf man Hall allerdings, dass er die etablierten Spielerfrauen grob unterschätzt. Nicht umsonst haben sich Alpha-Damen wie Victoria Beckham, Sylvie van der Vaart, Cheryl Cole oder, ja nun, Sarah Brandner jahrelang abgemüht, um dem immer noch etwas tristen Ruf als tumbes Kicker-Dekor ein wenig Glanz und Eigenständigkeit abzuringen. Sie werden kaum ihre hart erarbeiteten Standards aufweichen und das Feld einem Heer von unbedarften Online-Ludern überlassen. Schließlich ist es ihnen zu verdanken, dass der Beruf Spielerfrau - zumindest in einer kleinen Oberliga - heute zu den wohl härtesten der Welt gehört.

Lang ist's her, dass sich die nicht zimperliche Geschäftsfrau Martina Effenberg von ihrem zu Claudia Strunz übergewechselten Ex-Mann im Bild-Interview hinterherwerfen lassen musste, sie solle sich nicht beschweren: Er habe ihr schließlich ein Millionenvermögen beschert und eine "Greencard, die sie als Boutique-Besitzerin in Mönchengladbach mit Sicherheit nicht bekommen hätte".

Ohne ihn ist sie nichts? Dieser Ansatz kommt aus der Mode, die Topliga propagiert inzwischen die umgekehrte Variante und singt dabei das Loblied auf Victoria Beckham: "Sie hat Enormes geleistet. Sie hat David erschaffen. Als Stilikone, als Star abseits des Platzes", predigte Rafael van der Vaarts Ehefrau Sylvie auf op-online.

Ein Modelvertrag, mindestens

In die Champions League der echten Trophy Wives führt derzeit keine Online-Bewerbung. Zum Standard gehört mindestens ein nationaler Schönheitstitel oder ein Modelvertrag. Der Sportartikelhersteller Umbro etwa setzt vorzeigbare Spielerfrauen seit einiger Zeit gern für Kampagnen ein. Ein wenig Brillieren darf man längst auch mit Nebenjobs wie Moderatorin, Parfümdesignerin oder sogar Sportjournalistin. Und mit den üblichen Klischees wird mitunter schon selbstironisch gespielt. Sylvie van der Vaart: "Das mit dem gleichen Aussehen stimmt sogar. Bei der WM sind alle niederländischen Spielerfrauen mit einem Bus in den Zoo gefahren. Alle mit großen Sonnenbrillen, großen Handtaschen, Schmuck und High Heels."

Wer so souverän redet, wird sich womöglich auch beim Krisenmanagement an Victoria Beckham orientieren. Über Konkurrentinnen pflegt sie von jeher sachlich festzustellen: "Ich werde diese Nutte doch nicht meine Ehe ruinieren lassen." Und wie man es macht, wenn es denn gar nicht mehr geht, zeigte gerade Cheryl Cole, die frisch von Chelsea-Verteidiger Ashley Cole geschieden ist. Der Vorwurf: wiederholte Affären des Kickers. Man darf den Berichten glauben, dass sie keinen Penny von ihm nahm, als Sängerin ist sie längst berühmter als er.

Unerfahrene Aspirantinnen dürfen immerhin auf Profit und ein wenig Bekanntheit hoffen, solange es Spieler gibt wie Wayne Rooney. Die Sunday Times erinnerte kürzlich daran, wie der damals bereits fest liierte ManU-Stürmer vor acht Jahren einer Prostituierten nach dem Akt ein Autogramm gab und darauf den längst legendären Satz vermerkte: "Für Charlotte. Ich habe dich am 28. Dezember genagelt. Alles Liebe. Wayne Rooney."

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