Dating-Serie (3): Der erste Kontakt:Dich kenn ich doch!

Wer suchet, der findet. Fragt sich nur, wen. Unsere Autorin hat auf ihre Kontaktanzeigen jede Menge Antworten bekommen. Nun ist es Zeit für die erste Begegnung.

Lilli Köhler

Das Glück scheint nur einen Klick entfernt: Immer mehr Singles registrieren sich bei Online-Partnerbörsen, zahlen zum Teil hohe Beträge. Die Betreiber der Seiten locken mit unkomplizierter Partnersuche und hohen Vermittlungsquoten. Doch wie erfolgversprechend ist die Suche tatsächlich?

Verkehrte Welt

Von wegen, Gegensätze ziehen sich an: Meist klappt es besser, wenn man Gemeinsamkeiten hat. Zumindest hat man etwas, worüber man beim ersten Date reden kann.

(Foto: careaux mit o. / photocase.com)

Ein Selbstversuch soll es zeigen: Vor vier Wochen habe ich zeitgleich bei einer Online-Datingbörse ein Profil angelegt und, um einen Vergleich zu haben, in einer Zeitung eine klassische Kontaktanzeige aufgegeben. Seitdem warte ich was passiert und beantworte neugierige Fragen von Kollegen und Bekannten.

Die Bilanz nach knapp vier Wochen: Fünf Zuschriften auf die gedruckte Kontaktanzeige, 44 bei der Online-Börse. Wenn ich mich dort öfter eingeloggt hätte, wären vermutlich noch mehr gekommen - schließlich landet man, wenn man eingeloggt ist, in den Sucherergebnissen weiter vorne. Allerdings ist ein hoher Prozentsatz davon - wie bereits in meinem ersten Selbstversuch beschrieben - scheinbar wahllos verschleuderter Copy-Paste-Spam: "hi, dein foto gefällt mir, würd mich über antwort freuen, andi."

Aber auch bei vielen, die sich offensichtlich die Mühe gemacht haben, mein Profil durchzulesen und etwas mehr zu schreiben, kommt nicht unbedingt Flirtstimmung auf. Zu unterschiedlich die Interessen und doch wohl auch die Lebenswelten: Ich bin ratlos, was ich jemandem antworten soll, der statt eines eigenen Profilbildes nur über- oder unterbelichtete Schnappschüsse von Katzen hochgeladen hat.

Ähnlich unergiebig ist die Resonanz auf die Kontaktanzeige in einer Zeitung. Zwei der fünf Briefe lesen sich wie Bewerbungsschreiben vermeintlicher Hochstapler - zwar nicht mit dem galanten Schliff eines Felix Krull, aber sehr darum bemüht ("Vielgereist, trittsicher auf Segelboot und kulturellem Parkett, für mich zählt nur innere Schönheit, Zuschriften bitte an Postfach!").

Auch die gereimten Verse eines 50-Jährigen erreichen mich, der sich "noch in Haft" befindet. Ich überlege, ob das Teil seines Gedichts und metaphorisch gemeint ist und bedeuten soll, dass er noch verheiratet ist. Dann gebe ich seine Adresse bei Google ein und lande auf der Seite eines Hochsicherheitstrakts, in dem nur Verurteilte mit langjährigen Haftstrafen oder akuter Ausbruchsgefahr einsitzen. Der mag vielleicht ein netter Mensch sein, aber definitiv zu alt.

Nur nicht persönlich nehmen!

Allgemein ist es mit der Online-Partnersuche wie im realen Leben: Rückschläge und unangenehme Überraschungen sind mit der Stoik eines Panzernashorns zu ertragen und nicht persönlich zu nehmen.

Die Zuschrift von einem gewissen B. ist nicht ganz so entmutigend. Immerhin haben wir ähnliche Interessen. Doch das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, wie mir ein Blick auf sein Profilfoto zeigt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir zusammen auf die Schule gegangen sind. Offenbar sind wir beide aus dem gleichen ländlichen Kaff in ein Millionenkaff gezogen, und auch heute liegen nur ein paar hundert Meter Luftlinie zwischen uns - und diese paar Jahre, die unter Schülern einer Generation entsprechen: Als B. sein Abitur machte, war ich noch in der Unterstufe und trug getupfte Ganzkörperkombinationen mit Schleifen.

Weil es in der Natur der Sache liegt, dass die Kleineren zwar die Größeren wahrnehmen, umgekehrt jedoch nie, hat B. offensichtlich keine Ahnung, dass er mich eigentlich kennen müsste. Mittlerweile pflege ich einen weniger barocken Kleidungsstil und bin erleichert über B.s mangelndes Erinnerungsvermögen.

Wer sich bei einer Dating-Börse registriert, wird zunächst vielleicht vom großen Angebot an potentiellen Partnern überrascht sein. Menschen mit unterschiedlichem Berufs- und Lebenshintergrund kommen hier zusammen, die sich sonst höchstwahrscheinlich nie treffen würden. Doch findet sich darunter jemand, den man so interessant findet, dass man länger als nur für die Dauer eines Latte macchiatos an seiner Seite ausharren möchte?

Nach ein paar Korrespondenzen wird mir klar: Viele dieser Leute würde ich in der Realität nie kennenlernen - zu Recht. Selbst bei Usern, die ähnliche Hobbys wie ich angegeben haben, stößt man nicht automatisch auf Gleichgesinnte. So versteht etwa unter Reisen oder Tanzen jeder etwas anderes. Unter anderem habe ich nicht vor, wie ein User die Guttenberg-Schablone einzupacken, um mich möglichst oft stilvoll ablichten zu lassen, wahlweise am Times Square, vor der Oper von Sydney oder beim Wüsten-Trek mit Ray-Ban. Auch gehe ich zwar gerne Tanzen, aber eben doch lieber Flamenco als Discofox. Und die Korrespondenz mit dem Junior-Consultant, der zwar wie ich angeblich gern ins Theater geht, "allerdings nur in Aufführungen, bei denen man die Handlung versteht", gerät ebenfalls schnell ins Stocken.

Letzten Endes ist der Einzige, bei dem ich wirklich Lust auf ein Treffen habe tatsächlich B. ...

Ein Treffen mit B.

Letzten Endes ist der Einzige, bei dem ich wirklich Lust auf ein Treffen habe tatsächlich B.: Wir haben etwas Ähnliches studiert, könnten uns theoretisch auch in der Kneipe um die Ecke über den Weg laufen und hatten - wie sich später herausstellen sollte - auch noch den gleichen Lateinlehrer. Womöglich ist das die Probe aufs Exempel für eine Studie von Mannheimer Sozialwissenschafltern, die 2008 herausgefunden haben, dass sich Gegensätze dauerhaft nicht anziehen, sondern Paare umso länger zusammenbleiben, je mehr sie gemeinsam haben. Vielleicht ist es aber auch nur der Beweis für die eigene, verdoppelte Spießigkeit.

Ich verabrede mich mit B. zu unverfänglicher Mittagszeit in einem Café. Wir kommen beide etwas zu spät, bereits auf der Straße falle ich ihm um den Hals wie einem alten Bekannten. Er hat mich offensichtlich immer noch nicht erkannt, macht aber trotzdem mit. Zumindest äußerlich hat er sich nicht verändert: schwarze Haare, dunkle Augen, Dauerlächeln. Für mich als Siebtklässlerin genügte das bereits, um meine romantische Traummaschinerie anspringen zu lassen. Mittlerweile lassen mich solche Dinge kalt - und ich weiß nicht, ob ich das bedauern oder begrüßen soll.

Jedenfalls verstoße ich bei vollem Bewusstsein gegen die erste Regel aus einem der Dating-Ratgeber, nichts zu Essen zu bestellen - ich habe einfach Hunger. Wir müssen uns nun unterhalten, bis mein Frühstück weg ist, vorzeitige Flucht unmöglich. So schlimm wird es jedoch nicht. Die ersten Gesprächsversuche ähneln dem klassischen Small Talk: Wetter, Musik, Reisen. Wir finden heraus, dass wir beide in Portugal waren und dort fast die gleiche Reiseroute hatten. B. gesteht außerdem, er hätte mich wegen eines Fotos angeschrieben, das mich auf einem Gipfel zeigt. Und dass er auch gern bergsteigen würde.

Partnersuche ist wie Wohnungssuche

Während wir uns unterhalten, kommt mir unfreiwillig die vollkommen unromantische Assoziation, wie sehr doch die Situation "Partnersuche in München" der Situation "Wohnraumsuche in München" ähneln kann. Man registriert sich im Internet auf einer einschlägigen Seite, füllt Suchmasken aus, sortiert Angebote. Etwas nervös geht man zum ersten Besichtigungstermin. Man präsentiert sich von der besten Seite, stellt Standardfragen an potentielle Mitbewohner. Leider können sich sowohl die Wohnungs- als auch die Partnersuche länger hinziehen.

Um von solchen Gedankenspielen wegzukommen, wage ich einen Vorstoß. Bei meiner Frage, ob B. nicht auch das Gefühl hätte, dass wir uns seit Jahren kennen, beginnt er nervös auf dem Stuhl zu rutschen. Sieht aus, als würde er sich gerade fragen, ob er an eine verzweifelte Zwangsromantikerin geraten sei, die ganz dringend eine neue bessere Hälfte braucht.

Als ich ihn über unsere kurze, gemeinsame Schulzeit aufkläre, entspannt er sich sichtlich. Sein Lächeln ist auch wieder da, jetzt noch eine Spur breiter. Dieses sympathische Ausmaß an Nettigkeit lässt mich irgendwann doch nicht ganz kalt. Mein Wohnungsbesichtigungs-Lächeln wird stellenweise durchbrochen von echtem Lilli-Lächeln. Eigentlich ist unser Treffen jetzt gar kein Großstadt-Single-Blind-Date mehr. Eher eine Begegnung zwei erwachsener Menschen, die sich, sentimental in ihrem Milchschaum rührend, über die rustikalen Details ihrer niederbayerischen Jugend auf dem Lande austauschen.

Und was ist mit der Liebe?

Das Frühstück ist irgendwann verzehrt, und wir plaudern immer noch. Zwar nicht über Kindernamen, unsere Klopstock-Lieblings-Ode und Karrierepläne, sondern über Lateinlehrer und Dorffeste. Aber nett war es allemal.

Und die Liebe, ist jetzt was mit der? Mit derartigen Erwartungen sind wir beide die Sache nicht angegangen, und das ist vermutlich besser so. Auch B. hat sich nicht bei der Single-Börse registriert, weil er ernsthaft bis verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Partnerin wäre. Sondern eher neugierig, wen man dort antreffen kann. So scheint er, als ich ihn über die nicht rein privaten Gründe für meine Registrierung bei der Single-Börse aufkläre, auch nicht allzu entrüstet darüber zu sein, möglicher Protagonist einer Reportage über Single-Dating in der Großstadt zu werden.

Trotz dieser Aussichten schlägt er ein weiteres Treffen vor. Da ich immer noch einige Details meiner Landjugend aufzuarbeiten habe, finde ich das nicht die schlechteste Idee. Zum Abschied verabreden wir uns lose - demnächst vielleicht mal in der Kneipe bei uns um die Ecke.

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