Crowdfunding-Kampagne Five!:Fünf gegen den Lagerkoller

Five!

Fünf Spiele in einer Box: Five! soll Flüchtlingen gegen den Lagerkoller helfen.

(Foto: Steffen Spiele)

Seit 2003 leitet Steffen Mühlhäuser den Verlag Steffen Spiele. Er produziert einfache, gut verarbeitete, meist abstrakte Brettspiele. Mit dem Crowdfunding-Projekt "Five!" möchte er ein Spiel speziell für Flüchtlinge finanzieren. Einfach zu verstehen soll es sein und leicht zu transportieren. Wenn die Kampagne erfolgreich ist, sollen 5000 Exemplare in Flüchtlingsunterkünften verteilt werden.​

Interview von Daniel Wüllner

SZ: Mehr als 4000 Kilometer sind syrische Flüchtlinge nach Deutschland geflohen - andere noch weiter. Da dürften Brettspiele ihre geringste Sorge sein. Was bringt ihnen da ein Spiel?

Steffen Mühlhäuser: Natürlich müssen Verpflegung und Unterkunft an erster Stelle stehen. Aber was passiert dann? In der Zeit, in der Flüchtlinge auf Behördenpost warten? Auf die Essensausgabe? Oder ihre Zulassung zum Asylverfahren? Da vergehen Tage, Wochen, manchmal Monate. Die Grundversorgung ist in den meisten Fällen gesichert. Aber der ganz normale Alltag ist vollkommen leer. Dieser Leerlauf erzeugt soziale Spannungen.

Wie könnte Ihr Projekt Five! Abhilfe leisten?

In dieser psychologisch schwierigen Situation ist jede Abwechslung willkommen. Spiele können helfen, dem Lagerkoller entgegenzuwirken. Dafür muss Five! speziellen Anforderungen gerecht werden, was Sprache, Größe und Vielseitigkeit angeht.

Was ist alles in der Schachtel?

Fünf Spiele. Vier davon lehnen sich an alte Spielideen, wie z.B. Gomoku an. Eines haben wir extra für Five! entwickelt. In der Schachtel befindet sich Material für eine Art "Fünf gewinnt", ein Turmbauspiel für zwei Spieler, ein Bluffspiel für vier Spieler, ein Merkspiel für Gruppen und eine Variante des bekannten Steckspiels Solitär.

Wie entstand die Idee für das Projekt?

Im August wurde nahe des Flughafens Hahn im Hunsrück ein Flüchtlingscamp eingerichtet. Dort leben mittlerweile tausend Menschen. Wir haben zunächst Spiele gespendet und Spielerunden organisiert. Diese Aktionen wurden von Kindern und Erwachsenen sehr gut angenommen. Aber ich wollte ein Spiel machen, das man den Flüchtlingen in die Hand geben kann - ohne dass sie lange auf solche Aktionen warten müssen.

Five!

Gemeinsam mit Flüchtlingen spielt Steffen Mühlhäuser im Camp am Flughafen Hahn.

(Foto: Steffen Spiele)

Konnten Flüchtlinge auch ihr Feedback abgeben?

Ich habe zunächst auf meine eigene Erfahrungen zurückgegriffen. Wir haben die Prototypen aber auch mit Flüchtlingen gespielt und immer positives Feedback bekommen.

Spiele wie "Backgammon" und "Mancala" sind im Mittelmeerraum sehr beliebt. Lässt sich durch Spielen eine Brücke zwischen Kulturen schlagen?

Absolut. Gerade die Mechansimen abstrakter Spiele sprechen eine universelle Sprache, denn sie basieren im Grunde immer auf Zahlen, Mustern und Proportionen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen verstehen direkt, was bei Spielen wie "Domino", "Mühle" oder "Mensch ärgere Dich nicht" zu tun ist. In allen Kulturen kennt man Wettläufe, den Reiz des Sammelns oder ist fasziniert vom Element des Zufalls. Diese Mechanismen werden in Brettspielen umgesetzt. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man die jeweiligen Regeln kennt.

Gibt es dabei Sprachprobleme?

Wir wollen die Regeln in Arabisch, Dari und Urdu übersetzen und dann kleine Anleitungen drucken. Dann kann jeder die Regeln für seine eigene Sprache mitnehmen. Die Sprachbarriere ist ein großes Hindernis, aber nicht das einzige. Als ich mit dem Projekt begonnen habe, fragte ich mich relativ früh: Wie steht eigentlich der Islam zu Spielen?

Und was sagt der Islam?

Ich habe mich schlau gemacht. Wenn man den Islam streng auslegt, sind fast alle Spiele verboten. Schach, Backgammon, Domino - alles haram, also Tabu. Natürlich habe ich mir in dem Moment überlegt, ob ich mit meinem Projekt vielleicht Misstrauen bei strenggläubigen Moslems säe, wenn ich Flüchtlinge mit dem "Gebetsbuch des Teufels" ausstatte? Eine Bezeichnung unter der im 14. Jahrhundert die Kirche alle Kartenspiele in Europa verdammte.

Haben sich die Sorgen nach den Treffen mit den Flüchtlingen gelegt?

Auf jeden Fall. Wir haben nur positive Resonanz bekommen. Ich denke, dass die Menschen, die nach Deutschland flüchten, nicht mißtrauisch werden, wenn wir ihnen Spiele schenken. Sie bringen ja auch Neugier mit auf die Gesellschaft, in der sie gerade angekommen sind, und freuen sich über die Ablenkung.

Man könnte aber auch einfach "Vier gewinnt" spenden. Was kann Five!, was andere Brettspiele nicht können?

Five! benötigt kein Spielbrett. Es kann auf jeder Tischplatte gespielt werden. Wir wollten das Spiel möglichst klein und transportabel machen. Diese Spielesammlung im Miniformat wird in jedes Gepäck passen und nicht viel Platz in der Unterkunft wegnehmen. Der zweite Grund ist die Vielseitigkeit: Mit dem gleichen Material lässt sich alleine, zu zweit und in Runden bis vier Personen spielen und zwar Spiele mit ganz unterschiedlichem Charakter. Das war für mich der ausschlaggebende Grund, eine solche Spielesammlung zu entwickeln.

Five! lässt sich finanziell und durch andere Formen der Mithilfe auf der Crowdfunding-Plattform für soziale Projekt betterplace.org unterstützen.

Five!

Five! soll in jeden Rucksack passen und Flüchtlingen die unterträgliche Wartezeit verkürzen.

(Foto: Steffen Spiele)
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