Contra Heirat:Liebt Euch einfach!

Im weißen Kleid in einer Kirche, die man sonst nie von innen sieht, dem Liebsten ewige Treue schwören? Und anschließend bei schlechter Musik und nervtötenden Spielchen den Freiheitsentzug feiern? Nein, danke!

Beate Wild

In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass im Briefkasten weiße Briefumschläge landen, die ausnahmsweise keine Rechnungen sind, sondern Einladungen zu Hochzeiten. Zum schönsten Tag im Leben, wie man im Volksmund sagt. Mittlerweile war ich auch schon oft auf solchen Feiern. Und muss sagen: Allein diese waren schon ein Grund, nicht zu heiraten. Aber es gibt auch genug andere Gründe, die gegen einen Trauschein sprechen.

heiraten? nein!

Diese beiden finden: Wahre Liebe braucht keinen Trauschein.

(Foto: Foto: iStock-Photos)

Die Gesellschaft

In unserer Gesellschaft ist die Institution Ehe überholt. Früher hat man geheiratet, damit die Frau versorgt war. Sie war finanziell gesehen von ihrem Gatten abhängig, da sie keinen Beruf ausübte und sich um die drei berühmten "K" - Kinder, Küche, Kirche - kümmerte. Doch für eine berufstätige Frau zählt dieser Versorgungsgedanke nicht mehr: Sie hat ihren Job und verdient ihr eigenes Geld. Wofür gibt es sonst Kinderkrippen? Oder soll man etwa heiraten, nur weil es die Gesellschaft von einem erwartet?

Die Romantik

Man heiratet doch aus Liebe, sagen die hartnäckigen Befürworter. Das hört sich zunächst einmal romantisch an. Aber wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis so umschaue, dann haben dort meist Sachzwänge oder praktische Argumente zur Verehelichung geführt. Schließlich habe man Erleichterungen bei Behördengängen und bei der Steuererklärung, wenn man verheiratet ist. Und auch das mit dem Sorgerecht, wenn Kinder da sind, sei doch wesentlich einfacher, lauten die Standard-Erklärungen. Sehr romantisch!

Die Identität

Außerdem ist nicht zu erkennen, welchen Vorteil es haben soll, wenn Frau und Mann den gleichen Nachnamen tragen - auch ein oft gehörtes Argument der "Ja-Sager". Man käme ja auch nie auf die Idee, seinen Vornamen zu ändern, nur weil man verliebt ist. Ein Name hat schließlich etwas mit der eigenen Identität zu tun. Und, was passiert mit dem angenommenen Familiennamen nach einer Scheidung? Wechselt man wieder zurück zum alten, weil man den des jetzt verhassten Ex-Partners unbedingt loswerden will?

Die Kosten

Es heißt auch immer, man zahle beim "Ehegatten-Splitting" weniger Steuern. Besser, man spart sich die Kosten für eine Hochzeit. Schon für eine durchschnittliche Feier muss man zwischen 10.000 und 20.000 Euro hinblättern. Je nachdem wieviel das Brautkleid, das Menü, die Kutsche oder die Band kostet. Ganz zu schweigen von der Hochzeitsreise!

Übrigens: Eine Scheidung, wenn es doch nicht klappt, ist heutzutage auch nicht ganz billig. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt immerhin bei 50 Prozent - jede zweite Ehe wird in Deutschland geschieden.

Die Zeremonie

Was mir besonders suspekt erscheint, ist die Zermonie an sich. Viele Paare bestehen auf eine kirchliche Trauung, obwohl sie sonst nie eine Kirche von innen sehen. Manche sind gar schon ausgetreten und werden extra für die kirchliche Heirat wieder Mitglied der Kirche. Sehr fragwürdig, wenn Sie mich fragen.

Aber angenommen, den Brautleuten ist es Ernst mit dem Ja-Wort vor Gott: Wie steht es mit der Unberührtheit? Die Braut trägt in der Regel ein sündteures weißes Kleid, das eigentlich ihre Jungfräulichkeit symbolisieren soll. Doch wer bitteschön geht heutzutage noch als Jungfrau in die Ehe? Auch das Treueversprechen "bis dass der Tod uns scheidet" mutet äußerst komisch an, wenn man die Sache realistisch betrachet. Wer kann schon davon ausgehen, den anderen ein Leben lang zu lieben - bei dieser Scheidungsrate (siehe oben)! Und dennoch schwört man es vor Gott. Das ist mir zu hoch.

Die Geschmacksfrage

Hat man den kirchlichen Teil überstanden, wartet noch die Party des Lebens auf einen. Und da lauert oft das nackte Grauen - zumindest für den Hochzeitsgast. Wenn man Pech hat, sitzt man am Tisch mit Tante Gertraud und Großonkel Willi, die man noch nie in seinem Leben gesehen hat.

Ein weiterer Nervtöter: Für die Live-Unterhaltung sorgt eine grauenhafte Schlager-Combo, die der stolze Schwiegervater spendiert hat. Zielhörerschaft der Band ist das Publikum jenseits der 60. Und auf solche Musik soll man auch noch tanzen? Als Höhepunkt des Abends gefeiert, aber oftmals schon in die Hose gegangen, sind auch die klassischen Hochzeitsspielchen: Ein Quiz mit dem Brautpaar, lustige Bilder aus der Vergangenheit der beiden oder launige Reden alter Freunde.

Auch die Brautentführung, bei der man mit einer illustren Runde in der einzigen Kneipe der Dorfes einen Schnaps nach dem anderen hinunterkippen muss, bis man endlich vom Bräutigam gefunden wird, ist nicht immer ein Vergnügen. Ganz zu schweigen von dem Kitsch, den das Brautpaar an so einem Tag auffahren zu müssen glaubt: eine Fahrt mit einer Hochzeitskutsche von der Kirche zur Wirtschaft etwa. Oder das Verkleiden von Kindern als Brautjungfern, mit rosa Tüllkleidchen und Blumenkränzen im Haar - so etwas hat nur in einer Dokusoap wie "Sarah und Marc in love" etwas zu suchen.

Der freie Wille

Man kann einen Menschen lieben und mit ihm glücklich sein, ohne sich seine Beziehung mit ihm vertraglich bestätigen zu lassen. In manchen Fällen ist die Ehe für eine gesunde Paarbeziehung sogar eher schädlich als hilfreich. Wer sich des anderen zu sicher ist, hat schließlich keine Motivation mehr, sich anzustrengen.

Dem Irrglauben, mit einem Trauschein halte eine Liebe automatisch ein Leben lang, können nur Träumer oder Schwachköpfe verfallen. Wer glaubt, damit jemandem an sich zu binden, handelt aus Verlustangst - anders gesagt: Egoismus. Liebe entsteht aber nur aus freien Stücken. Eine Stabilität garantiert die Ehe nicht, außer, man hat von Anfang an nur eine Zweckehe im Visier.

Liebe kann auch ohne Ehe ein Leben lang halten. Ist sie jedoch vorbei, ändert auch der Trauschein nichts daran. Da kann man bei der Hochzeit noch so viele Tauben fliegen lassen.

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