Casting für Gruselkabinett:Berlin sucht den Supererschrecker

Erschrecker-Casting im Berliner Gruselkabinett

Der "bunkerälteste Erschrecker" (links) und "Horror-Expertin" Jey: Jury des Erschrecker-Castings im Berliner Gruselkabinett.

(Foto: dpa)

Wer kann am besten schreien, grunzen, röcheln und sich anschleichen? Beim "Erschrecker-Casting" für das Gruselkabinett in Berlin sind ungewöhnliche Fähigkeiten gefragt.

Im Raum "Scheintod" hat sich zwischen Särgen und einer ziemlich echt wirkenden Greisin im Schneewittchenschlaf die "Horror-Jury" postiert, um die Anwärter einer strengen Prüfung zu unterziehen. Gesucht wird dringend: Ein Schocker. Das "Berliner Gruselkabinett" hat zum "Erschrecker-Casting" geladen.

Wie man so ein Casting macht, haben Dieter Bohlen und Co. lange und intensiv im TV vorgeführt: ein Mann, der die ganze Zeit Witze reißt (Gruselkabinett-Geschäftsführer Enno Lenze, ganz in Schwarz), eine hübsche junge Dame im exzentrischen Kostüm (in diesem Fall die "Horror-Expertin" und Künstlerin "Jey" mit Marilyn-Manson-Augen) und ein Show-Act (hier das Skelett mit dem Künstlernamen "The Grim Reaper", der bunkerälteste Erschrecker und zukünftiger Vorgesetzte des Neu-Erschreckers, in Dienstkleidung). Die drei haben an einem Tisch Platz genommen und wollen Leistung sehen.

Wer volljährig, einigermaßen sportlich und interessiert sei, dürfe zeigen, wie gut er schreien, grunzen, röcheln und sich anschleichen könne, hatte Geschäftsführer Lenze vorab wissen lassen. Spontaneität und Vielseitigkeit seien vonnöten, zudem festes Schuhwerk und Schauspieltalent. Geboten werde ein Vollzeit-Job in Festanstellung.

Die Anforderungen sind nicht zu unterschätzen. Die meisten Menschen den Beruf des Erschreckers viel zu einfach vorstellen, sagt der 34-jährige Geschäftsführer, der zu Beginn des Jahres den Laden übernommen hat. Er selbst hätte das mal nur eine Stunde lang ausprobiert und sich danach für den Rest des Tages ins Bett legen müssen. Man müsse den ganzen Tag rennen, und das Erschrecken an sich sei eben auch nicht ganz ohne. Man müsse einordnen können, welchen Besucher man härter angehen kann und wer schon beim ersten "Buh" bedient sei. Anfassen ist nicht erlaubt.

Doch wer will "Erschrecker" auf seiner Visitenkarte stehen haben und Menschen Angst einjagen? Das wollen an diesem Dienstag mehr Journalisten als Berufsanwärter wissen. Statt der erwarteten 25 Bewerber erscheinen nur vier zum Casting. Ansonsten stimmt alles: Der Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg ist echt, das Gruselkabinett darin auch, diverse Schulklassen laufen durch die dunklen Räume, in denen unter anderem Folterwerkzeuge sowie uraltes medizinisches (und sehr gruseliges) Gerät gezeigt werden. Regelmäßig werden Nebelschwaden mit lautem Knallen auf die Besucher losgelassen.

Ein schrecklicher Schrei erfüllt den Bunker

Der erste Bewerber ist ein bisschen pummelig und hat kein eigenes Kostüm mitgebracht, aber schreien kann er ganz hervorragend. Christian, 41, aus Berlin, düster gekleidet, ist im normalen Leben Reinigungskraft, spielt in seiner Freizeit gerne Rollenspiele - und seine Freundin hat ihn erst vor zwei Stunden angerufen, ob das nichts für ihn wäre, so ein Erschrecker-Job. Sie hatte den Casting-Aufruf im Radio gehört. Die Jury lässt ihn noch mal schreien, dann will sie wissen, wie schön er sterben kann - aber so ganz überzeugt hat er noch nicht.

Erschrecker-Casting im Berliner Gruselkabinett

Marlon und Erik, 22-jährige Studenten aus Steglitz, sind zwar nur mäßig verkleidet, begeistern aber die Jury.

(Foto: dpa)

Traumjob bei Kassierer-Gehalt

Der nächste Kandidat, ebenfalls ein Christian, schreckt die Reporter aus dem Interview mit seinem Konkurrenten hoch, indem er sich von hinten anschleicht. Sein Kostüm beweist der Jury, dass sich der 35-jährige Verkäufer Gedanken gemacht hat: keine Allerwelts-Scream-Verkleidung, sondern ein schwarzes Gewand mit Gruselmaske und passenden Handschuhen. Doch außer Schreien und Sterben, was er so gut eingeübt hat, dass es seinen gleichnamigen Konkurrenten gruselt, kommt dann nicht mehr viel. Die Jury ist enttäuscht. Spontaneität kann man eben nur schwer lernen.

Dann kommen zwei Bewerber, die die Jury begeistern: Marlon und Erik, 22-jährige Studenten aus Steglitz, sind zwar nur mäßig verkleidet - einer mit Affenmaske, der andere ein bisschen blutverschmiert (Enno Lenze: "Ich dachte erst, das sei der übliche Berlin-Kreuzberg-Look"). Aber sie machen das wett mit einer Geschichte, wie treffsicher sie einst 15 Kinder erschreckt hätten, auf die sie aufpassen mussten. Und mit ihrer Spiellust: Der eine stößt den anderen zu Boden, sticht auf ihn mit einem Gummimesser ein, Geschrei und Gezeter. Die Favoriten sind gefunden.

Das Erschrecker-Casting endet angesichts der wenigen Interessenten dann trotzdem früher als geplant. Bewerben können sich Interessenten immer noch - an Halloween wird probegearbeitet. Wer da restlos mit seinen Gruselkünsten überzeugt, wird übernommen. Zum Tarif einer Kassiererin, erklärt Lenze, also für etwa 1600 Euro im Monat. Dafür müsse man aber nicht nur erschrecken, sondern auch mal an der Kasse stehen.

Und wer hat gar keine Chance auf den Job? "Komische Leute" sagt Lenze, und berichtigt sich schnell, schließlich seien hier alle ein bisschen komisch. Einmal am Tag komme ein "böse Hexe" und scheuche alle Angestellten, die den ganzen Tag im Dunkeln verbringen, aus dem Bunker in die Mittagssonne. Wer hier arbeitet, muss die dunkle Seite des Lebens mögen. Für Lenze ist es trotzdem ein Traumjob: "Man darf den ganzen Tag rumschreien."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: