C&A eröffnet Textildiscount-Kette:Billig, aber mit Niveau

Komplett neu eingekleidet für 20 Euro? Kein Problem. C&A steigt ein ins Geschäft der Textildiscounter - will diesen Begriff dabei aber nicht erwähnt haben.

Katharina Höller

Menschen in oranger Uniform verteilen Flyer in der Fußgängerzone. Easy Jet? Die Revolution in der Ukraine? Nein, diesmal nicht. In Augsburg steht das beißende Orange für Avanti - eine neue Ladenkette von C&A. Dort, im Inneren des Ladens, drängeln sich Teenager mit glitzernden Ohrringen und zu engen Hosen. Aber auch Mütter mit Kinderwägen und - nicht zu vergessen - die Omas, die staunend bunte Unterhemdchen für drei Euro beäugen. Ein Paradies für Pfennigfuchser.

Avanti Augsburg

Szenario in der ersten Avanti-Filiale in Augsburg.

(Foto: Foto: Katharina Höller)

C&A hat seine Hausaufgaben gemacht. "Avanti ist die neue Modeadresse für die ganze Familie", heißt es auf den Zettelchen, die schon auf dem Weg in die Innenstadt verteilt werden. Avanti ist auch eine findige Idee der Marketingstrategen des großen deutschen Bekleidungskonzerns. Eine Textildiscount-Kette, die nicht danach aussehen soll. Laut Andreas Seitz, Vorstandsmitglied von C&A Europe, richtet Avanti sich an "modeinteressierte und gleichzeitig sehr preisbewusste Kunden." Also billig mit Niveau?

Helle Farbtöne prägen den Raum, alles ist gleißend hell ausgeleuchtet. Stilisierte Bäumchen wurden zum Schmuck an die Wände gepinselt, an denen betont lässig und wie zufällig Klamotten aus der Kollektion hängen. Sieht hübsch und freundlich aus auf den ersten Blick. In den Umkleidekabinen ist genügend Platz zum Umdrehen, und die Vorhänge sind weder zu dünn noch zu knapp bemessen. Wohlfühlklima für Shopping-Wütige, sozusagen. "Kann ich Ihnen etwas abnehmen?", fragt die nette Verkäuferin auf dem Weg nach draußen. Das ist fast schon zu viel des Guten. Bei H&M passiert das nicht.

Aggressiv auf allen Ebenen

Für 45 Euro bekommt man bei Avanti ein vollständiges Outfit mit Jeans, Top, Bluse und Accessoires - und kaum zu glauben: Handtäschchen und Schal sind inklusive! Das sieht dann zwar unspektakulär, aber dennoch nicht schlecht aus. Das Ziel, besser zu sein als die direkten Konkurrenten Kik oder Takko, ist damit erreicht. Der neue Billiganbieter könnte - sowohl durch die Lage als auch durch die hippe Aufmachung - eine scharfe Konkurrenz für die bisherigen Marktführer darstellen.

Durch seinen Standort hat Avanti die Möglichkeit, nicht nur Billiglumpen an finanziell schlechter Gestellte zu verkaufen. Mitten in der Fußgängerzone werden sich auch wohlhabende Kunden in die erste Filiale verirren und sich über das ein oder andere Schnäppchen freuen. "Wir verbinden das Preisbewusstsein des Discount-Einzelhandels mit der Attraktivität der Innenstadt und schaffen so ein neues Einkaufserlebnis", schwärmt Vorstandsmitglied Seitz über das Konzept.

Anziehungskraft auf die Passanten hat das neu eröffnete Kaufhaus offensichtlich, wenn das Gedränge am Eingang und zwischen den Kleiderständern als Maßstab gelten soll. "Die meisten sind wohl zum Gucken hier", mutmaßt eine ältere Dame in der Warteschlange an den Umkleidekabinen. Das Gegenteil beweist jedoch die Menschentraube an der Kasse. "Ich hab mir ein Oberteil ausgesucht", erzählt ein junges Mädchen. Die Eröffnungsangebote - T-Shirt und Hose für neun Euro - kommen ebenfalls an. Nicht nur Hausfrauen und Muttis kaufen kräftig. Auch Papa und Opa verirren sich in die bunte Plastikwelt. Außerdem jede Menge Teenager, die ihre große Pause zum Dumping-Preis-Shoppen nutzen.

Billig, aber mit Niveau

Zukunftpläne contra Realität?

Avanti Augsburg

Outfit für 22 Euro. Gibt's nur bei Avanti.

(Foto: Foto: Katharina Höller)

Tatsächlich ist es so: Kunden der Textilindustrie kaufen heute weder nur teure Markenware noch ausschließlich günstige Angebote. Die junge Berufstätige mit der Handtasche von Gucci trägt drunter womöglich Wäsche von H&M. Da liegt die Vermutung nahe, dass sie diese auch bei einem Billigdiscounter kaufen würde, wenn er nicht ganz so ramschig wirken würden. Genau hier sieht der große deutsche Bekleidungskonzern seine Marktlücke und will mit Avanti auf den Zug aufspringen.

Das Problem ist nur: Avanti sieht zwar einladend aus, doch wirklich modisch ist die neue Kette nicht. Kopiert wird, was ein bis zwei Jahre zuvor das Sortiment von Herstellern wie H&M oder Bestseller (Vero Moda/Only) bestimmte. Der Look erinnert an Safari-Fotostrecken in der Brigitte, die dort jedoch schon im Jahr 2001 vorzufinden waren: khaki-farbene Blazer und Tuniken in Erdtönen. Zur farblichen Auffrischung dazwischen hängen wild gemusterte Putzfrauenkittel im Stil von Pimkie oder Orsay, welche der wirklich modebewussten Kundin im Auge beißen dürften.

Unvermeidbar ist außerdem die Frage: Wie kann man für fünf Euro eine Hose herstellen? Und wie für drei Euro ein T-Shirt? C&A sagt: "Unsere Qualitätsanforderungen und unser sozialer Verhaltenskodex gelten selbstverständlich auch für Avanti." Allerdings befindet sich auf dem Waschzettel in der Kleidung keine Angabe über das jeweilige Herstellungsland.

Genaueres Nachfragen verschafft jedoch Aufschluss: "Die Produktionsregionen von C&A und damit auch Avanti sind China, Indien, die Türkei und Osteuropa. Ein Kleidungsstück besteht jedoch häufig aus verschiedenen Teilen. So kann es sein, dass der Reißverschluss einer Hose aus Indien stammt, sie jedoch in der Türkei genäht wird. Was schreibt man dann am besten auf den Waschzettel?" so Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes.

Dass in Niedrigstlohnländern produziert wird, ist für die Bekleidungsindustrie mittlerweile selbstverständlich. Sicher gibt es auch in China Textilfabriken, die sich an europäische Qualitätsanforderungen und an soziale Verhaltenskodices halten. Aber wie viele sind das? Und gehören die von C&A dazu? Die Möglichkeit, dem Konsumenten Bekleidung so billig anzubieten, schöpfe der Konzern aus den Ersparnissen durch die bereits vorhandene Infrastruktur. Unternehmenssprecher Rolfes erklärt das am Beispiel der Lieferungen: "Avanti braucht keinen gesonderten Lkw, der die Ware bringt, weil derselbe, der auch C&A bliefert, nun in Zukunft auch dort vorbeifährt."

Schlaues Konzept, das aufzugehen scheint. Die ersten Geschäftstage in Augsburg waren erfolgreich.Weitere Neueröffnungen folgen demnächst in Gelsenkirchen, danach in Leipzig-Paunsdorf, Essen und Darmstadt. Im ersten halben Jahr sollen insgesamt zehn Filialen deutschlandweit eröffnet werden.

Und warum gibt's bisher keine Ramsch-Schwemme in wirklich großen Großstädten? Die Vermutung liegt nahe, dass Avanti vielleicht zu wenig modisch wäre für die Kunden auf dem Kurfürstendamm oder in der Kaufingerstaße. Doch der Grund ist ein anderer: "Das Konzept von Avanti braucht eine Innenstadtlage. Die Läden in den Innenstädten von Berlin oder München sind leider zumeist vermietet oder nur für utopische Summen zu haben," sagt Thorsten Rolfes.

Deshalb greift die Offensive der billigen Fummel nun zunächst in den kleineren Städten an. Bald wird uns das fröhliche, zum Konsum verleitende Avanti-Orange wohl in mehreren deutschen Fußgängerzonen begegnen. Vielleicht sogar in Metropolen.

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