Bulgarien:Brautschau

Einmal im Jahr treffen sich Familien auf einem Markt, um ihre Töchter zu versteigern. Doch gegen den Willen der Frauen geschieht dort nichts.

Von Jan Stremmel

Der alles entscheidende Tag beginnt und endet auf einem Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs. In Stara Sagora, einer Stadt südlich des Balkangebirges in Bulgarien, staksen Dutzende junge Frauen auf Pumps und in bunten Ballkleidern über einen Jahrmarkt. Dort soll sich ihre Zukunft entscheiden. Vorausgesetzt, es findet sich ein Mann, der genug für sie bietet: zwischen 5 000 und 20 000 Euro, in bar zu zahlen an die Eltern der Braut.

Der Brautmarkt von Stara Sagora findet einmal im Jahr statt. Es ist eine Art Kirmes mit ein paar Tausend Besuchern, lauter Musik, Tanz und Imbissständen - und gleichzeitig der jährliche Treff der Kesselschmiede, eines orthodoxen Roma-Klans, dessen Mitglieder in den ländlichen Gegenden Bulgariens leben, oft bis heute vom Schmiedehandwerk. Die Tradition will es, dass die etwa 6 000 Kesselschmiede nur untereinander heiraten - weshalb sie einmal im Jahr aus dem ganzen Land anreisen, um in Stara Sagora einen Ehepartner für Sohn oder Tochter zu finden.

Die Hamburger Fotografin Pepa Hristova hat den Brautmarkt der Roma zwei Jahre hintereinander besucht und die jungen Frauen, die sich dort zeigen, porträtiert. Ihre Serie, von der wir hier drei Bilder abdrucken, zeigt 14- bis 25-jährige Frauen, die von ihren Eltern feierlich auf den Markt begleitet werden, um Angebote von interessierten Männern einzuholen.

"Ich dachte am Anfang natürlich sofort an Menschenhandel", sagt die Fotografin, "aber dieser Verdacht hat sich aufgelöst, je öfter ich dort war." Die jungen Frauen würden nicht gegen ihren Willen verkauft. "So rätselhaft es anfangs auf mich wirkte: Diese Mädchen sind sehr stolz auf die jahrhundertealte Tradition, dass Eltern den Ehepartner für ihre Kinder aussuchen."

Die jungen Frauen, mit denen Pepa Hristova während ihrer Besuche sprach, hätten oft widersprüchlich auf sie gewirkt: Manche waren naiv, andere wussten sehr genau, was sie wollen. Über Facebook hatten sie genaue Vorstellungen vom modernen Leben westlicher Frauen. "Sie träumen fast alle davon, aus ihren Dörfern rauszukommen", sagt Hristova. Und damit aus der traditionellen Frauenrolle in ihren Familien, die größtenteils Kindererziehung und Haushaltsarbeit vorsieht.

Pepa Hristova stammt selbst aus Bulgarien und beschäftigt sich in ihrer preisgekrönten Arbeit häufig mit archaischen Bräuchen in zivilisierten Gesellschaften, vor allem auf dem Balkan. Für diese Fotostrecke bat sie die jungen Frauen an den Rand des Marktes, wo die Stadt einen Bauzaun mit großformatigen Bildern von hübsch hergerichteten Vierteln bespannt hatte: Springbrunnen, blühende Bäume, manikürte Blumenbeete. So stehen die Bräute auf den Fotos in feierlicher Montur auf dem aufgeplatzten Asphalt, Nervosität im Gesicht, postsowjetische Traumlandschaften im Rücken. "Ich wollte die Mädchen nicht so negativ darstellen, wie man es zuerst empfindet", sagt Hristova. "Sie respektieren diese Tradition, obwohl sie wissen, wie altmodisch sie ist - und gleichzeitig spürt man ihre Vorahnung, dass die Zukunft vielleicht doch anders läuft, als sie sich erträumen."

Für welchen Preis eine junge Frau verkauft wird, ist Verhandlungssache der Eltern - je jünger und schöner eine Braut, desto teurer. Der Wunsch der Tochter ist nur für wenige Eltern ein Kriterium. Wichtiger ist die wirtschaftliche Situation des Mannes, dessen Eltern wiederum oft seit seiner Geburt Geld für den Brautkauf gespart haben. Im Grunde, sagt Hristova, gelte der Brauch dem Schutz der Mädchen: Durch den Verkauf an einen wohlhabenden Mann wollten die Eltern sicherstellen, dass die Tochter in gute Hände kommt. Und auch weniger solvente Männer werden auf dem Brautmarkt fündig: Geschiedene Frauen sind in der Regel sehr günstig.

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