Buch: SMS von gestern Nacht:Sender is the night

Seit anderthalb Jahren sammeln zwei Berliner skurrile und peinliche SMS. Die 800 schrägsten veröffentlichen sie nun in einem Buch. Ein Handyinterview über Dinge, die man besser nie gesimst hätte.

Anna-Lena Roth

Einige Handy-Kurznachrichten seien einfach "zu gut, witzig oder krass", um nur von Sender und Empfänger gelesen zu werden, dachten sich Axel Lilienblum und Anna Koch 2009. Fortan sammelten die beiden SMS, die besser nicht verschickt worden wären, und veröffentlichten sie auf ihrer Homepage smsvongesternnacht.de. Mal peinlich, mal traurig, immer unterhaltsam. Nachdem sich zu Beginn vor allem ihre Freunde an der Aktion beteiligten, müssen sich Lilienblum und Koch heute keine Sorgen über mangelnde Einsendungen machen: Pro Tag bekommen sie etwa 100 neue SMS von anonymen Sendern.

Die rund 800 besten Kurznachrichten erscheinen morgen beim Rowohlt-Verlag unter dem Titel "Du hast mich auf dem Balkon vergessen. Das Beste aus SMSvonGesternNacht.de".

Ein Handyinterview mit Axel Lilienblum, 31, und Anna Koch, 28, in dem weder Frage noch Antwort die SMS-typischen 160 Zeichen überschreiten.

[13:03] sueddeutsche.de: Wann haben Sie die letzte SMS geschrieben, die Sie bitter bereut haben?

[13:04] Axel Lilienblum: Bei mir kam das zuletzt vor einem Monat vor.

[13:05] sueddeutsche.de: Und worum ging es?

[13:05] Axel Lilienblum: Das kann ich leider nicht verraten :) Aber sie wurde in Zusammenhang mit Alkohol verschickt.

[13:08] sueddeutsche.de: Auch beim Lesen des Buches entsteht der Eindruck, es seien vor allem betrunkene SMS-Schreiber am Werk gewesen. Und Menschen mit schlimmem Liebeskummer...

[13:09] Anna Koch: Das ist auf jeden Fall richtig. Die Suff- und Liebeskummernachrichten machen bestimmt die Hälfte unserer SMS aus.

[13:10] sueddeutsche.de: Und worum geht es in der andere Hälfte?

[13:11] Anna Koch: Bei den übrigen ist es sehr verschieden - Sex, der Morgen danach, Freundschaft. Und SMS, die an den falschen Empfänger gingen.

[13:13] sueddeutsche.de: Was ist Ihre persönliche Lieblings-SMS im Buch?

[13:15] Anna Koch: Das ist schwer. Aber ich mag zum Beispiel diesen SMS-Wechsel: "01:20 Ich liebe Dich!!!" - "01:23 Liebe! Noch so ein Problem, das Marx nicht gelöst hat."

[13:16] Axel Lilienblum: Das ist mein Favorit, auch wenn er auf zwei SMS verteilt werden muss: "18:59 Stell dir Romeo und Julia vor. Mit zwei Männern. Jetzt stell dir vor, einer der beiden war zehn Jahre im Knast und schläft neben einer nackten Frau, ohne sie anfassen zu dürfen. Jetzt stell dir vor, der eine ist ein Wolf, der andere eine Ziege." - "19:04 Das übersteigt meine Vorstellungskraft."

[13:17] sueddeutsche.de: Was glauben Sie, warum Ihnen die Menschen ihre peinlichsten SMS schicken? Wer will die denn veröffentlicht sehen?

[13:19] Axel Lilienblum: Wir denken, dass die Leute das witzige Erlebnis mit anderen teilen möchten. Aber sicher spielt auch das Gefühl, veröffentlicht zu werden, eine Rolle.

Aktivierung des Kopfkinos

[13:19] sueddeutsche.de: Gibt es den typischen Absender?

[13:21] Axel Lilienblum: Aus den Inhalten kann man schließen, dass es sich um verschiedene Absender handelt: Schüler, Studenten, Azubis. Hauptsächlich sind es junge Leute von 18-25.

[13:21] sueddeutsche.de: Ist es nicht ein Bruch in sich, digitale Kurznachrichten auf Papier zu drucken?

[13:23] Axel Lilienblum: Als Buch lesen sich die SMS natürlich anders, aber das macht es ja gerade spannend. Und in Buchform kann man die SMS eben auch noch an anderen Orten lesen.

[13:25] sueddeutsche.de: Tatsächlich klingen viele der Kurznachrichten wie schon einmal gehörte Scherze. Wäre es dann nicht sinnvoller, gleich ein Witzebuch zu kaufen?

[13:27] Anna Koch: Wir versuchen darauf zu achten, nur authentische SMS zu veröffentlichen. Trotzdem ist auch manchmal ein guter Witz dabei, aber eher selten.

[13:29] sueddeutsche.de: Sie bekommen die SMS anonym zugeschickt, Namen ändern Sie vor der Veröffentlichung. Wie wollen Sie erkennen, dass der Inhalt authentisch ist?

[13:34] Anna Koch: Nachprüfen können wir das nicht. Wir versuchen uns vorzustellen, ob der SMS-Inhalt wirklich passiert sein könnte und gehen dabei von eigenen Erfahrungen aus.

[13:42] sueddeutsche.de: Und dennoch: Es kann niemand garantieren, dass die SMS, die in Ihrem Buch gedruckt sind, tatsächlich verschickt wurden.

[13:42] Anna Koch: Richtig.

[13:45] sueddeutsche.de: Was bringt so ein Buch dann überhaupt?

[13:46] Anna Koch: Es ist kurzweilig, aktiviert das Kopfkino ... und eignet sich hervorragend als Bett- oder Klolektüre.

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