Beziehung:Zwei Schlafzimmer, ein Alltag

Beziehung: Manchmal können getrennte Betten helfen, die Freundschaft in der Beziehung aufrecht zu erhalten.

Manchmal können getrennte Betten helfen, die Freundschaft in der Beziehung aufrecht zu erhalten.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Ein Paar hat sich für getrennte Betten entschieden - ohne sich zu trennen. Hier erzählen beide jeweils aus ihrer Sicht, warum die Entscheidung richtig war.

Hier erzählt sie ihre Geschichte und warum die Beziehung heute stabiler ist.

Es gab Momente, da dachte ich: Alles meine Schuld. Weil ich keine Lust mehr hatte auf Sex mit dem Mann an meiner Seite. Statt Abendroutine im Bett wollte ich lieber schnell schlafen. Ich kannte dieses Gefühl, mir war schon öfter die Leidenschaft abhandengekommen in Beziehungen. Wenn es sich irgendwann eher nach Bruder und Schwester anfühlt als nach Liebespaar. Anteilnehmend, nett, aber ohne Leidenschaft.

Der Unterschied zu den vorherigen Beziehungen ist: Wir haben zusammen zwei Kinder. Eine lange gemeinsame Geschichte, 17 Jahre. Ein geteiltes Zuhause, den gleichen Beruf, ein sehr ähnliches Interesse an der Welt und das ausgeprägte Bedürfnis, uns mit dem anderen über all das zu verständigen. Wir sind eine Familie, ein gutes Team, und konnten immer schon gut miteinander reden. Wir sind nur nicht mehr "sexuell". So würde das unser kleiner Sohn bezeichnen.

Mir ist Offenheit in jeder Beziehung wichtig, das schätze ich auch an anderen. Also habe ich dem Mann an meiner Seite eines Tages gesagt, dass es da jemanden gibt. Obwohl wir eigentlich ausgemacht hatten, den anderen mit Offenbarungen zu verschonen, die ihn unnötig verletzen könnten. Doch ich hielt es nicht aus, dem Menschen, mit dem ich seit so vielen Jahren über alles sprach, was mich bewegte, nicht zu sagen, dass ich mich verliebt hatte. Und dass ich aber trotzdem mit ihm, dem Vater meiner Kinder, weiter zusammenleben wollte. Ich wollte beides hinbekommen: meine neue Liebe leben, aber mich auch nicht trennen und unsere Familie zerreißen. Unsere Freunde sagten: Schöne Idee - aber nicht machbar! Doch, dachte ich, wir werden's euch zeigen.

Wir teilen nicht mehr das Bett, aber den Alltag

Es gibt keinen Begriff für das, was wir gerade probieren. Es ist keine wilde Ehe, weil wir nie verheiratet waren, es ist keine offene Beziehung, weil es nichts Sexuelles mehr gibt zwischen uns. Wir sind keine WG-Familie, weil das viel zu utilitaristisch klingt. Wir teilen nicht mehr das Bett, aber den Alltag. Ist es also eine offene Freundschaft?

Eines Abends sah unser großer Sohn eine SMS auf dem Handy seines Vaters mit leicht anzüglichem Inhalt. Das verstörte ihn, auch, weil die Nachricht nicht von der Mama kam. Also setzten wir uns zu unseren Söhnen, damals acht und zehn Jahre alt, aufs Sofa und sagten: Wir sind eine Familie. Wir machen das aber ein bisschen anders als andere. Wir erzählten ihnen von Moni und Matthias, Sina und Carlos, Andrea und Piet, und all den anderen Paaren, die sich getrennt hatten. Die Liste in unserem Umfeld ist lang. Dann erklärten wir ihnen, dass wir es anders machen. Dass wir zusammenbleiben. Und trotzdem auch andere Partner haben dürfen. Denn obwohl wir einander lieben, kann jeder auch andere Menschen lieben. Wir sagten ihnen auch, dass sie immer alles fragen könnten.

Sie haken bis heute wenig nach. Manchmal fragt der Kleine: Liebt ihr euch noch? Ich antworte mit einem Ja, der Wahrheit entsprechend, und sage ihm, dass sein Vater doch ein cooler Typ ist. Und der Große fragt: Wo ist der Papa? Dann sage ich ihm, dass er eine Verabredung hat. Wir sind beide viel unterwegs, da fällt es selten auf, wenn einer weg ist.

Heute fühle ich mich erlöst

Am Anfang meiner Beziehung mit dem neuen Mann war das anders. Ich habe mich zwar generell gut im Griff, aber da hatte mein Hirn, wie das der meisten Verliebten, öfter mal einen Aussetzer. Ich war oftmals abwesend, körperlich und geistig. Ich war aber auch abstoßend, gemein und kalt gegenüber dem Vater meiner Kinder. Er hatte sehr viel Größe und Geduld. Ich weiß nicht, ob ich je einen anderen Menschen so schätzen werde wie ihn. Auch dafür.

Heute fühle ich mich erlöst. Es gibt all diese unterschwelligen Ansprüche und Sticheleien nicht mehr, die entstehen, wenn der eine oder die andere in Sachen Liebe nicht das bekommt, was er oder sie gern hätte. Wir müssen auf dieser Ebene nicht mehr verhandeln und man kann den anderen damit nicht mehr erpressen. Seit wir in Offenheit leben, habe ich nie mehr gedacht oder gar gesagt: Wenn das so weiter geht, gehe ich! Das Erstaunliche ist: Ich empfinde unsere Beziehung jetzt als stabiler. Ich bin nachsichtiger, will an ihm nichts mehr verändern. Manchmal frage ich mich, ob Ehen so viel öfter funktionierten, da sie nicht so leicht zu lösen waren - früher und wie in anderen Ländern.

Ich will, dass mein Mann glücklich ist

Es macht auch einen Unterschied, dass wir nie geheiratet haben. Wir haben uns nie etwas geschworen, und uns immer wieder relativ frei entschieden: für den anderen, für die Familie, für dieses Arrangement. Manchmal denke ich, dass wir als Paar im Zivilisationsprozess einen Schritt weitergekommen sind. Denn während Männer in der Geschichte immer mehrere Frauen haben konnten, wurden Frauen, die ihre Leidenschaften lebten, dafür bestraft. Heute sind wir unabhängiger und freier, ökonomisch und sexuell. Natürlich braucht es auch "Außenpartner", die damit klarkommen. Denn ich will, dass mein Mann glücklich ist. Und glücklich gemacht wird.

Wichtig ist mir, dass wir unseren Kindern vorleben, wie zuverlässige und respektvolle Bindungen funktionieren können. Die meisten Menschen leben das Modell nach, das sie in ihrer Kindheit kennengelernt haben. Dazu kommt, dass sichere Bindungen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein zufriedenes Leben führen zu können. Es ist also unsere Verantwortung als Eltern, unseren Kindern das zu ermöglichen. Natürlich sehen sie kein verliebtes Paar in uns. Aber wer kann das schon behaupten - nach 17 Jahren?

Schuldig fühle ich mich nicht. Frauen verlieren nach 24 bis 36 Monaten die Lust auf ihren Partner, sagt die Wissenschaft. Viel früher als Männer. Schön ist das nicht. Aber noch lange kein Grund, auf und davon zu laufen. Von der ganzen Familie.

Auf der nächsten Seite erzählt er seine Geschichte. Und wie es sich anfühlte, als er ihrem neuen Glück im Weg stand.

Die Woche, die unsere Beziehung veränderte

Sie war eine Woche in Marokko, und letztlich veränderte genau diese Woche unsere Beziehung nachhaltig. Sie kam anders zurück, energetischer, aufgekratzter. In ihren Erzählungen fiel häufig der Name eines Mannes. Mir war klar, dass zwischen meiner Freundin und diesem Mann etwas gelaufen war. Aber ich fragte nicht nach. Wir hatten zuvor hin und wieder darüber gesprochen: Was ist, wenn einer von uns beiden fremdgeht? Wenn einen von uns die Lust auf einen anderen Menschen packt? Als sie nach Marokko fuhr und diesem anderen Mann begegnete, waren wir zwölf Jahre zusammen. Wir wussten beide, dass es passieren könnte. Die Liebe hatte gehalten, die Freundschaft, das Zusammensein, aber nicht die Leidenschaft.

Beziehung: Für diese Form der Partnerschaft sind Offenheit und Vertrauen unverzichtbar.

Für diese Form der Partnerschaft sind Offenheit und Vertrauen unverzichtbar.

(Foto: Illustration: SZ.de)

Auch ich hatte schon Erfahrung gemacht mit der Lust auf eine andere Frau. Und ich war beileibe nicht der Einzige in meinem Freundeskreis: Eigentlich war jeder schon mal in Versuchung geraten, und erstaunlich viele waren der Versuchung auch erlegen. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie man als Paar damit umgeht, wenn die Leidenschaft abhandenkommt. Wir waren uns einig, zumindest in der Theorie: Mal Fremdgehen wäre kein Trennungsgrund. Dafür passten wir einfach in allem anderen viel zu gut zusammen. Ich muss oft an die Frage denken, die mir ein Freund mal gestellt hatte: Was wäre dir lieber: Dass deine Freundin mit einem anderen schläft und dabei an dich denkt? Oder dass sie mit dir schläft und an einen anderen denkt? Damals fiel mir die Antwort nicht so leicht wie heute: Variante eins ist mir lieber.

Dass es passieren konnte, war uns immer klar, doch wie damit umgehen? Ich wollte davon nichts wissen, es sei denn: Sie hätte sich ernsthaft verliebt. Das war dann der Grund für sie, mir Monate nach der Woche in Marokko zu erzählen, was gelaufen war. Ich war von einem Flirt ausgegangen, aber es war mehr. Als sie mir von diesem Mehr erzählte, wurde mir bewusst, warum ich es eigentlich nicht wissen wollte. Weil die Auseinandersetzung auf einmal real wurde und nicht mehr nur ein Gedankenspiel blieb. Auf einmal gab es einen Mann, ich fragte mich, was er hatte und ich nicht, ich begann, nach Fotos von ihm im Netz zu suchen. All das, was diese Situation so unwürdig und so klassisch macht.

Die erste Zeit war alles andere als leicht

Sie sagte, sie wolle ihre Gefühle zu dem Mann leben, aber sie wolle mich und die Kinder nicht verlassen. Dass wir welche haben, ist nicht unwesentlich. Rückblickend kann ich behaupten: Ohne Kinder wäre es anders gelaufen. Ich weiß nicht, ob wir uns ohne Kinder noch eine Wohnung teilen würden. Damals, als sie mir von ihrem Verliebtsein erzählte und ich spürte, wie sehr es mich verletzte, war mir klar, dass wir diese Form der Partnerschaft versuchen mussten.

Diese erste Zeit war alles andere als leicht für mich. Denn es war natürlich so, dass ich ihrem neuen Glück im Weg stand, ich verkörperte den Alltag, die Verpflichtung, und es gab Momente, in denen sie mich das spüren ließ. Sie wollte Freiheit und davonschweben, ich war die Kette, die sie davon abhielt. Die Erfahrung zeigte: Lebt der eine Partner ein Leben jenseits der Familie, gerät der andere in die Rolle des Hüters ebendieser, damit die Fliehkräfte nicht zu groß werden. Es dauerte Monate und einen großen Streit, bis wir es schafften, eine Balance aus altem und neuem Leben herzustellen, organisatorisch und emotional.

Zum Streit kam es nach fünf oder sechs Monaten. Sie hatte mir ein Mal mehr das Gefühl gegeben, mit meiner kontrollierten, asketischen Art eine Spaßbremse zu sein, und es schwang natürlich mit, dass der andere das Gegenteil davon war. Ich sagte: Merkst du eigentlich, was ich alles ertrage, welche Verletzungen ich auf mich nehme? Sie sagte in einem kalten Ton, der mich erschreckte: Selbst schuld, wenn du es tust. Hatte sie sich so sehr von mir entfernt und ihre Sensibilität verloren? Dass ich das alles für uns und die Kinder ertrüge, antwortete ich. Und dann sah ich, wie es Klick machte und sie still wurde.

Es war der Wendepunkt. Weil wir beide verstanden hatten, worauf es ankommt: auf die Balance. Das heißt: sich von der emotionalen Euphorie nicht davontragen lassen und begreifen, dass es letztlich eine Teilzeitfreiheit ist, die auch von Dritten akzeptiert werden muss. Es ist ein Ausprobieren, weil es keine Rollen sind, für die es Vorbilder gibt, und weil es von allen Beteiligten Verzicht bedeutet. Manchmal gibt es Liebe nur partiell und zeitweise.

Zusammen, aber kein Liebespaar

Wir haben mittlerweile das gemeinsame Schlafzimmer aufgelöst, jeder hat ein eigenes Zimmer. Wir leben zusammen, aber wir sind kein Liebespaar mehr. Ich werde oft gefragt, ob das klappt. Mittlerweile kann ich Ja sagen. Weil wir uns gut verstehen, weil wir über fast alles reden können, weil wir uns schätzen und lieben wie sich tief verbundene Freunde schätzen und lieben. Und für die Kinder ist es das Beste, denn für sie hat sich nichts geändert. Ob Mama und Papa das Bett teilen oder nicht, ist ihnen egal.

Der andere spielt in ihrem Leben keine Rolle mehr, er wollte irgendwann nicht mehr. Dafür gibt es inzwischen in meinem Leben eine andere Frau. Ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Mittlerweile sind wir so weit, dass wir uns für den anderen freuen können, wenn er glücklich ist, auch wenn das Glück eines oder einer Dritten bedarf. Dafür haben wir uns behalten. Es gibt nicht so vieles, auf das ich stolz bin in meinem Leben, weil mir Stolz ein eher fremdes Gefühl ist, aber in diesem Fall kann ich sagen: Ich bin stolz darauf, dass wir es geschafft haben. Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, all die Scheidungen und Verletzungen und Anwaltstermine zwischen Menschen, die sich über viele Jahre so vertraut waren, weiß ich: Es gibt eine Alternative, die sich lohnt.

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