Berühmtester Hundetrainer der Welt:Der Fiffi-Coach

Cesar Millan in Amsterdam

Hoch das Bein: In der Heineken Music Hall in Amsterdam gastiert Hundetrainer Cesar Millan mit seiner Show.

(Foto: picture alliance/dpa)

Gwyneth Paltrow, Mark Zuckerberg, Patti LaBelle - viele Stars lassen ihre Lieblinge von Cesar Millan Mexikaner trainieren. Dabei coacht der Hundepsychologe nicht nur die Tiere, sondern heilt vor allem die Neurosen ihrer Besitzer. Den Rottweiler unserer Autorin hat der Mexikaner damit auch schon kuriert.

Von Michaela Haas

Wer in Los Angeles wohnt, bringt seinen Hund nicht zum Trainer, sondern zum Hunde-Psychologen. Wer berühmt ist, leistet sich gar den berühmtesten Hunde-Psychologen der Welt: Cesar Millan. Von ihm lassen Gwyneth Paltrow, Mark Zuckerberg, Patti LaBelle, Jada Pinkett Smith und viele weitere Stars ihre Fiffis coachen. Der Mexikaner, der einst als illegaler Einwanderer unter dem Grenzzaun nach Kalifornien durchgekrochen ist, hat eine eigene Fernsehreihe (früher "The Dog Whisperer", also "Der Hundeflüsterer", jetzt "Leader of the Pack") auf National Geographic, zahlreiche Bestseller geschrieben und ist derzeit mit seiner "Vertrau deinem Instinkt"-Tour durch ausverkaufte Stadien in ganz Amerika unterwegs. Seine Fernsehshow sehen bis zu elf Millionen Zuschauer. Er ist der Martin Rütter Amerikas, nur eben erfolgreicher, überdimensionaler, amerikanischer.

Wer Cesar Millan anheuert, muss sich auf einiges gefasst machen. Denn Millan lehrt nicht Sitz! Platz! Fuß!, sondern attackiert als Erstes die Neurosen der Besitzer. "Viele meiner Klienten haben einen Doktortitel oder entscheiden über Tausende Menschen", sagt Millan, "aber sie haben ihren Chihuahua nicht im Griff. Oprah, zum Beispiel, hat sicher Führungsstärke, aber zu Hause ist ihr Cockerspaniel Sophie das Alphatier." Das ist Cesar Millan: Ein Hundetrainer, der der erfolgreichsten Talkmeisterin der Welt auf den Kopf zusagt, sie habe zu wenig Selbstvertrauen. Seine Haupttheorie ist, dass viele Menschen ihre Tiere zu sehr vermenschlichen und die Hunde ihre Besitzer nicht als "Rudelführer" ernst nehmen: "Die Hälfte aller Hunde in Amerika glauben, ihr Name sei ,nein'!"

Cesar Millan, 43, ist ein genialer Alleinunterhalter. Er scheut sich nicht, in einem flauschigen Hasenkostüm herumzuhüpfen oder hechelnd auf allen vieren herumzukriechen, um die Körpersprache eines aufgeregten Pudels nachzuahmen. Wie Rütter auch bringt er seine verzweifelten Klienten erst einmal zum Lachen. "Wenn ich in ein Haus komme und das Ehepaar steht kurz vor der Scheidung, weil der Mann entnervt sagt, entweder der Hund oder ich, was soll ich dann anderes machen, als erst einmal einen Witz loszulassen und die Stimmung aufzulockern?" Wer nervös, frustriert oder hektisch ist, könne noch so sehr an der Leine zerren, sagt Millan. "Ein Hund gehorcht nur einem ruhigen, selbstbewussten Rudelführer."

Die Tipps funktionieren

Ich wurde eifrige Zuschauerin des Hundeflüsterers, nachdem ich einen extrem misshandelten Chow adoptiert hatte. Millans Rat widerspricht der Intuition: Wenn ein ängstlicher Hund vor Furcht zittert, nimmt ihn Millan gerade nicht in den Arm, sondern der Hund bekommt nur dann Streicheleinheiten, wenn er ruhig und gelassen ist. Aber seine Tipps funktionierten: Innerhalb von Wochen verwandelte sich mein zitterndes Bündel Fell in den glücklichen Liebling der ganzen Nachbarschaft. Durch den schnellen Erfolg mit dem ersten Hund traute ich mir ein mutigeres Projekt zu: Ich verliebte mich im Tierheim in einen drei Jahre alten Rottweiler-Mischling. Offensichtlich hatte sein Erstbesitzer ihn misshandelt und nur in seinem Hinterhof angekettet. Ein Zehn-Minuten-Spaziergang glich einem Ganzkörper-Workout, bei dem Molly mit aller Gewalt in alle Himmelsrichtungen zerrte. Aber sie schien intelligent und zutraulich zu sein, also beschloss ich, ihr eine Chance zu geben.

Cesar Millan anzuheuern, erscheint aussichtslos, wenn man nicht sehr berühmt ist oder sehr reich. (Eine amerikanische Zeitung meldete, er verlange für eine Beratung bis zu 80.000 Dollar, die er dann seiner gemeinnützigen Stiftung spende.) Das Tierheim empfahl stattdessen eine resolute Mittfünfzigerin mit 30 Jahren Trainer-Erfahrung, die angeblich mit einem "positiven, ganzheitlichen Zugang" arbeitete.

3000 Euro und fünf Wochen später lieferte die Trainerin einen abgemagerten Hund bei mir ab. Molly hatte mehr als zehn Prozent ihres Körpergewichts verloren, und die Trainerin gab zu, sie hatte dem Hund nichts zu fressen gegeben, wenn sie nicht gehorchte. Molly trug zusätzlich zu ihrem normalen Halsband drei weitere Bänder: ein Würgehalsband, ein Stachelhalsband und ein elektronisches Schockhalsband mit Fernbedienung. Wenn Molly von ihrer Matte wuselte, sollte ich ihr mit dem Knie in die Brust treten; wenn sie an der Leine zerrte, sollte ich "Karate-Schläge" mit dem Stachelhalsband vollführen. "Härter, härter", sagte die Trainerin. Molly, vergib mir, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht!

Selbsternannte Hundetrainer

Aber das war erst der Anfang. Molly hinkte bei jedem längeren Spaziergang, schlief fast den ganzen Tag und bewegte sich mit den sachten Gesten einer Seniorin, die jede Bewegung schmerzt. Ein Tierarzt bestätigte, dass Molly akute Entzündungen in beiden Schultern habe und sofort operiert werden müsse. Molly begrüßte unsere Tierärztin bei unserem ersten Besuch gleich mit einem heftigen Schnappen nach ihrem Arm und bekam einen roten Aufkleber in die Patientenakte: Achtung, bissig! Ich musste meinen Hund vor jedem Besuch mit Valium und einem Maulkorb ruhigstellen. Nach der Operation (4000 Euro) suchte ich nach einem neuen Trainer. Ein Nachbar empfahl eine selbsternannte "Hollywood-Trainerin der Stars". Die beschied kurzerhand, ein Rottweiler lasse sich in dem Alter nicht trainieren, diagnostizierte unseren Hund als "sehr, sehr aggressiv" und empfahl, ihn einschläfern zu lassen.

Cesar Millan in Amsterdam

Hunde sind eine ganz große Sache. Um das zu verstehen, genügt es, die Bühne in der Heineken Music Hall in Amsterdam zu sehen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit diesem Erlebnis habe ich viele Hundefreunde kennengelernt, die verzweifelt professionelle Hilfe suchten, die dann alles andere als professionell war. Die Berufsbezeichnung "Hundetrainer" ist in den wenigsten Ländern geschützt. Jeder, der schon einmal einen Dackel an der Leine geführt hat, kann sich als professioneller Trainer bezeichnen.

An den schlimmsten Tagen stand ich kurz davor, Molly ins Tierheim zurückzugeben, aber es war klar, dass sie dort keine Chance haben würde: Wer würde schon einen Hund adoptieren, der körperlich und emotional so geschädigt war? Cesar Millan hat den schönen Spruch drauf, dass die Leute nicht den Hund bekommen, den sie wollen, sondern den Hund, den sie brauchen, um sich weiterzuentwickeln. Ich musste mich ganz offensichtlich erheblich weiterentwickeln!

Der Traum von Lassie

Cesar Millan hat seine Karriere vor mehr als 20 Jahren als Trainer von aggressiven Hunden in einem schlechten Teil von Los Angeles begonnen. Er nahm die schlimmsten Fälle, die alle anderen aufgegeben hatten, vor allem Rassen, die einen schlechten Ruf haben, wie Rottweiler, Pitbulls und Schäferhunde. Er war in einem staubigen Straßendorf in Mexico aufgewachsen, in dem die Hunde ohne Leine frei herumstreunten.

Als Kind bewunderte er Lassie und träumte davon, nach Amerika zu gehen, wo Lassies tolle Trainer leben mussten, aber als er dann im Alter von 21 Jahren mit 100 Dollar in der Tasche tatsächlich illegal über die Grenze schlich, wurde ihm schnell klar, dass er einer Hollywood-Illusion aufgesessen war. Drei bis vier Millionen Hunde werden jedes Jahr in Amerika eingeschläfert - meist, weil sie ihren Besitzern zu viel werden.

Millan zog in ein armseliges Gang-Viertel von Los Angeles und begann, kostenlos Hunde Gassi zu führen, um Erfahrungen zu sammeln. Ein Fernsehproduzent sah ein eindrucksvolles Foto in der Lokalzeitung, auf dem Millan mit einem Dutzend Rottweiler ohne Leine durch das Gang-Viertel marschierte: Der "Hundeflüsterer" war geboren, und es folgte ein raketenhafter Aufstieg, schließlich wollen Millionen Hundebesitzer wissen, wie sie ihren Tieren das Bellen, Beißen und Betteln abgewöhnen.

Die Episoden laufen immer nach einem ähnlichen Muster: Die völlig aufgelösten Hundebesitzer sind sich sicher, dass auch der Hundeflüsterer ihren außer Rand und Band geratenen Pudel nicht dressieren kann. Millan kommt durch die Tür, scherzt ein wenig mit den Besitzern, und wie von Zauberhand steht der Pudel stramm, als wüsste er, dass er im Fernsehen ist.

"Die blufft nur!"

Cesar Millan in Amsterdam

Immer entspannt: "Mit einem unstabilen Geist kann man keinen Hund trainieren", sagt Cesar Millan.

(Foto: picture alliance / dpa)

Während ich verzweifelte, war Millan auf Tour, aber ich erreichte schließlich zwei Trainer, die seit vielen Jahren mit ihm zusammenarbeiten: Cheri Lucas und Brian Agnew nehmen ihm die dringenden Fälle ab. Millans Methoden sind in Amerika umstritten, im Fernsehen sieht man durchaus, dass er Hunden einen Fußtritt verpasst oder mit seinen Händen einen Hundebiss imitiert. Ich vermutete ohnehin, dass die Sendungen, in denen er innerhalb von Stunden unheilbare Fälle kuriert, gestellt waren. Nach den katastrophalen Erfahrungen mit den anderen Trainern war ich zutiefst misstrauisch.

Dass Molly zur Begrüßung bellte und knurrte, schüchterte Millans Trainer nicht ein. "Die blufft nur!", sagte Cheri Lucas nach zehn Minuten aufmerksamer Beobachtung und kroch zu unserem knurrenden Hund in den Zwinger. Das nenne ich Vertrauen in das eigene Urteilsvermögen! Nach zehn Minuten spazierte Molly ruhig an Cheris Leine. Nach einer halben Stunde fläzten sich ihre eigenen Hunde, ein Pitbull und ein Collie, in meinem Wohnzimmer. Es war wie im Fernsehen, nur besser, denn es spielte sich in meinem Zuhause ab. Sie zeigten mir, wie ich Molly korrigieren musste: sanft, aber bestimmt. Sie wiesen mich auf die spezifischen Warnsignale vor einem Ausbruch hin - wenn sie ihre Kiefer anspannte oder den Atem anhielt. Sie benutzten ein sanftes Halti statt des Stachelbandes. Ich wusste, das konnte ich schaffen.

Nach einigen Monaten luden mich die beiden zu Cesar Millan ein, und Molly bekam die Gelegenheit, den Cheftrainer zum Dank persönlich anzuknurren. Wir fuhren in sein "Hundepsychologie-Zentrum" nach Santa Clarita. Auf 18 Hektar in den rotsandigen Bergen von Santa Clarita teilen sich ein gutes Dutzend Hunde, ein Lama, zwei Pferde und mehrere Hasen ihren Alterssitz. Sie alle wären nicht mehr am Leben, wenn sie keine Zuflucht bei Millan gefunden hätten.

Billig war auch dieser Ausflug nicht: Vier Tage kosten mehr als 3000 Euro, und trotzdem war der Workshop innerhalb von Tagen ausverkauft. Trainer kamen aus der ganzen Welt, aus Israel, Deutschland, Spanien, sogar Australien, um ihrem Idol persönlich zu begegnen. Millan ist in der Hundewelt ein Rockstar. Er füllt Stadien mit 8000 Menschen, und während mir der gedrungene Mexikaner von der Statur her nur bis zur Nase reicht, ist sein Ego größer als eine dänische Dogge.

Ich wusste nicht, dass er selbst gerade die größte Krise seines Lebens hinter sich hatte. 2010 starb sein geliebter Pitbull Daddy, sein "Mentor". Im selben Jahr reichte seine Frau Illusion die Scheidung ein, und sein ältester Sohn Andre, heute 17, beschloss, mit seinem Vater kein Wort mehr zu sprechen. Gleichzeitig fand Millan heraus, dass sein Business-Manager schlechte Entscheidungen getroffen hatte und von den Millionen aus den Fernsehshows nicht viel übrig war. Millan gibt zu, dass es ihm leichter fällt, mit Hunden umzugehen als mit Menschen. "Ich bin ein Rudeltier", sagt er. "Plötzlich war mein Rudel weg. Ich lief in einem Nebel von Depression herum." Sogar seine Hunde seien ihm nicht mehr gefolgt, "denn einem instabilen Rudelführer gehorchen sie nicht, und ich war sehr instabil."

Bewegung, Disziplin, Liebe.

Bei einem Besuch im Haus seiner Ex-Frau schluckte er eine Überdosis Schlaftabletten, aber seine Familie fand ihn, und er wachte zwei Tage später in der Psychiatrie auf. "Ich musste selbst rehabilitiert werden", sagt er lachend und nimmt stolz seine junge dominikanische Freundin Jahira Dar in den Arm. Millan sagt, dass der Dreiklang, den er allen Hundebesitzern predigt, auch bei ihm selbst funktioniert: Bewegung, Disziplin, Liebe.

Eigentlich war gar nicht geplant, dass Millan meinen Hund persönlich trainiert. Aber dann stürzte ein Kameramann auf mich zu, um mir hektisch ein Mikrofon aus der Hand zu reißen. Molly interpretierte das als Angriff und baute sich drohend auf. Der Kameramann wich kreidebleich zurück, aber Millan schoss sofort herbei. Vielleicht gerade weil so viele andere Trainer es vorher gründlich verbockt hatten, beeindruckte mich, wie er Molly innerhalb von Sekunden richtig einschätzte: "Sie hat Angst", sagte er und nahm die Leine. Molly wehrte sich ein wenig, aber es dauerte nur Minuten, bis sie sich ruhig neben Millan legte. Es ist tatsächlich wie im Fernsehen: Er kommuniziert mit den Hunden durch seine Körpersprache, und sie verstehen ihn.

"Der Hund sagt ja nicht, oh Gott, jetzt hält der berühmte Millan die Leine!", meint Millan selbstironisch. "Der Hund weiß nur, ob du ruhig und vertrauenserweckend bist." Millan meditiert, wenn er gestresst ist, und er spricht selbst wie ein Meditationslehrer, wenn er darüber doziert, dass das wichtigste Werkzeug eines Hundebesitzers die eigene Energie und Körpersprache ist: "Der Hund ist mein Lehrer. Mit einem unstabilen Geist und negativer Energie kann man in dieser Welt viel Geld verdienen, aber man kann damit keinen Hund trainieren. Wer morgens mit dem Hund raus will, soll sich als Erstes fragen: Bin ich wirklich ruhig und zuversichtlich? Das ist wichtiger als die richtige Leine oder das Kommando."

Seither nenne ich Molly meine Meditationsmeisterin. Wir sind inzwischen die besten Freunde. Bis heute kann ich mit ihr nicht gedankenlos aus dem Haus stürzen, während ich vielleicht am Handy hänge, sonst knurrt sie den Zwergpinscher vom Nachbarn an. Ich muss mit ihr immer hellwach sein, immer ruhig, immer in der Gegenwart. Aber für einen solch gelassenen Geisteszustand lohnt es sich doch wirklich, einen Rottweiler aus dem Tierheim zu adoptieren und den Gegenwert eines Kleinwagens zu investieren.

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