Bertelsmann-Studie:Im Schnitt mehr Erzieher - doch der Osten hinkt hinterher

Sachsen hinkt beim Personalschlüssel in Kinderkrippen hinterher

Eine Erzieherin für fünf Kinder? Ob das reicht, hängt vom Alter der Kinder ab.

(Foto: dpa)
  • Ideal ist es noch nicht, doch ein positiver Trend ist sichtbar: Der Personalschlüssel in Krippen und Kindergärten hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert.
  • Das Problem: Immer noch gibt es große regionale Unterschiede.

Von Barbara Galaktionow

Die Anzahl der Betreuer ist nicht alles, was eine gute Kinderkrippe oder einen guten Kindergarten ausmacht. Doch eines ist klar: Unterhalb einer gewissen Schwelle sind alle Diskussionen über pädagogische Konzepte und individuelle Förderung überflüssig. In den vergangenen Jahren sah es hier dramatisch aus - nun gibt es laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zumindest leichte Verbesserungen.

Im Durchschnitt 9,3 Kinder kamen der am Morgen veröffentlichten Untersuchung zufolge zum Stichtag 1. März 2015 auf eine im Kindergarten beschäftigte Fachkraft. Vor drei Jahren waren es noch 9,8 Kinder. Bei der Kleinkinderbetreuung in Krippen kümmerte sich ein Erzieher oder eine Erzieherin um 4,3 Kinder - 2012 waren es noch 4,8 Kinder.

Optimal ist das immer noch nicht. Experten für frühkindliche Bildung fordern meist einen Personalschlüssel von einem Erzieher für maximal vier Kinder, zumindest im Kleinkinderbereich. Nach den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung sollte sich ein Erzieher oder eine Erzieherin um höchstens drei unter Dreijährige oder 7,5 Kindergartenkinder kümmern.

Hinzu kommt, dass die Zahlen nur ein Anhaltspunkt für die Betreuungsrealität in den Betreuungseinrichtungen sind. Erzieher haben Urlaub oder werden krank, Leiter haben oft mit den Kindern wenig bis gar nichts zu tun, obwohl sie beim Personalschlüssel mitgezählt werden.

Immer noch deutliches Ost-West-Gefälle

Zudem konstatieren die Autoren der Studie enorme regionale Unterschiede. Trotz aller Verbesserungen sticht demnach nach wie vor das erhebliche Ost-West-Gefälle hervor: Eine Erzieherin in den westdeutschen Bundesländern ist im Schnitt für 3,6 Krippenkinder oder 8,6 Kindergartenkinder verantwortlich - in den ostdeutschen hingegen für 6,1 Kleinkinder oder 12,3 Kindergartenkinder.

Und das, obwohl gerade in Ostdeutschland Eltern ihre Kleinkinder häufiger in Krippen betreuen lassen als im Westen. 47 Prozent der unter Dreijährigen besuchen im Osten eine Einrichtung, im Westen sind es trotz des Ausbaus nur 24 Prozent.

Klare Unterschiede in einzelnen Bundesländern

Verbessert hat sich die Lage denn auch vor allem in westdeutschen Bundesländern. Im Kindergartenbereich haben sich die Personalschlüssel insbesondere in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen verbessert. In Brandenburg und Thüringen gab es keine Qualitätsverbesserungen.

Im Krippenbereich hat sich die Betreuungssituation in Hamburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, aber auch gerade in Sachsen-Anhalt verbessert. In Thüringen und im Saarland hingegen stagniert das Betreuungsverhältnis für die unter Dreijährigen, in Bremen verschlechterte es sich sogar geringfügig.

Im Bundesländervergleich steht Baden-Württemberg am besten da. Hier kommt ein Erzieher auf 7,3 Kindergartenkinder beziehungsweise auf 3,0 Krippenkinder - rein rechnerisch ein idealer Zustand.

Bei den Schlusslichtern muss sich ein Erzieher hingegen um etwa doppelt so viele Kinder kümmern. Im Kindergartenbereich ist das Mecklenburg-Vorpommern, wo im Schnitt 14,1 Kinder von einer Person betreut werden. Bei den Krippen Sachsen, wo eine Fachkraft für 6,4 Kleinkinder zuständig ist.

Was folgt daraus?

Der Bertelsmann-Stiftung zufolge müssten zusätzlich 107 000 Vollzeitstellen geschaffen werden, um die als pädagogisch sinnvoll erachteten Betreuungsquoten zu erreichen. Das sind immerhin 13 000 weniger als noch 2014. Das würde ihren Berechnungen zufolge 4,8 Milliarden Euro kosten, und zwar jährlich. Die Stiftung fordert, wie auch das Deutsche Kinderhilfswerk, dass sich der Bund stärker an den finanziellen Belastungen beteiligen soll - dafür allerdings auf die Festlegung bundeseinheitlicher Standards pochen soll.

Auch Familienministerin Schwesig sprach sich im ARD-"Morgenmagazin" erneut für ein nationales Qualitätsgesetz aus, das auch den Betreuungsschlüssel regeln solle. Denn das Thema ist ja keineswegs neu. Experten rufen schon seit Jahren nach einem solchen Gesetz, damit die Standards in den Betreuungseinrichtungen sich tatsächlich an pädagogischen Kriterien orientieren und nicht primär an der Kassenlage des jeweiligen Bundeslands.

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