Autowäsche:Großes Kino

Zu zehnt reinigen sie den Innenraum. Bei der Trocknung leuchtet es wie in der Disco: Eine der größten Auto-Waschanlagen in ganz Europa steht in Stuttgart.

Von Stefan Mayr

Das ist keine Einfahrt. Das ist ein Palastportal. Und das Haus dazu ist so groß wie zwei Fußballfelder. Das runde, weit hervorstehende Vordach wird beleuchtet von Hunderten weißen Lämpchen. Links und rechts der Einfahrt stehen kniehohe, knallgelbe Pfosten mit der Aufschrift: "Sauberes Auto - gute Laune". Willkommen in einer der größten Auto-Waschanlagen Europas. Sie sieht von außen aus wie ein Fünf-Sterne-Hotel und steht mitten in Stuttgart. Im vergangenen Jahr wurden hier 420 000 Fahrzeuge gereinigt. Das sind mehr als 1300 pro Öffnungstag. 130 in der Stunde, zwei pro Minute.

Eben mal schnell hier vorbeifahren geht nicht. Man muss schon ein bisschen Zeit mitbringen, wenn das Auto wirklich sauber werden soll. Auf einer Rampe fährt man erst mal ins Obergeschoß hoch. Da steht eine junge Frau im knallig-orangenen Polohemd und fragt sehr freundlich: "Was können wir für Sie tun?" Für eine Komplettreinigung (also außen und innen) bezahlt man 40 Euro. Die nette Frau legt den Kassenzettel hinter die Windschutzscheibe. Hat man Kinder dabei, legt sie noch zwei Päckchen Gummibärchen dazu. Halt, stopp, das sind keine Bärchen, sondern, logisch: Gummi-Autos.

Am Anfang ist alles wie in jeder anderen Autowäscherei auch: Vorwäsche mit Riesenspritzgewehr. Dann kommt der Wagen auf ein Fließband und wird komplett eingeschäumt. Dunkel wird's im Innenraum, sehr dunkel. Doch plötzlich leuchtet die Windschutzscheibe grell weiß und blau. "Aktiv-Schaum" steht da in großen Buchstaben. Großes Auto-Kino.

Außergewöhnlich ist außerdem: Es gibt gleich zwei Spuren nebeneinander, man kann also beobachten, wie nebenan ein anderes Auto von den blauen Bürsten geschrubbt und den gelben Lappen getrocknet wird. Wie in einem Spiegel. Und beim abschließenden Föhnen leuchten die Gebläse knallrot und knallblau. Das sieht aus wie in einer Disco und macht auch ungefähr denselben Lärm.

Richtig spannend wird es bei der Innenbehandlung. In der Warteschlange kann man noch rätseln, ob jetzt eine Maschine mit viel Lärm und Wasser die Sitze fluten wird. Nicht ganz. Es ist die gute, echte Handarbeit: Zehn Heinzelmännchen mit orangenen Hemden, schwarzen Hosen und schwarzen Handschuhen wuseln um das Auto herum. Das Ganze sieht aus wie eine Mischung aus Formel-1-Boxenstopp und Auto-Zusammenbauen am Fließband. Auch hier werden immer zwei Wagen nebeneinander im Schritttempo durch die Halle geschoben. Die Kunden sitzen in dieser Zeit natürlich nicht im Auto, sondern können aussteigen und an einer kleinen Bar nebenan ein Wasser oder einen Kaffee trinken. Dann kommt ein Mitarbeiter nach dem anderen, um eine wundersame Verwandlung einzuleiten: Einer nimmt die Fußmatten und steckt sie in einen silbernen Kasten. Es rüttelt und rumpelt. Dann zieht er saubere Matten wieder raus. Eine Frau wischt die Fensterscheiben, Armaturen und Türen ab. Eine andere setzt sich mit einem Staubsauger in der Hand auf den Fahrersitz und legt los. Das blaue, spiralförmige Kabel tanzt und zuckt. Und weg sind Brötchenbrösel, Kieselsteine, vergessene Lego-Kleinteile und Staubkörner. Ein Mann kümmert sich um den Kofferraum.

Im Wartebereich gibt es Pflanzen, gepolsterte Sofas. Im Hintergrund spielt Musik. Von hier aus kann man gut beobachten, wie ein Waschstraßen-Mitarbeiter mit einer Wischmob-Maschine das Auto auf Hochglanz poliert. "Handwax" heißt das hier, und kostet noch mal zusätzlich. Danach glänzt und blitzt der Lack wie neu.

Wer weniger Geld zahlen will, lässt das Polieren weg und reinigt das Innere des Autos auch selbst. Hierfür steht im Erdgeschoss der Waschstraße die vermutlich größte Staubsaughalle der Welt: Nicht weniger als 48 Rüssel und Düsen warten hier darauf, Sand-, Chips- und Reiswaffel-Reste zu vernichten. Wenn hier viel los ist, schaut das aus wie bei einer Staubsaug-Weltmeisterschaft.

Nach acht Minuten sind alle mit der Innenreinigung fertig. Und aus dem dreckigen Gebrauchtwagen ist ein glänzendes Fast-wie-neu-Auto geworden.

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