Ausstellung: Das Model als Muse:Schöne Gefäße

Quer durch die Jahrhunderte beflügelten ästhetische Frauen die Männerphantasien. Claudia Schiffer war nur eine dieser "Elfen".

Eva Karcher

Schwanenhälse auf zart gemeißelten Schultern, Sahnehaut zu pastellfarbenen Seidentaftkaskaden, vom amerikanischen Haute-Couture-Schneider Charles James auf Gazellenkörper drapiert - so ganz bei sich, so porzellan-vollkommen sah Schönheit 1948 auf den Fotos von Cecil Beaton aus.

schiffer, lagerfeld

Sie war seine Muse und sie lieben sich immer noch: Claudia Schiffer überreicht Karl Lagerfeld auf der Berlin Fashion Week 2008 den Mercedes Platinum Award

(Foto: Foto: Reuters)

Wie keiner vor und wahrscheinlich auch nach ihm vermochte es dieser 1904 in London geborene bekennende "fanatische Ästhet", Frauen aus Fleisch und Blut in Musengöttinnen zu verwandeln - jene schwebend fernen Wesen, in deren vielversprechender Aura sich quer durch die Jahrtausende Männerphantasien verfingen.

Doch war die betörende Anziehungskraft schon der ersten Musen, Töchter von Zeus und Mnemosyne, stets eine interaktive: Sie beflügelte denjenigen, dessen Einbildungskraft sie berührte, zu Ideen und Taten, die, wie im Fall von Friedrich Nietzsche (Lou Andreas-Salomé) und John Lennon (Yoko Ono) sein Genie entzündeten oder, bodenständiger, ihm zeigten, wo es langging, und sei es mit Peitsche oder Liebesliedern.

Denn Musen sind Medien, sensorische Gefäße, die wie Katalysatoren Reaktionen beschleunigen, ohne dabei die eigenen Energien zu verlieren. Im Gegenteil gelingt ihnen im Idealfall die Verdichtung und Steigerung von kreativem Austausch. Sie senden Impulse aus, die ihre Verehrer zu immer neuen Einfällen und Schöpfungen anregen und so ihn immer berühmter und sie immer begehrter machen.

Luxusleiber mit Kultstatus

Bis sie Kultstatus erreichen, ikonengleiche Idole des Zeitgeists werden, wie ihn die Mode unermüdlich neu erfindet. Zu den Musen der staranbetungssüchtigen Moderne des 20. Jahrhunderts jedenfalls stiegen Models auf, Frauen mit jener Allüre, die jedes Stück Stoff auf ihren Luxusleibern zu veredeln, es gar zu erotisieren scheint.

Wie "The Model as Muse", das Model als Muse, also die Mode von der Nachkriegszeit bis zum Ende der neunziger Jahre inspirierte und damit indirekt mitentwarf, zeigt nun bis zum 9. August eine von einem Katalog begleitete phänomenale Ausstellung des New Yorker Metropolitan Museum of Art (www.metmuseum.org).

Unter der Schirmherrschaft von Louis Vuittons Kreativdirektor Marc Jacobs versammeln die Kuratoren Harold Koda und Kohle Yohannan rund achtzig Fotografien, Anzeigen, Magazincovers, Laufstegschnappschüsse und Filme von Künstlern wie Richard Avedon, Peter Lindbergh, Steven Meisel, Irving Penn, Helmut Newton bis hin zu Ellen von Unwerth und Jürgen Teller.

Die Rebellion des "Youthquakes"

Die Bilder erzählen, wie Mode in einem symbiotischen Prozess zwischen Fotografen, Stylisten, Designern und eben den Models entsteht und sich von Saison zu Saison und von Ära zu Ära geradezu alchimistisch verwandelt. Bereits in den fünfziger Jahren traten Lisa Fonssagrives und Dovima, zwei Models aus der Schar namenloser Elfen, hervor, die Christian Diors New Look so elektrisierend verkörperten, dass klar wurde, was ihm die Epoche verdankte: den radikalen Chic der Silhouette, der seine Trägerinnen zu Prinzessinnen der Pariser Boulevards machte.

Doch schon Ende der sechziger Jahre explodierte jede Form von - auch stilistischer - Autorität in der Rebellion des "Youthquake", des Jugendbebens, das jedem misstraute, der älter als dreißig war. Designer wie André Courrèges, Paco Rabanne und Rudi Gernreich fanden in Twiggy und Veruschka Komplizinnen ihrer ultrakurzen, megascharfen und oft metallischen Kleider.

Sie wurden abgelöst von Jerry Hall, in den Siebzigern bereits die mondäne Vorbotin der Supermodel-Dekade der achtziger Jahre. Naomi Campbell, Christy Turlington, dazu Tatjana Patitz, Cindy Crawford, Claudia Schiffer, Helena Christensen, Karen Mulder, Stephanie Seymour und die allein schon mit dem Satz des Jahrzehnts unsterblich gewordene Linda Evangelista schlugen morgens für "unter 10000 Dollar am Tag" die strahlenden Augen erst gar nicht auf.

Doch waren diese Musen-Übermodelle bald so allgegenwärtig und wurden bald so mächtig, dass die Designer sich im zu Ende gehenden Jahrtausend lieber auf ein Anti-Model verständigten: Kate Moss. Zu wenig athletisch, zu klein für die Standards der Branche, verlieh sie jedem Look die Magie ihrer zerbrechlich exzessiv-coolen Unbedingtheit. Unnachahmlich.

Und heute? Das neue Jahrtausend, so scheint es, tut sich mit neuen Musen schwer. Weder Gisele Bündchen noch Milla Jovovich besitzen jenes gewisse Etwas, das über sie selbst hinausweist. Sie sind schön und sehr professionell - ja, aber bannen sie Männer wie Frauen rund um den Globus? Das gelingt derzeit eher einer anderen: Michelle Obama.

Und warum? Ihr Glamour ist Intelligenz. Sie ist real.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: