Audrey-Hepburn-Briefmarken versteigert:Mann mit Mona-Lisa-Lächeln

In Berlin werden zehn Audrey-Hepburn-Briefmarken für 430.000 Euro versteigert - der Käufer ist anschließend ein wenig benommen.

Thorsten Schmitz

Man fragt sich natürlich, wie sich jemand fühlt, der gerade 430.000 Euro für zehn Briefmarken ausgegeben hat. Elf Minuten hat es gedauert, bis der Mann in der zweiten Reihe des Ballsaals im Berliner Hotel Adlon am Samstagabend den Zuschlag bekam für einen Briefmarkenbogen, auf dem zehnmal zu sehen ist, wie sich Audrey eine Zigarettenspitze in den Mund schiebt.

Sean H. Ferrer,  Luca Dotti

Audrey Hepburns Söhne Sean H. Ferrer (rechts) und Luca Dotti präsentierten die Briefmarken in Berlin. Der Erlös wird der "Audrey Hepburn`s Children Foundation" gespendet.

(Foto: AP)

Der Mann sieht aus, als könne er selbst nicht fassen, dass ihm jetzt das "Kronjuwel der modernen Philatelie" gehört, wie das Auktionshaus Schlegel den Bogen feiert. Das Geld kommt Projekten des Unicef-Kinderhilfswerks und des Audrey Hepburn Children's Fund (AHCF) zugute. Der Mann sitzt auf der Kante des Stuhls, Fotografen halten ihre Objektive auf ihn, aber er fühlt sich offensichtlich unwohl dabei. Er weiß nicht, wohin mit den Händen. Die Menschen im Saal applaudieren, aber der Applaus macht alles noch schlimmer. Der Mann steht auf und verlässt den Saal.

Ich folge ihm.

Wie er durch den Flur des Adlon läuft, wie er dabei mal die Hände aus dem Jackett des grauen Anzugs nimmt und sie knetet und sie dann wieder in die Jackentaschen steckt. Der Mann kramt kein Blackberry hervor, er ruft niemanden an, mit dem er seine Aufregung teilen könnte. Er bleibt allein. Im Foyer spielt ein Hotelpianist Hotelfoyermusik. Der Mann lässt sich auf ein Sofa fallen, die Ohren glühen rot. Er seufzt, reibt sich das Gesicht und lächelt noch immer. Das Lächeln wirkt gemeißelt.

Er sieht glücklich aus. Und sehr besorgt.

Ich darf mich zu ihm setzen.

Briefmarken, die es eigentlich nicht geben dürfte

Er sagt: "Mein Lächeln ist ein Mona-Lisa-Lächeln. Ich bin nachdenklich. Der Zuschlag überfordert mich schon richtig."

Eine Kellnerin kommt. Der etwa 60 Jahre alte Mann mit polnischem Akzent, der aus "Sicherheitsgründen" nicht will, dass man seine Identität preisgibt, dieser Mann also, der gerade 430.000 Euro für zehn Briefmarken ausgegeben hat, bestellt sich ein Mineralwasser.

Der Mann, der keinen Ehering trägt, am Mineralwasser nippt und ab und zu in die Schale mit den gesalzenen Mandeln greift, sagt: "Ich war mir sicher gewesen, dass ich nach der Auktion am Dinner teilnehme als jemand, der nicht den Zuschlag bekommen hat. Jetzt gehört der Bogen mir..." Der Mann sammelt eigentlich Briefmarken aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Briefmarken, die auf Briefe geklebt und gestempelt wurden und auf deren Stempeln Städte und nicht Briefzentren stehen wie heute üblich. Briefe also, die unterwegs waren und nicht Briefmarken wie jene mit dem Konterfei Audrey Hepburns, die noch nie benutzt wurden. Die es eigentlich auch gar nicht geben dürfte.

Im Jahr 2001 hatte die Deutsche Bundespost beschlossen, Briefmarken zu drucken mit den Porträts berühmter Schauspieler. Audrey Hepburn sollte dabei sein, mit einem Motiv aus ihrem berühmtesten Film "Frühstück bei Tiffany's". Die Post ließ die Briefmarken drucken, doch die beiden Söhne der Schauspielerin weigerten sich, der Post die Erlaubnis zum Verkauf zu geben.

Sean Hepburn Ferrer, Sohn aus Audrey Hepburns erster Ehe und Chef des Audrey Hepburn Children's Fund, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir waren nicht einverstanden mit dem Motiv. Es zeigt unsere Mutter mit Zigarettenspitze und nicht wie im Film mit einem Sonnenbrillenbügel im Mund. Außerdem liegt ein Schatten auf den schönen Augen unserer Mutter."

Zehn Briefmarken für einen guten Zweck

Was die Post damals den Söhnen vorenthielt: Die Briefmarken waren bereits gedruckt, 14 Millionen Stück. Alle wurden vernichtet, bis auf drei Bögen. Zwei besitzt die Post noch heute. Der dritte wurde, auf bislang unerklärliche Weise, gestückelt auf Auktionen verkauft. Als Sean Hepburn Ferrer davon erfuhr, wurde er wütend - und machte zu Hause in Los Angeles einen sensationellen Fund: Zwischen zwei Buchdeckeln, in einem Briefumschlag, fand er jenen Zehnerbogen, der jetzt dem Mann mit dem Mona-Lisa-Lächeln gehört. Audrey Hepburns Sohn sagt: "Die Geschichte ist filmreif."

Filmreif ist auch die Fortsetzung der Geschichte.

Der Käufer überlegt nun, ob er noch am Dinner teilnehmen oder doch besser vor den Fotografen flüchten soll. "Andererseits kann ich ja jetzt auch nicht nach Hause schlafen gehen."

Er sagt, er hätte den Bogen nie gekauft, wenn das Geld nicht einem guten Zweck gewidmet wäre. Die Vorstellung, dass mit dem Geld jetzt Kindern in Afrika geholfen werde, mache ihn glücklich. "Der Bogen ist doch nur ein Ding. Und vor den Dingen kommt der Mensch."

Die Bank kommt auch noch vorher, zumindest in diesem Fall. Der Mann sagt: "Dieser Zuschlagspreis hat meine finanziellen Möglichkeiten überschritten, aber möglicherweise ist so eine Minute, in der mir der Bogen zugesprochen wurde, mehr wert als Jahre eines farblosen Lebens." 430.000, das sei doch "nur eine Vier und eine Drei mit so und so vielen Nullen." Einerseits.

Andererseits räumt er ein: "Ich muss mir jetzt schnell einen Kredit bei der Bank besorgen."

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