Altenpflege in den USA:Ein Schuppen für Omi

Innovation oder Isolation? In den USA hat ein Pfarrer als Alternative zum Altersheim das "Med-Cottage" vorgestellt: ein Häuschen für Senioren, das im Garten stehen soll und mit allerhand Hightech ausgestattet ist.

Wer geht schon freiwillig in ein Altenheim? Doch leider ist die Pflege zu Hause nur selten möglich. In den USA hat man nun eine Alternative zum Seniorenheim gefunden: das "Med-Cottage" - ein Hightech-Bungalow, der kurzerhand neben dem Eigenheim im Garten aufgestellt wird. Während Kritiker die mobile Unterkunft als "Omi-Schuppen" verspotten, sehen Befürworter in dem innovativen Modell durchaus eine Alternative, um pflegebedürftigen Angehörigen eine Unterkunft zu bieten.

'MEDCottage' - US-Idee für die Altenpflege

Hübsche Unterkunft für Senioren oder Isolationshütte? Das "Med-Cottage" aus den USA soll mit seiner Hightech-Ausstattung und der Nähe zur Familie eine sinnvolle Alternative zum Altenheim bieten.

(Foto: dpa)

Auf die Idee kam übrigens kein pfiffiger Geschäftsmann, sondern ein Pfarrer, Kenneth Dupin. Das Cottage soll seine Vision einer längst vergessenen Lebensform realisieren: Generationen wieder näher zusammenzubringen.

Von außen sieht das "Med-Cottage" aus wie ein Gartenhäuschen - wenn auch ein fast luxuriöses. Auf einer Fläche von vier mal acht Metern befinden sich neben einem abgetrennten kleinen Bad ein Wohnraum mit einer Kochgelegenheit und einem Bett. Das Häuschen ist komplett ebenerdig gebaut, das Bad behindertengerecht, und es gibt einen Lift, um pflegebedürftige Patienten aus dem Bett zu heben.

Die Besonderheiten liegen in den technischen Details: Der Fußboden ist per Kamera überwacht, damit der Betreuer sehen kann, wenn der Bewohner gestürzt ist. Darüber hinaus gibt es verschiedene medizinische Ausstattungsdetails, vom Blutdruckmessgerät bis zur Tablettenbox, die an die Einnahmezeiten erinnert. Eine Klimaanlage filtert die Luft, was etwa bei geschwächten Krebspatienten das Infektionsrisiko mindern soll.

Der Schuppen kommt gut an

Anscheinend kommt seine Idee gut an. Seit Ende Juli das erste "Med-Cottage" vorgestellt wurde, hätten sich bereits mehrere tausend Interessenten gemeldet, sagt Dupin und erklärt: "Jede kleine alte Lady in der Welt hat uns angerufen und nach einem gefragt."

Auch unter den zuständigen Institutionen hat das Hüttchen Befürworter gefunden: Die größte amerikanische Seniorenorganisation AARP (American Association of Retired Persons), hält das "Med-Cottage" für gut. "Die Einwohnerzahl steigt dramatisch an, deshalb brauchen wir innovative Ideen. Und das ist eine davon", sagte AAAP-Vorstandsmitglied Jeannie English.

Pfarrer Dupin ist fest überzeugt, dass seine Erfindung hilft, Senioren vor der Einsamkeit in einem Heim zu bewahren. Den 55-Jährigen aus Salem im US-Bundesstaat Virginia hat es immer wieder berührt, wenn er in anderen Ländern gesehen hat, wie mit alternden Familienmitgliedern umgegangen wird. "Überall auf der Welt wird das Alter geachtet. Es ist etwas Gutes", sagt der Pfarrer. Nur in den USA nicht, was er nicht verstehen könne. "Die Angst, isoliert zu sein, ist doch die größte, die wir haben."

Kritiker äußern Bedenken, dass die Idee das Gegenteil bewirkt. Das Phänomen der Isolation würde erst auf die Spitze getrieben, indem man einen alten Menschen in einer Gartenhütte statt im eigenen Haus unterbringt - gerade, wenn er ohne Hilfe nicht einmal das eigene Bett verlassen kann. Bezirksrat Jeff C. McKay formulierte es gegenüber der Washington Post etwas dratischer: "Ist es eine gute Idee, Leute in einen Vorratsbehälter zu packen und sie in den Garten zu stellen?".

Dabei ist die Idee nicht wirklich neu: Gerade in Deutschland, Österreich oder der Schweiz war es lange Zeit üblich, die Eltern nach Übergabe des Hofes an die Erben in einem kleinen Anbau - im süddeutschen Raum als "Austragshaus" bekannt - unterzubringen. Doch dieses Konzept stammt aus Zeiten, in denen die älteren Menschen ihre eigene Pflegebedürftigkeit meist nicht mehr erlebten. Die Alten waren bis zuletzt in der Lage, Kontakt zur Familie zu halten und nahmen an den gemeinsamen Mahlzeiten teil.

So gesehen wäre das "Med-Cottage" wohl eher eine attraktive Alternative für rüstige Senioren - andernfalls könnte das Modell Gefahr laufen, zu einer Art "Abstellkammer" für die Alten und Kranken zu werden.

Anhänger des Senioren-Hüttchens sehen indes höchstens organisatorische Probleme: Auch in den USA darf in einem Garten nicht einfach ein Haus hingebaut werden. Also ging Pfarrer Dupin bei US-Politikern hausieren und erreichte eine entsprechende Gesetzesänderung: Im US-Bundesstaat Virginia ist es seit dem 1. Juli gestattet, die "Med-Cottages" aufzustellen.

"Wir werden die Welt verändern", schwärmt Cottage-Erfinder Dupin. In den USA ist die Produktion bereits angelaufen, von 2011 an sollen die ersten 100 Hütten ausgeliefert werden.

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