Allergien:Dreck schützt vor Heuschnupfen

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Wer als Kind Viren und Pollen ausgesetzt ist, reagiert später nicht so stark darauf. Diese Erkenntnis will die Wissenschaft nun nutzen.

Werner Bartens

Warum Allergien gegen Pollen und andere Substanzen in nahezu allen wohlhabenden Ländern häufiger werden, wissen Ärzte nicht genau. Die meisten Forscher favorisieren die Dschungel- und die Hygiene-Hypothese. Demnach haben mehr Sauberkeit und weniger Infektionskrankheiten dazu geführt, dass das Immunsystem seltener gefordert wird und der Körper deshalb öfter überschießend auf Fremdstoffe aller Art reagiert.

Für diese Vermutung sprechen vor allem Untersuchungen aus ärmeren Regionen der Welt. "Menschen in Entwicklungsländern, die traditionell mit ihrem Vieh auf dem Land leben, leiden auffallend seltener an Allergien", sagt Erika von Mutius vom Haunerschen Kinderspital München. "Mit der Verstädterung steigt die Häufigkeit von Allergien."

Entsprechende Studien gibt es aus Asien und Afrika. Der Dschungel-Hypothese zufolge könnte nicht nur der Kontakt mit Pflanzen und Tieren das Allergierisiko senken, auch Parasiten tragen womöglich dazu bei. Die lästigen Schmarotzer regen Zellen des Immunsystems dazu an, die Allergiereaktion zu dämpfen.

Der Allergievergleich in Ost und West bestätigt die Forscher. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gab es in Ostdeutschland weitaus weniger Allergien als im Westen.

Im Osten wurden mehr Kinder in Krippen erzogen, große Gruppen begünstigten den Austausch von Keimen wie von potentiellen Allergenen. Nach der Wende glichen sich die Lebensverhältnisse an - die Wiedervereinigung hat sich allergologisch schneller vollzogen als politisch. Es dauerte nur wenige Jahre, dann gab es ähnlich viele Allergien in Ost wie West.

Auch dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, kaum Allergien bekommen, spricht dafür, dass regelmäßiger Kontakt mit Dreck, Tieren und Pflanzen vor Allergien schützt. Erika von Mutius hat in den vergangenen Jahren gezeigt, warum Kinder von Bauernhöfen besser vor Allergien geschützt sind als reizärmer aufwachsende Kinder im selben Ort.

Die Luft im Stall, der Kontakt zu Tieren und andere Faktoren auf dem Bauernhof senken das Risiko für Heuschnupfen, Neurodermitis oder Asthma offenbar deutlich. Obwohl die Bedrohung aus der Natur kommt, könnte diese Schutz bereithalten. Dies soll nun für Impfungen genutzt werden.

"Wir haben Dreck im Stall abgekratzt und daraus Extrakte gewonnen", erklärt Mutius das ungewöhnliche Vorgehen. Im Labor und in Tierversuchen konnte der Stallstaub, wenn er inhaliert wurde, die Häufigkeit von allergischem Asthma halbieren. "Es sieht vielversprechend aus, dass wir hier auch einen sicheren Schutz für Menschen finden", sagt Mutius.

© SZ vom 03.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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