Alleinerziehende:Zwei Mütter, zwei Kinder, eine Wohnung

Alleinerziehende: Schaffen zusammen mehr: Juliane und Rebecca in ihrer WG.

Schaffen zusammen mehr: Juliane und Rebecca in ihrer WG.

(Foto: Anne Backhaus)

Jedes Jahr gibt es mehr Alleinerziehende in Deutschland. Doch nicht alle wollen mit ihrem Kind alleine sein.

Von Anne Backhaus

Jamil schreit. Der Dreijährige beugt seinen Oberkörper vor, reißt den Mund auf und legt seine ganze Kraft in die Stimme. Immer wieder. "AHHHH!" Es ist wirklich laut. Es ist auch etwas nervig, aber alle können darüber lachen. Alle, das sind seine Mutter Juliane, ihre Mitbewohnerin Rebecca und deren siebenjährige Tochter Emily. Sie sagen: "Jamil, du hast aber Kraft in der Stimme." Oder: "Lass doch mal das Gebrüll, wir würden lieber mit dir spielen." Alle sitzen in seinem Kinderzimmer vor Bauklötzen und einer Holzeisenbahn. Emily legt eine Schiene um, wieder schreit Jamil.

Man kann sich gut vorstellen, als Mutter davon überfordert zu sein. Von diesem Geräusch. Von der eigenen Ratlosigkeit. Man kann sich auch gut vorstellen, dass das alles noch etwas anstrengender ist, wenn man sein Kind alleine aufzieht.

Das ist einer der Gründe, warum Juliane, 35, und Rebecca, 25, zusammen in einer Alleinerziehenden-WG leben. Sie haben im wahrsten Sinne aus der Not eine Tugend gemacht. Seit der Trennung von den Kindsvätern, haben sie häufig überfordernde Situationen erlebt - auch solche, die mit einem Partner vielleicht schön sind, wie ein Sonntag nur zu Hause, die aber alleine mit Kind anstrengend sein können. Auch deshalb, weil man eben nie wirklich alleine ist. Weil da immer Verantwortung ist, man immer aufmerksam und stark sein muss.

"Zu meiner Sorge um Jamil kam dann noch die Last, auch finanziell fast alles alleine bewältigen zu müssen", sagt Juliane. Die ausgebildete Pädagogin ist zurzeit arbeitslos und will sich als Masseurin selbstständig machen. Ihr Ex-Freund zahlt 270 Euro Unterhalt, aus der Wohnung im Münchner Westen ist er nach der Trennung ausgezogen. Sie ist ruhig gelegen, gute Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten und ein Park um die Ecke. Juliane wohnt hier immer noch, in einer Stadt wie München hätte sie auch nur schwer etwas Vergleichbares gefunden. Die Wohnung, 95 Quadratmeter für 1400 Euro warm, kann sie alleine aber nicht bezahlen.

"Also habe ich überlegt, was ich eigentlich will", sagt Juliane. "Ich wollte nie nur alleine mit einem Kind sein, und ich wollte nicht umziehen." Sie gab eine Anzeige online auf: "Ich möchte gerne 2 Zimmer an eine alleinerziehende Mama (Papa) mit Kind vermieten, 700 Euro warm plus Strom. Es sind insgesamt vier Zimmer und ein wundervoller Balkon mit 20 qm. Im Sommer sind es also 5 Zimmer :-) Ich möchte gerne eine Mutter/Vater-Kind Wg gründen und keine Zweckgemeinschaft. (...) Freu mich über Nachricht." Es kamen gut zwei Dutzend Antworten.

Rund 2,7 Millionen Eltern in Deutschland sind alleinerziehend, und es werden jährlich mehr. Inzwischen tauchen viele Anzeigen von Alleinerziehenden auf, die sich mit anderen zusammentun wollen, alternative Lebensentwürfe sind heute weitaus akzeptierter als noch vor einigen Jahren. Meist inserieren Mütter, kein Wunder: Knapp neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Juliane lud vier zur Wohnungsbesichtigung ein. Rebecca blieb. Und mit ihr ein Leben, das sie, jede für sich alleine, nicht führen könnten.

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