Superreiche in London:Ein Privatjet der Gemütlichkeit

Nirgendwo in Europa verdienen die Menschen so viel wie in der Londoner Innenstadt. Die Superreichen sind dort gern unter sich. Wer wissen will, wie sie ticken, muss mit den Menschen reden, die ihnen zu Diensten sind.

Von Lena Jakat, London

Der Swimmingpool liegt spiegelglatt in unwirklichem Türkis da. Das Heimkino ist in dunklem Holz getäfelt und bietet auf schweren Sofas mindestens 20 Leuten Platz. Nicholas Ayre wischt auf seinem iPhone zu den nächsten Bildern. Der Fitnessraum. Die Personalwohnung. Bilder von einer Stadtvilla, die er sich kürzlich angesehen hat. Ayre ist ein "Personal Shopper für Immobilien", er sucht für Leute, die zu beschäftigt damit sind, ihren Reichtum zu mehren. Seine Kunden sind die Superreichen Großbritanniens, der globale Jetset, der in der britischen Hauptstadt seinen europäischen Spielplatz hat.

Nirgendwo in Europa verdienen die Menschen so viel wie in der Londoner Innenstadt. Das Einkommen ist dort dreimal so hoch wie im EU-Durchschnitt, das Bruttoinlandsprodukt liegt - kaufkraftbereinigt - bei 78.000 Euro pro Kopf und ist damit doppelt so hoch wie in der wohlhabendsten Region Deutschlands. Die Superreichen sind dort gern unter sich. Wer wissen will, wie sie leben und denken, muss mit den Menschen reden, die ihnen zu Diensten sind, Menschen wie Nicholas Ayre.

Die Anwesen, von denen er durchschnittlich eines pro Monat vermittelt, stehen in Belgravia, Mayfair, in den teuersten Gegenden der Stadt. In Chelsea und Kensington liegt der durchschnittliche Preis für ein Stadthaus bei 35 Millionen Euro. 2012 wurde ein Penthouse am Hyde Park für 162 Millionen Euro verkauft. Weltrekord. Seit 2009 sind die Preise für Luxusimmobilien um die Hälfte gestiegen. Dass die Erwerbsteuer im vergangenen Jahr von fünf auf sieben Prozent erhöht wurde, tut dieser Entwicklung keinen Abbruch.

Die Menschen, die derartige Summen zahlen, kommen aus der ganzen Welt - und aus der City, dem Finanzdistrikt der Stadt. In der Londoner Innenstadt wird mehr verdient als überall sonst in Europa, das Einkommen ist mehr als dreimal so hoch wie im europäischen Durchschnitt - auch weil einige wenige mit extrem hohem Verdienst den Londoner Wert nach oben treiben.

Ultrareiche nennt Steve Versano solche Leute. Der US-Amerikaner mit dem Namen und dem Aussehen eines Chicagoer Mafia-Paten lehnt sich in seinem weißen Ledersessel zurück und greift nach den Macadamia-Nüssen auf dem Silbertablett. Vor den Fenstern zieht ein strahlend blauer Himmel vorbei, in den kleine Wattewölkchen getupft sind. In seinen Geschäftsräumen hat sich Versano eins zu eins das Interieur eines luxuriösen Privatjets nachbauen lassen. Heller Hochflorteppich, Tropenholz, Champagnerbar und ausfahrbarer Flatscreen. Protziger Luxus, komplett mit Himmel-TV vor den Flugzeugfenstern. Auf einer 28 Quadratmeter großen Videowand lassen sich alle Flieger, die gerade auf dem Markt sind, miteinander vergleichen. Größe, Ausstattung, Alter, Preis. Versano wischt über seinen Tablet-PC. Auf dem Monitor erscheint der technische Querschnitt eines Flugzeugs, in Lebensgröße.

Steve Versano Jet  Business London

Handelt mit Privatjets: Steve Versano in seinem Showroom.

(Foto: Lena Jakat)

"Das Internet hat die Welt für die meisten Geschäftsleute kleiner gemacht", sagt Versano, der seit Jahrzehnten mit Privatjets handelt und früher seine Kunden stets persönlich besuchte. "Für mich ist die Welt größer geworden. Statt in Amerika sitzen meine Kunden jetzt in Ländern, von denen man früher noch nicht einmal gehört hatte. In der Mongolei, in Nigeria, in Aserbaidschan. Und alle kommen früher oder später nach London." Es ist ein kleiner Markt, nur etwa 3000 Privatflugzeuge wechseln jedes Jahr ihren Besitzer. Deswegen hat der 56-Jährige seine Ausstellungsräume vor einem Jahr hier eröffnet, den ersten Showroom für Privatflugzeuge weltweit. Direkt am Kreisverkehr von Hyde Park Corner, den alle Luxuslimousinen passieren, die in die exklusiven Viertel im Südwesten der Stadt unterwegs sind.

Versano, der zum Abschied eine gravierte Visitenkarte aus glänzendem Metall überreicht, ist wie der Immobilienagent Ayre Teil einer Industrie, die den Menschen zu Diensten ist, denen es an nichts fehlt. Außer an Zeit. Die Agenten, Assistenten und Personal Shopper beschäftigen, um das meiste aus dieser knappen Zeit zu machen. Und das Geschäft mit der Zeit der Reichen boomt. Conciergedienste, die für ihre Kunden Tische reservieren, Gästelistenplätze und Diamantringe für die Verlobung organisieren, florieren. Luxushotel um Luxushotel wird neu eröffnet. Das Nobelkaufhaus Harrods richtete kürzlich The Penthouse ein. In dieser Suite können begüterte Kunden auf fliederfarbenen Sofas entspannen und warten, bis die ausgeschwärmten Verkäufer mit den ersehnten Produkten im Arm zurückkehren.

In der Spardose Europas

Doch am deutlichsten werden die Dimensionen des Luxussegments beim Lieblingsthema aller Londoner sichtbar: am Immobilienmarkt. Wer durch die Wohnviertel im Westen der Stadt schlendert, kann den obszönen Reichtum gar nicht übersehen. Liam Bailey leitet die Analyse für Wohneigentum beim Immobilienriesen Knight Frank. Die meisten Häuser, die hier für 12 Millionen Euro oder mehr gehandelt werden, sind keine reinen Investment-Produkte. Diese Immobilien kaufen Leute, die darin auch wohnen wollen, erklärt er. Was aber zieht die Superreichen nach London? "Der Lifestyle natürlich, die Stadt ist weltweit ausgezeichnet angebunden, in der City werden wichtige Geschäfte gemacht", sagt Bailey. "Viele dieser Leute wollen ihre Kinder hier auf eine teure, gute Schule schicken. Sie sind der Stadt meist schon verbunden, beruflich, oder durch Freunde oder Familie."

Entscheidend jedoch: Eine Trophäen-Immobilie, wie Bailey sie nennt, eine Villa mit Garten in Belgravia, ist eine sichere Kapitalanlage. Das Pfund wirkt für manche sicherer als der angeschlagene Euro. Großzügige Schlupflöcher in den Gesetzen ermöglichen es den Käufern außerdem, Häuser und Wohnungen über Offshore-Firmen steuerfrei zu erwerben. Wie der Guardian enthüllte, flossen so 2011 acht Milliarden Euro in den Immobilienmarkt. "London ist das Sparschwein Europas", sagt Nicholas Ayre, der Makler mit Designerbrille. "Du legst dein Geld hier an, da ist es schön sicher. Wenn du es wiederhaben willst, verkaufst du einfach."

Blaue Rosen und ein gesperrter Flughafen

Die finanzielle Elite fühle sich hier sicher. Wer so reich sei, neige zur Paranoia. Seine Kunden stehen auf Ankleideräume, die zu Panic Rooms werden, auf ausgeklügelte Sicherheitssysteme und Alarmanlagen. Doch sicher allein reicht dem Reichen nicht. Er braucht auch Personal.

"Es ist wie bei einer Partnervermittlung", sagt Annabel Moorsom. Seit acht Jahren rekrutiert sie persönliche Assistenten, PA. "Wie, Sie kennen niemanden, der eine PA hat?", fragt Moorsom am Telefon. Persönliche Assistenten, die den Menschen ihren Alltag abnehmen, die selbst keine Zeit oder keinen Kopf dafür haben. "Immer mehr Leute werden sehr schnell reich und berühmt wie Rockstars", sagt Annabelle. "Denken Sie nur an all die Casting-Shows! Sie alle brauchen Angestellte, die ihnen helfen, den Kopf über Wasser zu halten." Eine gute persönliche Assistentin müsse ein gut gefülltes Adressbuch haben, müsse flexibel, kreativ und robust sein. Und bereit, oft auf sich allein gestellt zu sein. "Viele Leute denken, das sei ein glamouröser Job. Das ist es nicht, im Gegenteil. Es ist ein Job, der sehr einsam machen kann."

Sie kann stundenlang von exzentrischen Wünschen berichten, mit denen ihre PAs konfrontiert waren. Da war jemand, der unbedingt und sofort einen silbernen Wohnwagen auf sein Dach gestellt haben wollte. Ein anderer bestand darauf, dass der Flughafen von Cannes für seine Ankunft komplett gesperrt wurde. Ein dritter verlangte am Sonntagabend blaue Rosen. "Erstens gibt es keine blaue Rosen", sagt Moorsom. "Und zweitens ist es am Sonntagabend noch schwieriger, etwas zu finden, das es nicht gibt." Die PA habe schließlich einen Kulissenbauer gefunden, der ihr helfen konnte. Die größte Herausforderung sei, "dass Reiche gewohnt sind, dass all ihre Wünsche erfüllt werden. Dass sie kein Nein akzeptieren".

Après-Ski-Erlebniswelt für die Reichen und Schönen

Dort, wo die Leute wohnen, die kein Nein akzeptieren, direkt neben dem Kensington Palast, steht seit dem Herbst, neben den Bunker eines Luxushotels gekauert, eine Skihütte. Die natürlich keine Skihütte ist, sondern eine Restaurant-Bar-Club-Erlebniswelt für die Reichen und Schönen der Stadt, Bodo's Schloss.

Bodos Schloss Ad

Zünftig soll es zugehen in Bodo's Schloss - einem Treffpunkt der Reichen und Schönen.

(Foto: Bodo's Schloss)

Drinnen gibt es eine ausgestopfte Gemse, mit der Models in Spitzen-Jumpsuits posieren , und viel Kiefernholz, die das Restaurant in eine Zirbelstube verwandeln. Auf der Speisekarte Schnitzel und Knödel. Das Personal trägt Karnevalsdirndl und Lederhosen. "Es ging uns darum, eine eigene Welt zu schaffen, in die unsere Gäste völlig abtauchen können", sagt Antoin Commane, einer der Besitzer. Ein Marketing-Mann, der sein Vermögen im Finanzsektor machte, bevor er beschloss, sich als Edelgastronom ins Nachtleben zu stürzen. Der, falls das doch nichts wird, immer noch als Tom-Cruise-Double arbeiten könnte. Und der darauf besteht, dass sein Club nicht sonderlich exklusiv, sondern "für ganz normale Leute" gedacht sei.

Okay, der Signature Cocktail, eine Eisskulptur, aus der unbegrenzt eine Mixtur aus Champagner, Wodka, Creme de Peche und Maracuja strömt, kostet 5800 Euro. Okay, zu den Gästen zählen Gwyneth Paltrow, Brad Pitt und "Princess B", wie Commande Prinzessin Beatrice nennt.

An diesem Sonntagabend ist "Fashion Night" im Schloss, die Gästeschar besteht zum Großteil aus Models. Auf den Toiletten, wo "Obergurgl" in altdeutscher Schrift an die Wand gepinselt ist, zeigen sich dürre Mädchen ihre Brustwarzenpiercings und sprechen über Ferienhäuser in Malibu. Die Toilettenfrau dreht ihnen den Wasserhahn auf, reicht Seife, Tuch und Handcreme.

Nirgends in Europa verdienen die Menschen so viel wie in der Londoner Innenstadt. Und nirgends in Großbritannien geht die Kluft zwischen Arm und Reich so weit auseinander. In der Innenstadt von London verdienen die meisten sehr viel - oder sehr wenig. Jeder siebte verfügt über weniger als 1400 Euro im Monat. Jeder siebte müsste vier Monate lang alles sparen, um sich einen einzigen Signature-Cocktail in Bodo's Schloss zu kaufen.

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