Stolze Eltern:Klingelschilder als Mission

Väter und Mütter sind Helden. Und ihre Kinder sind großartig. Ganz großartig. Aber trotzdem terrorisieren manche Eltern ihre Umwelt mit Familien-Nippes.

Gerhard Matzig

Keine Missverständnisse. Keine Leserbriefe jetzt. Und, Frau von der Leyen, don't call us. Sicherheitshalber folgt hier ein Satz, der so unironisch ist wie eine Verlautbarung der KP in China. Ein Satz, wie er nur einem Vater zukommt: Deutschland ist ein familienfeindliches Land.

Stolze Eltern: Schon das Klingelschild schreit: Hier wohnt eine ganz nette Familie.

Schon das Klingelschild schreit: Hier wohnt eine ganz nette Familie.

Jawohl, ein Land, in dem es Väter, Mütter und Kinder schwer haben.

Weshalb man Väter, Mütter und Kinder in jedweder Weise unterstützen sollte. Mit weniger Steuern und mehr Kinderkrippen. Mit besseren Schulen und billigeren Wohnungen. Kurz: mit einem besseren Leben. Denn es sind die Familien, die dieses Leben lebenswert machen. Ohne sie werden wir depressiv und sterben aus. Väter und Mütter sind Helden. Und ihre Kinder sind großartig. Ganz großartig.

Und jetzt reden wir zur Abwechslung mal über ein emailliertes Klingelschild im Treppenhaus, das mit seinen stilisierten Wölkchen, Bärchen und Blümchen aussieht, als stamme es aus dem Fundus der Rama-Werbung.

Darauf steht: "Hier wohnen Jens, Sieglinde und die kleine Nele-Emilie."

Hier muss man gar nicht mehr klingeln, um zu wissen, dass der Dackel Horaz heißt und sämtliche Möbelkanten in der Wohnung mit aufgeklebten Windeln entschärft wurden.

Man weiß auch, dass die Sonnenblenden des VW-Sharans mit Tigerenten verziert sind und dass es einen Auto-Aufkleber gibt, der eine frohe Botschaft verkündet: "Baby an Bord!"

Es gibt jetzt nämlich außer der kleinen Nele-Emilie auch noch einen kleinen Noah-Elias. Sieht ganz danach aus, als ob bald wieder emailliert wird.

Und der Anrufbeantworter wird auch neu besprochen: "Ja, hallo, äh, Jens, Sieglinde, Nele, Noah und Horaz sind unterwegs oder auf dem Spielplatz" - Kichern - "Sie können aber nach dem Wäääähh" - haltloses Gepruste - "gerne auf Band sprechen. Tschüssi". Und dann, unfassbar, tatsächlich: ein lautes Wäääähh. Ob es Eltern gibt, die ihre Neugeborenen vor lauter Elternstolz kräftig in beide Backen zwicken, um einen Anrufbeantworter-Scherz aufzuzeichnen?

Gibt's das?

Bestimmt. Es gibt ja auch die britische Modedesignerin Katharine Hamnett, die seit der Geburt ihrer Söhne T-Shirts trägt mit der Aufschrift "Women against war". In einer Talkshow hat sie erklärt, sie habe 40 Jahre lang als kinderlose Egoistin gelebt. Erst durch Kinder sei ihr klar geworden, dass man für eine bessere Welt kämpfen müsse. Einen Umkehrschluss hat sie auch nahegelegt: Wer keine Kinder hat, muss der nicht automatisch für den Krieg und gegen eine bessere Welt sein? Na? Haben SIE Kinder?

Manche Menschen haben Kinder. Manche Menschen haben Kinder und emaillierte Familienklingelschilder, Familienautos und Familienanrufbeantworter-Sprüche. Und manche Gesellschaften leiden einerseits an viel zu wenigen und viel zu wenig selbstverständlichen Kindern. Und andererseits leider am unheilbaren Kinderwahnsinn. Ein Wäääähh auf dem Anrufbeantworter ist dafür zumindest ein Symptom.

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