Koch des Jahres:Neue Frankfurter Schule

Ein Österreicher am Main: Der Restaurantführer Gault Millau kürt den Gastronomen Mario Lohninger zum "Koch des Jahres 2011".

Patricia Bröhm

Es finden sich in Deutschland nicht viele Köche, die schon in jungen Jahren Billy Wilder und Tony Curtis in Los Angeles bekochten oder die quasimilitärische Disziplin einer Pariser Drei-Sterne-Küche erlebten. Auch die Zahl jener, die als Küchenchef in einem New Yorker In-Lokal die Kritiker begeisterten und in einer Kochschule in Osaka lernten, wie man das Messer führt, um einen Thunfisch zu zerlegen, ist gering. Es gibt auch nicht viele, die gleich zwei Spitzenrestaurants in einem Technoclub betreiben. Eine so vielseitige Biographie ist einzigartig in der deutschen Küchenszene: Mario Lohninger, der in Frankfurt am Main die Restaurants Silk, Micro und Lohninger betreibt, ist ein Talent, das sich in keine der üblichen Schubladen stecken lässt.

Mario Lohninger kocht sich um die Welt

Mario Lohninger, "Koch des Jahres 2011". Schon als Vierjähriger entdeckte er in der Backstube seines Großvaters in einem Dorf bei Salzburg die Leidenschaft, für andere Menschen Essen zuzubereiten.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Genau das mag es gewesen sein, was den Gourmetführer Gault Millau bewog, den 37-Jährigen zum "Koch des Jahres 2011" zu küren. "Voller Entdeckerfreude und Erneuerungsdrang", so begründet die Redaktion ihr Urteil, "bietet Lohninger, bei dem alles so salopp wirkt, aber vollkommen ausgereift ist, in drei Restaurants pointenreich und leidenschaftlich drei Küchen."

Wenn einer das abgedroschene Schlagwort von der globalen Küche mit weltweit erworbenem kulinarischen Knowhow füllen kann, dann der gebürtige Österreicher, der sich konsequent als "der Mario" vorstellt. In zehn Jahren Amerika hat er sich easy going abgeschaut, aber auch, "wie man mit Menschen umgeht und sie immer wieder neu motiviert".

Und wie man ein Restaurant als Unternehmer führt - in Manhattan sind die meisten Köche ihre eigenen Chefs. Logisch, dass einer, der bei weltbekannten Meistern ihres Fachs, wie Wolfgang Puck in Los Angeles, Guy Savoy in Paris und David Bouley in New York, sein Repertoire formte, kein Lokal wie viele andere betreibt.

In Lohningers 2004 eröffnetem Restaurant Silk entledigen sich die Gäste ihrer Schuhe und machen es sich auf einer weiß gepolsterten Liegewiese bequem, wo ihnen ein elfgängiges Menü serviert wird. Zu Gerichten wie Black Cod (eine Art Kabeljau) mit Mandel-Pannacotta und Gazpacho oder einem erstklassigen Rinderfilet von der amerikanischen Morgan Ranch mit Wildkräutersalat legt ein DJ auf. Das Silk ist im Cocoon Club von Deutschlands DJ-Ikone Sven Väth, ebenso wie das Schwesterlokal Micro, wo Lohninger seine Lieblingsgerichte aus aller Welt vom Wiener Schnitzel bis zu Sushi und Sashimi auftischt.

Die Küche der Zukunft

Doch bevor man ihn jetzt in die Schublade "Szenekoch" steckt, hat der Vielseitige im Frühjahr dieses Jahres ein drittes Lokal aufgemacht, das ganz anders ist: Altbau, Behaglichkeit und nichts als die Küche seiner österreichischen Heimat. Besser wird man ein knuspriges Backhendl oder ein gekochtes Schulterscherzl mit Wurzelgemüse, Apfelkren und Rösterdäpfeln wohl westlich von Salzburg kaum finden.

Das ist ganz im Sinne des Gault Millau: "Die Küche der Zukunft ist ungekünstelt, urwüchsig, pur, gesund und traditionsbewusst", prophezeit Chefredakteur Manfred Kohnke. "Heute wird in den am besten besuchten Spitzenrestaurants in Deutschland statt verkopfter Konzeptionsküche das reine Genusserlebnis geboten, auf den Tellern herrscht Klarheit und Konzentration." Als vielversprechenden Trend empfinden die Tester, dass Spitzenköche sich derzeit wieder der Gemüsekultur zuwenden, allen voran der Berliner Michael Hoffmann, der auf 2000 Quadratmetern 70 Kräuter- und Gemüsesorten anbaut und seine Speisekarte als "Koch und Gärtner" unterschreibt.

Wie facettenreich die deutsche Küchenlandschaft sich heute darstellt, beweisen auch weitere Auszeichnungen des Gourmetführers: "Restaurateur des Jahres" ist Fritz Keller vom Schwarzen Adler in Vogtsburg am Kaiserstuhl. Er betreibt ein Traditionsgasthaus und trat gleichzeitig die bemerkenswerte Mission an, Aldi-Kunden das Thema Qualitätswein nahezubringen.

"Aufsteiger des Jahres" ist Claus Alboth vom Alboth's in Erfurt, ein Mann, der mit Gerichten wie seinem in Orangencurry gebeizten Lachs auf Wildspargelspitzen den Osten aromatisch aufmischt. "Entdeckung des Jahres" ist Sebastian Zier vom La Mer in List auf Sylt, der in Deutschlands nördlichstem Spitzenrestaurant ein Team hochmotivierter junger Köche anführt.

Und zu all dem als "Koch des Jahres" der österreiche Wahlfrankfurter Lohninger, der das Szenevolk am Main zu Feinschmeckern erzieht und dabei an seinem Plan festhält, "irgendwann einmal in Amerika begraben zu werden". Wenn die Zukunft der deutschen Küche so bunt aussieht, dann gehen wir guten Zeiten entgegen.

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