Anti-Aids-Programme:No-Sex-Kampagnen sind nutzlos

Noch immer setzt die US-Regierung im Kampf gegen Aids auf Enthaltsamkeitskampagnen. Doch die zeigen keinerlei Wirkung auf Jugendliche, berichten britische Forscher.

Markus C. Schulte von Drach

Weltweit sind 38 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert und jeden Tag fordert der Aids-Erreger mehrere Tausend Tote. Um Jugendliche und junge Erwachsene vor Infektionen zu schützen, setzt die US-Regierung vor allem auf Enthaltsamkeit. Die Bemühungen der Bush-Administration, die Ausbreitung des HI-Virus zu stoppen, steht gewissermaßen unter dem Motto: "Sex nicht vor der Ehe".

Anti-Aids-Programme: Das klappt so nicht . . .

Das klappt so nicht . . .

(Foto: Foto: iStock)

Doch bei den jungen Leuten zeigen reine Enthaltsamkeitsprogramme offenbar keinerlei Wirkung. Das berichten jetzt Wissenschaftler der University of Oxford in Großbritannien.

Die Forscher um Kristen Underhill hatten weltweit nach Studien gesucht, die sich mit der Wirksamkeit reiner Enthaltsamkeitskampagnen in wohlhabenden Nationen beschäftigten.

Fündig wurden sie allerdings nur in den USA. 13 Studien mit insgesamt fast 16.000 Jugendlichen konnten die Briten schließlich zusammenfassen. Und das Ergebnis wird der US-Regierung möglicherweise zu denken geben.

Kein einziges der sogenannten Abstinence-only-Programme zur Verhütung von HIV-Infektionen oder Schwangerschaften zeigte langfristig die erwünschte Wirkung auf die Häufigkeit von Sex, die Zahl wechselnder Partner, den Einsatz von Kondomen oder den Zeitpunkt des "ersten Males". Zwar führte eine der untersuchten Kampagnen dazu, dass die Jugendlichen weniger Sex hatten - die Wirkung hielt jedoch lediglich einen Monat an.

Und eine Untersuchung deutete sogar darauf hin, dass eines der Programme zwar einen Effekt hatte - jedoch in eine von den Initiatoren nicht erwünschte Richtung: Die Häufigkeit von Sex als auch die Zahl sexuell übertragener Krankheiten war größer als in der Vergleichsgruppe (British Medical Journal, Bd. 335, S. 248, 2007)

Nicht berücksichtigt hatten die britischen Wissenschaftler Studien, die die Wirksamkeit von Programmen untersuchten, die sich neben der Abstinenz auch mit Safer Sex beschäftigen.

Und keine der von den Briten überprüften Studien hatte die Zahl der HIV-Infektionen selbst ermittelt. Lediglich die Häufigkeit sexuell übertragener Krankheiten insgesamt stand zur Verfügung.

Trotzdem schließen Underhill und ihr Team: "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass reine Enthaltsamkeitsprogramme nicht effektiv zur Abstinenz ermutigen, sondern im Gegenteil ineffektiv sind, um sexuelle Aktivitäten zu verhindern."

Bereits auf der Internationalen Aids-Konferenz 2006 hatten Fachleute berichtet, dass Abstinence-only-Programme in Entwicklungsländern oder den USA kaum Wirkung zeigen.

Offenbar, so vermuten die Briten nun, führen die landläufigen Bemühungen, das HIV-Risiko zu reduzieren, weder zu Veränderungen im sexuellen Verhalten noch zu einem Anstieg riskanter Verhaltensweisen.

Dafür aber gebe es Hinweise darauf, dass die Abnahme von Schwangerschaften junger Mädchen in den USA auf den Einsatz von Verhütungsmitteln zurückgeht - und nicht auf weniger Sex.

Die aktuelle Studie könnten US-Politiker den Wissenschaftlern zufolge dazu nutzen, die Wirksamkeit reiner Enthaltsamkeitskampagnen neu einzuschätzen. Bislang geht mindestens ein Drittel des Geldes, das George W. Bush im Rahmen seines Anti-Aids-Programmes in die Vorbeugung von HIV-Infektionen steckt, in solche Kampagnen.

Vermutlich wäre es besser, das Geld in Programme zu investieren, die die Verwendung von Kondomen empfehlen, kommentiert Stephen Hawes von der University of Washington zusammen mit zwei Kollegen die Ergebnisse der Briten. Diese Form der Verhütung reduziert das Infektionsrisiko deutlich (British Medical Journal, Bd. 335, S.217, 2007)

Bundesregierung setzt auf Aufklärung

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln sollten solche Programme allerdings noch weit mehr bieten. "Wir setzen nicht darauf, den Jugendlichen Enthaltsamkeit zu empfehlen", erklärt Elisabeth Pott, Direktorin der BZgA.

Schließlich müssen sich staatliche Aufklärungskampagnen an der Lebensrealität der Jugendlichen orientieren. Moralische Empfehlungen gehören ihrer Meinung nach nicht in staatliche Kampagnen, sondern sind Sache moralischer Instanzen wie etwa der Kirchen.

Aber Safer Sex zu propagieren oder über die Verwendung von Kondomen aufzuklären, genügt ihr ebenfalls nicht. "Wertvorstellungen spielen durchaus eine wichtige Rolle. Wir werden zum Beispiel oft gefragt, ob Treue schützt. Das tut sie - wenn beide Partner treu sind", so Pott.

Auch sei es wichtig, die Jugendlichen in der Entwicklung einer selbstbewussten Persönlichkeit zu unterstützen. Dann, so Pott, könnten sie eher nein sagen oder Schutzverhalten des Partners einfordern, wenn es darauf ankommt. Die Sorge, Sexualaufklärung könne sexuelles Verhalten bei Jugendlichen auslösen, teilt Pott nicht. "Das ist ein altes Vorurteil und längst widerlegt."

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