Zum 70. von Klaus Lemke:Des Cowboys Job ist nie getan

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Klaus Lemke hat vor knapp 50 Jahren angefangen, das Kino in Deutschland mit Unterhaltungswert aufzuladen. Klingt komisch, ist aber so: Der große Unbezwingbare des deutschen Films, wird 70.

Doris Kuhn

Wo wären wir eigentlich ohne ihn? Würde München überhaupt existieren auf der Karte des internationalen Erfolgsfilms? Auf irgendeiner Karte, auf der große Taten verzeichnet sind? Klaus Lemke hat vor knapp fünfzig Jahren angefangen, das Kino in Deutschland mit Unterhaltungswert aufzuladen, mit einem bis dahin unbekannten amerikanischen Flair, das sich in Sonnenbrillen und breiten Autos und Stewardessen ausdrückte. Stewardessen hatten damals großen cineastischen Wert, waren sie doch hübsch und schon beruflich mit einem glamourösen Strahlen verbunden, an das heute niemand mehr denkt.

Wo wären wir eigentlich ohne ihn? Würde München überhaupt existieren auf der Karte des internationalen Erfolgsfilms? Klaus Lemke wird 70 Jahre alt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Filme waren trotzdem meistens Jungsgeschichten, das Amerikanische darin war auch die Action, der unerbittliche Bezug zum Genrekino, die Jugend, die wilde Kamera oder die wilde Story. Das Wissen darüber holten Lemke und seine Freunde sich aus den täglichen Vorstellungen im Türkendolch-Kino, sowie aus den anschließenden, obsessiven Filmgesprächen bei Bier und Musikbox in der Kneipe "Bungalow" nebenan. Hier konnten dann mürrisch guckende Arbeiter miterleben, wie Lemke und die Gang - unter anderem Thome, Enke, Zihlmann, Müller - auszogen, um das langweilige deutsche Kino von seiner langweiligen deutschen Art zu befreien. Nach dem Erfolg ihrer Kurzfilme gab es ein Wettrennen, wer wohl den ersten Langfilm auf die Beine stellen würde. Lemke gewann, 1967 mit "48 Stunden bis Acapulco".

Diese Erinnerungen sind in die Geschichte eingegangen und mittlerweile auch oft genug wieder hervorgeholt worden. Die Legendenbildung läuft, seit eine neue Generation Klaus Lemke entdeckt hat. Hartnäckig sind die wenigen Cinephilen des Landes auf seiner Spur geblieben, befragen ihn zu seinen Ideen, die an Verrücktheit keinesfalls nachgelassen haben, und gucken entzückt seine unbekannteren Werke mit Titeln wie "Das Flittchen und der Totengräber".

Möglicherweise liegt es daran, dass Lemke seit etwa zehn Jahren wieder mehr Filme dreht und diese schneller ihren Weg zum Publikum finden. Jedenfalls kamen bald auch die Preise, die Porträts in den Feuilletons, die öffentliche Aufmerksamkeit hinterher. Das hat an Lemkes Guerillastil nichts geändert. Geld ist grundsätzlich knapp, jeder bekommt 50 Euro pro Tag, gedreht wird, was nottut. Als Darsteller nutzt er noch immer Laien, die er meistens in Cafés entdeckt, für sich einnimmt und für seine Filmideen gleich dazu. Mit dieser Methode hat er in den Siebzigern ein paar Helden geschaffen, Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek allen voran, die seinen Filmen damals einen ebenfalls ganz amerikanischen finanziellen Erfolg verschafften.

Die Laien bringen das Unvorhersehbare mit, zwischen Liebe und Action, Drama und coolen Sprüchen. Wobei die Liebe hier durchaus poetisch ist, aber oft auch schön unpoetischen Sex bedeutet, was die Sache vielleicht nicht besser, aber auf alle Fälle böser macht. Der böse Junge ist Klaus Lemke häufiger als früher, unverzichtbar in einer Zeit, in der Männer sich dauernd so kooperativ und gesprächsbereit geben. Das kann nicht das Konzept des Mannes sein, der 1972 in Hamburg das Meisterwerk "Rocker" gedreht hat und dazu echte Rocker verpflichtete. Von Altersmilde keine Spur.

Allmählich sieht er aus wie Belmondo, immer mit Schiebermütze, die Augen tief verschattet. Das ist sein Stilmittel für die Gegenwart. Früher hatte er Koteletten, aber die tragen jetzt seien Filme. Sie sind ein bisschen wüst und ziemlich funky, vor allem aber merkt man, dass in ihnen die Erfahrung aus einem ganzen Leben lauert, die Lemke nicht ungenutzt herumliegen lässt. Seine Storys sind glaubhaft in jeder Haltung, die sie einnehmen, sie können Armut oder Luxus zeigen, zu Resignation oder Rebellion motivieren. Man spürt in ihnen die Bekanntschaft mit dem Leben, und man wird immer Spuren von sich selbst darin finden.

Nun wird Klaus Lemke siebzig Jahre alt. Wir wünschen ihm dazu von allen Erfahrungen nur noch die besten.

© SZ vom 13.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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