Zum 25. Todestag von Romy Schneider:Eine veröffentlichte Frau

Romy Schneider: Die französische Presse hob sie in den Himmel, die deutsche Presse zog sie durch den Schmutz. Zur zerbrechlichen Diva wurde sie in den Augen der Öffentlichkeit erst nach ihrem Tod.

Michael Jürgs

Nach ihrem Tod hatte Romy Schneider mehr Bewunderer unter deutschen Journalisten als zu Lebzeiten. Das lag nicht nur an der goldenen Regel, über Tote nichts als Gutes zu erzählen, nihil nisi bene, sondern auch am schlechten Gewissen derer, die sich einst, Säuen gleich, die ihren Schorf an Bäumen abreiben, an ihr schreibend abgerieben haben. Viele von denen, darunter Begabte, die sich ihre Moral teuer abkaufen ließen, sind inzwischen auch im Jenseits. Ihre Namen bleiben deshalb post mortem unter uns.

So jener Autor, der das letzte Interview mit Romy Schneider drucken ließ, auf Nachfrage sogar das Datum nannte, an dem er es geführt hatte und erst dann betreten schwieg, als belegt wurde, dass sie just an dem Tag in Gegenwart ihres Anwalts in Zürich ihr Testament verfasst hatte. So jener Reporter, der sich im Dezember 1976 für ein Gespräch mit dem scheuen Star feiern ließ, in dem sie von ihren geheimsten Ängsten und Träumen sprach: "Ich sah einen riesigen Adler über mir kreisen, während ich meinen Sohn David ganz fest im Arm hielt, um ihn vor dem Raubvogel zu schützen".

Wie sich beim Verleumdungsprozess vor Gericht herausstellte, hatte er zuletzt neun Jahre davor mit ihr mal kurz gesprochen und für das erfundene jetzige Interview sein damaliges "eigenes Material durchgelesen, und zwar auf Punkte hin, die man möglicherweise mit aktuellen Dingen in Verbindung bringen könnte". Der Bauer Verlag, in dem das nie stattgefundene Gespräch erschienen war, musste auf Verlangen der siegreichen Klägerin fünftausend Mark an eine Stiftung für notleidende Künstler überweisen.

Die Dinge des Lebens

Die Biografie des nach dem Krieg einzigen deutschen Weltstars ist auch ein Stück deutscher Pressegeschichte und was Romy Schneider betrifft, gibt es in der nur wenige Ruhmesblätter. Sogar ihre Mutter ließ sich vor die Karren spannen und blauäugig durch den dann selbst aufgeworfenen Dreck ziehen. Nach dem Tod ihrer Tochter erschien von ihr eine Bild-Serie unter dem Titel "Leb wohl, Romy".

Verfasst mit Hilfe eines Ghostwriters, was in diesem Fall als Geisterfahrer zu übersetzen ist, in der zum Beispiel zu lesen war: "Das Ende ihrer Ehe kündigte sich vor Millionen deutschen Fernsehzuschauern an. Romy war in Köln, sollte mit Dietmar Schönherr eine Talkshow machen. Am Abend vorher rief sie mich an: Mami, meine Kehle ist wie zugeschnürt, ich bringe da kein Wort heraus. Sie brachte aber dann doch verräterische Worte heraus . . . der Ex-Zuchthäusler Schriftsteller und Schauspieler Burkhard Driest hatte gerade seine unbürgerliche Weltanschauung verkündet, da sagte Romy: Ich mag Sie, ich mag Sie sogar sehr . . ."

Eine veröffentlichte Frau

Eine schöne Geschichte, von Mutter Magda erzählt, was sollte daran nicht stimmen? Alles. Die Talkshow fand im Oktober 1974 statt, das Ende der Ehe mit Daniel Biasini konnte sich schon deshalb nicht in der Sendung angekündigt haben, weil Romy Schneider ihn erst im Dezember 1975 heiratete.

Sie war kein Engel, das stimmt. Aber Engel sind eh selten auf Erden. Sie liebte den Ruhm und sie hasste den Ruhm, weil sie den Preis ahnte, den sie einst würde bezahlen müssen.

Sie spielte in vielen sehenswerten Filmen. Zu denen gehört auch Helmut Käutners zartes Meisterwerk Monpti nach dem Roman Gabor von Vaszarys. Die Qualität ihrer Filme wurde aber im Mutterland Deutschland erst nach ihrem Tod anerkannt, während sie im geliebten Heimatland Frankreich dafür schon Starstatus genoss - Das Mädchen und der Kommissar, Nachtblende, Abschied in der Nacht, Die Dinge des Lebens, Eine einfache Geschichte, Das Verhör, Die Spaziergängerin von Sans-Souci.

Gnadenlos ausgeleuchtet und von Bluthunden gehetzt

Sie spielte auch mit der Presse. Als die sie hoch schrieb zur Kaiserin der deutschen Herzen, also nach den drei Teilen Sissi, las das junge Mädchen gern, wie begabt sie sei und wie wunderbar und schöner als alle anderen. Begriff erst spät, dass sie deshalb von meist denselben Reportern mit Hass-Tiraden überschüttet wurde, weil sie es gewagt hatte, Spießers Sissi-Land aus Liebe zu einem begnadeten Filou namens Alain Delon zu verlassen, um sich ihm und dem einstigen Erbfeind Frankreich hinzugeben. Auf dem Niveau der Zurückgebliebenen wurde sie als Flittchen, als Hure, als Vaterlandsverräterin oder wenigstens als dumme Liese bezeichnet.

Romy Schneider, die ein kluges Kind war, hat solche Typen verachtet, hat sie früh gerochen, aber es stank ihr erst spät so sehr, dass sie ihnen den Mittelfinger zeigte und nur noch mit wenigen sprach, selbst dann lieber schwieg, wenn es galt, bei einer Filmpremiere PR machen zu müssen. Ihr Lebensfreund Jean-Claude Brialy, den sie "Papa" nannte, sagte in einem Spiegel-Interview, dass sie sich "lieber von der französischen Presse verhätscheln als von der deutschen Presse kaputtmachen" ließ, und dass es nicht von ungefähr die Franzosen waren, die sie in einer Umfrage zur "größten Schauspielerin des 20. Jahrhunderts" gewählt hätten.

Dass Romy Schneider, die vor fünfundzwanzig Jahren in einer milden Mainacht in Paris starb, ausgerechnet in dem Moment, als sie an einem Brief saß, mit dem sie ein verabredetes Interview absagte, zeitlebens von den Kameras nicht nur geküsst, sondern bis zum letzten Augenblick gnadenlos ausgeleuchtet wurde, dass sie nicht nur von Schleim triefenden Bluthunden gejagt wurde, sondern auch sensibel von unbestechlichen Journalisten wie Alfred Nemecek beschrieben und von ihrem jüngeren Bruder Wolf liebevoll beschützt wurde, der seine ärztliche Schweigepflicht erst recht ernst nahm, wenn einer nach seiner Schwester fragte, gehört allerdings auch zur Wahrheit.

"Unsere Romy"

Da posthum verbale Vergewaltigungen aber straffrei bleiben, da sie nach ihrem Tod endgültig eine öffentliche Person geworden ist, hat es lange gedauert, bis sie nicht mehr wie ein Stück für jedermann, nicht mehr als "unsere Romy" behandelt wurde, sondern als zerbrechliche Diva mit allen Schwächen und allen Stärken. Also mit Anstand und der ihr gebührenden Würde.

Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sissi, schrieb unter dem Namen Titania, den sie sich nicht zufällig von der Elfenkönigin in William Shakespeares Sommernachtstraum entliehen hatte, sechshundert Gedichte. Eines unter vielen lautet: Nicht soll Titania unter Menschen gehen/ In dieser Welt, wo niemand sie versteht/Wo hunderttausend Gaffer sie umstehen/ Neugierig flüsternd: Seht die Närrin, seht/ Wo Missgunst neidisch pflegt ihr nachzuspähen,/Die jeder ihrer Handlungen verdreht,/Sie kehre heim in jene Regionen,/Wo ihr verwandte schön´re Seelen wohnen.

Mag sein, dass Romy Schneider es kannte. Erfahren wird man es nie.

Michael Jürgs ist Autor des 1991 erschienen Buches Der Fall Romy Schneider.

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