Zum Tod von Peter Alexander:Superstar des Eskapismus

Charisma, Charme und Dialekt: Peter Alexander war der Mann, der den Deutschen wieder erlaubte, sich selbst, ihre Heimat und ihre Sprache zu lieben.

Andrian Kreye

Peter Alexander ist tot. Für die heute Erwachsenen zwischen vierzig und sechzig wallen bei dieser Nachricht Kindheitserinnerungen auf. Ein unbestimmtes wohliges Gefühl schlägt einem da in den Reaktionen entgegen, ganz ähnlich wie dieses Wohlgefühl der Jüngeren, das Florian Illies im ersten Kapitel seines Bestsellers "Generation Golf" bei seinen Erinnerungen an kindliche Fernsehabende im vorgewärmten Frotteehandtuch vor Thomas Gottschalks Wetten, dass ..? beschrieb. Das Wohlgefühl wird es dann auch sein, was von ihm bleiben wird, neben Graf Bobby, und "Im Weißen Rößl", neben Hits wie "Badewannentango", "Heidschi Bumbeidschi" und "Die kleine Kneipe", neben den Fernsehjahren zwischen 1963 und 1995, in denen er mit seiner Show im ORF und ZDF Sehbeteiligungen von bis zu 71 Prozent verbuchte.

Zum Tod von Peter Alexander: Mit Peter Alexander durften die Deutschen nach dem Krieg erstmals wieder ihre Heimat lieben, ohne gleich an das Grauen der jüngsten Vergangenheit erinnert zu werden.

Mit Peter Alexander durften die Deutschen nach dem Krieg erstmals wieder ihre Heimat lieben, ohne gleich an das Grauen der jüngsten Vergangenheit erinnert zu werden.

(Foto: Barbara Kreye)

War man in den sechziger Jahren Kind einer bildungsbürgerlichen Familie, gehörte Peter Alexander eigentlich zu jener Sorte Pop, der man höchstens im Autoradio begegnete.

Und doch hatte Peter Alexander gerade im Deutschland der Fünziger und Sechziger Jahren eine Rolle, die weit über seine Filmfiguren und Schlagererfolge hinausging. Als Kind hätte man die nie begriffen, doch was von der kurzen Begegnung in einem Fernsehstudio an einem Nachmittag im Jahre 1967 hängenblieb, bestätigt im Rückblick noch heute, was seine eigentliche Leistung war.

Sicher, die Eltern hörten wenn überhaupt mal Pop nur Angelsächsisches wie die Beatles und die Stones. Immerhin wohnte man in Schwabing, da hatten die Krawalle schon fünf Jahre zuvor der bürgerlichen Kultur den Krieg erklärt. Doch damals war München nicht nur Zentrum neuer Subkulturen, sondern auch eine glamouröse Weltstadt, die auf der Reiseroute der Stars so selbstverständlich lag, wie Paris, New York und Saint Tropez.

Die junge Mutter und Bildjournalistin, die ihren Sohn damals oft zu Fototerminen mitnahm, war in ein Fernsehstudio bestellt. Peter Alexander nahm eine Revue dort auf, in der auch Tiere auftraten. Ein zahmer Leopard etwa, der sich fügsam von jenem Herrn streicheln ließ, der so überaus freundlich und elegant im Scheinwerferlicht saß. Charisma, Charme und Dialekt waren sicherlich keine Begriffe, mit denen man als Vierjähriger etwas hätte anfangen können. Aber einen so eleganten Herrn, dem die exotischen Tiere so offensichtlich dienstbar waren, und nicht umgekehrt, wie in Zoo und Zirkus, hatte man noch nie gesehen.

Was blieb, war das Echo einer wunderschönen Sprache. Ein wunderbar federnder Rhythmus, eine Wärme in den sonst so harten Konsonanten und so eine Grundlächeln im Ton wirkten da auf den naiven Kleinen wie die Begegnung mit einer Märchenfigur. Und als er schließlich nach geduldigem Posieren wieder von dannen ging, als er sich mit einem ungewohnten Gruß von der Mutter und mit einem gutmütigen Kopftätscheln vom Kleinen verabschiedete, hatte er schon jene Wirkung getan, mit der er so viele bezauberte, die den Gassenhauern und den braven Witzen, die er so meisterhaft beherrschte, eigentlich nichts abkonnten.

Heller Tenor mit seltenem Drall

Man sprach ja damals nicht darüber, aber Peter Alexander war der Mann, der den Deutschen wieder erlaubte, sich selbst, ihre Heimat und ihre Sprache zu lieben. Eben weil er kein Deutscher war. Der Wiener Dialekt nahm der deutschen Sprache die Schärfe, die sich so brutal ins kollektive Bewusstsein ihrer Zeit gerammt hatte. Sein spitzfindiger Humor gab seiner sentimentalen Heimatliebe etwas Leichtfüßiges, da durfte einem beim Anblick der majestätischen Berge und lieblichen Sommerlandschaften das Herz aufgehen, ohne dass die grauenerregenden Besitzansprüche an Land, Blut und Boden aufkochten, die aus Europa die Hölle gemacht hatten. Zwar hatte er Richard Wagner verehrt, als er nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1946 am Max Reinhardt Seminar Schauspiel studierte. Doch es war die Operette, mit der er zum Superstar reüssierte.

Für die Deutschen war Peter Alexander sicherlich eine Flucht aus der Vergangenheit in eine zeitlose Unschuld, die es vielleicht nie wieder geben durfte. Doch gerade deswegen konnte er an seiner Rolle als Superstar eines unbelasteten Eskapismus so ungestört wachsen. In Österreich selbst hatte er ja schon früh fast übermenschliche Züge angenommen. Da war er die einheimische Wiederkehr des überseeischen Frank Sinatra, den er so bewunderte. Er war der erste, der in Smoking und Fliege die große Welt des Entertainments in die Studios des ORF brachte und sie dort mit so souveränem Gestus präsentierte. Die wenigen subversiven Kanten, die er sich vom "Rat Pack" in Las Vegas abschaute, kamen in Deutschland ja kaum zum Tragen. Da verstand man die Größe nicht, mit der er Hans Moser imitierte, oder die diebische Freude, mit der er die Adels- und Hofratskultur der Österreicher mit seinen Witzen vom trotteligen Graf Bobby aushebelte.

Als er 1976 mit "In der kleinen Kneipe" die Volkskultur der Deutschen zum sentimentalen Radio-Augenblick veredelte, war er in beiden Ländern schon zur Inkarnation des Konsens geworden. Rock'n Roll und 1968 waren fast spurlos an ihm vorübergegangen. Seine harmlosen Zugeständnisse an den antiautoritären Kern der wilden Jahre in Komödien wie "Zum Teufel mit der Penne" und "Hurra, die Schule brennt" rückten ihn eher in die Nähe des betulichen Heinz Rühmann, als seine listige Graf-Bobby-Subversionen weiterzuführen. Peter Alexander war der Star, auf den sich Kinder, Eltern und Großeltern einigen konnten, wenn der Generationenkonflikt wie in so vielen Familien über den Musikgeschmack ausgetragen wurde.

Da kam ihm vor allem seine Stimme zu Hilfe, ein heller Tenor mit einem seltenen Drall. Der weckt einen ganz simplen Reflex im Hörer, der so ähnlich wirkt, wie das ansteckende Gähnen. Hört man beispielsweise den "Badewannentango", dann versucht der Kehlkopf unbewusst, Peter Alexanders Stimmbewegungen nachzuahmen. Und weil sein Drall wie die Muskelkontraktion wirkt, die gleich ein Lachen auslösen wird, drängt sich beim schlichten Lied diese gute Laune auf, die nur Melancholiker als aufdringlich empfinden.

Am vergangenen Samstag ist Peter Alexander in Wien verstorben. An diesem Montag soll er neben seiner Frau Hilde in einem Familiengrab im Wiener Stadtteil Grinzing bestattet werden. Er wurde 84 Jahre alt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: