Zum Tod von Heidi Kabel:Mutter Kabel war immer grün

Sie war der Star des Hamburger Ohnsorg-Theaters, sie machte Plattdeutsch im ganzen Land populär und hatte im Fernsehen späten Erfolg. Die beliebte Schauspielerin Heidi Kabel ist im Alter von 95 Jahren verstorben.

"Boulevard ist sehr schwierig. Die meisten verwechseln Heiterkeit mit Oberflächlichkeit." Heidi Kabel (1992)

Erst das Fernsehen hat Heidi Kabel berühmt gemacht, genauso wie die neulich verstorbene Opernsängern Anneliese Rothenberger. Dabei stand die Frau aus Hamburg die meiste Zeit ihres Lebens auf der Bühne: Die Schauspielerin aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater war weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus bekannt.

Sie begeisterte mit ihrem Plattdeutsch das Fernseh- und Theaterpublikum, egal, ob als tratschsüchtige Nachbarsfrau, keifender Hausdrachen, bauernschlaue Mutter oder schrullige Alte. An der Seite von Henry Vahl garantierte Heidi Kabel jahrelang ein volles Haus im Ohnsorg-Theater. 64 Jahre spielte sie dort. Besonders bekannt wurden Stücke wie Durchgangsverkehr, Der rote Unterrock oder Pension Sünnschien; die Aufführungen von Tratsch im Treppenhaus oder 1982 Die Kartenlegerin und Mutter Mews markierten Höhepunkte ihrer Karriere.

Die Übertragungen von der Ohnsorg-Bühne waren rasch Quoten-Klassiker des öffentlich-rechtlichen Programms. Auch neben ihren Paraderollen war Heidi Kabel immer wieder im Fernsehen zu sehen: So spielte sie im Mai 1992 eine Mutter und Firmenchefin in Mutter und Söhne, die sich über die Nachfolge für die Familienfirma Gedanken macht. Eine "Paraderolle", urteilte die Kritik übereinstimmend.

Nachdem sie schon 1990 mit Erni Singerl in der Serie Campingpark zu sehen war, spielten die beiden Anfang 1992 in der Serie Heidi & Erni Witwen desselben Mannes, die einander erstmals bei der Testamentseröffnung begegnen. Ein großer Spaß.

Die Schauspielkarriere der Hamburgerin begann zufällig. Eigentlich wollte sie Pianistin werden. Als 18-Jährige begleitete Kabel eine Freundin zum Vorsprechen und landete so selbst beim Ohnsorg-Theater. In den vierziger Jahren musste sie ihre schmale Gage durch Auftritte mit dem Schifferklavier aufbessern.

Nachdem ihr Mann Hans Mahler, den sie 1937 heiratete, nach dem Krieg die Theaterleitung übernommen hatte, erhielt sie größeren Einfluss auf ihre Rollen. Ihr Mann starb 1970. Tochter Heidi Mahler begann ihre Karriere in den sechziger Jahren ebenfalls dort und spielte oft neben ihrer Mutter.

Bis ins hohe Alter stand Heidi Kabel selbst auf der Bühne. 1992 gelang ihr nach zweijähriger Ohnsorg-Pause mit der Komödie Manda Voß ward 106 ein triumphales Comeback. "Das Lachen ist das Wichtigste, für mein Publikum und für mich", sagte Kabel einmal.

Unpolitisch war die Volksschauspielerin dabei nie: 1997 machte sie Wahlkampf für die damalige grüne Hamburger Wissenschaftssenatorin Krista Sager. "Ich war schon immer grün", outete sich Heidi Kabel. Später tauchte sie bei einem Wahlkampfauftritt von Kanzler Gerhard Schröder auf.

In Hamburg sagt man tschüss, so hieß der Schlager, den Kabel wohl am häufigsten sang. Über ihren endgültigen Abschied von der Bühne 1998 sagte sie: "Ich wollte in Würde abtreten, bevor ich meinen Text nicht mehr behalten kann."

Dabei hatte sie sich einst gewünscht, bis zur letzten Minute auf der Bühne zu stehen, "solange der liebe Gott mich lässt". Am Lebensende litt Heidi Kabel an Demenz, wie ihre Familie mitteilte. Sie bekam regelmäßig Besuch von ihrer großen Familie aus drei Kindern und zahlreichen Enkeln und Urenkeln.

Vor drei Jahren kehrte sie noch einmal an der Seite ihrer Tochter für eine Nebenrolle in dem Detlev-Buck-Kinderfilm Hände weg von Mississippi zur Schauspielerei zurück. Sie lebte zuletzt in einem Altenstift im Hamburger Stadtteil Othmarschen. Heidi Kabel, die große Volksschauspielerin, ist nun im Alter von 95 Jahren verstorben.

Heidi Kabel über ihren Job:

"Ich bin glücklich über das Prädikat Volksschauspielerin. Die Leute identifizieren sich mit mir und fühlen sich mit mir in den Stücken verbunden."

... über ihre Lebenshaltung:

"Wie die Stücke auf mich zukommen, so kommt auch das Leben. Und wie der Augenblick ist, so handle ich."

... über ihr Leben:

"Nee, ich bin nie auf die Idee gekommen, mich selbst zu verwirklichen. Dazu hatte ich keine Zeit."

... über ihren Erfolg:

"Es gibt für mich nichts Schöneres, als mein Publikum zum Lachen, zum Nachdenken und zum Weinen zu bringen."

... über Lebensweisheit:

"Ich habe immer versucht, mit beiden Beinen auf der Erde zu bleiben, habe nie versucht, mir Wolkenkuckucksheime zu bauen, und ich bin ganz gut damit gefahren."

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