Zum Tod von Alan Rickman:Alan Rickman - herrlich böse, britisch und gelassen

Als schnarrender deutscher Terrorist wurde er bekannt, als sinistrer Zauberer weltberühmt. Sich selbst hat er dabei nie sonderlich ernst genommen.

Nachruf von David Steinitz

Als der britische Schauspieler Alan Rickman 1987 nach Hollywood ging, um sich nach Rollen umzusehen, waren die Wartezimmer der Castingagenturen überfüllt mit aufgeregten Jungschauspielern, die auf ihren Durchbruch warten. Rickman hatte im Gegensatz zu seinen Konkurrenten einen Vorteil: Er war weder sehr aufgeregt noch besonders jung.

Genauer gesagt, war er mit 41 ein absoluter Berufsspätzünder, und vielleicht hat ihm gerade diese Tatsache zu jener Lässigkeit verholfen, die ihm zwei Tage nach seiner Ankunft in Los Angeles einen merkwürdigen Job einbrachte: Der Engländer Rickman sollte einen deutschen Terroristen spielen, der sich an einem tadellosen amerikanischen Akzent versucht. Auf so bescheuerte Hollywoodideen hatten sie ihn daheim, an der Royal Academy of Dramatic Art in London, nicht vorbereitet.

Was Rickman aus dieser Rolle machte, war trotzdem herrlich und filmgeschichtswürdig. Er erfand mit dem Terroristen Hans Gruber in "Stirb Langsam" (1988) einen schmierigen neuen Typus Filmbösewicht, der die kommenden Jahre zum Schurken-Prototyp in Actionfilmen wurde. Der Anfang einer großen Karriere als professioneller Filmschurke, der die glatten Heldenfiguren des Hollywood-Hochglanzkinos ziemlich blass aussehen ließ.

Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der arme Kevin Costner im Schneideraum stinkwütend darauf bestand, Rickman so weit wie möglich aus "Robin Hood" herauszuschneiden, weil er sich von ihm an die Wand gespielt fühlte. Rickman verkörperte den Sheriff von Nottingham gleichzeitig als Hommage und als Parodie. Und wie er da durch den Sherwood Forest tobte, sah er aus, wie eine lebendig gewordene, manisch-depressive Cartoonfigur. Sprich: ganz große Schauspielerkunst, auf einem Niveau, das vielleicht nur besonders begabten Spätzündern vorbehalten ist, die in ihrem ganz eigenen Tempo in die Luft gehen müssen.

Die Sache mit der Schauspielerei war Rickman erst spät eingefallen, als er längst erfolgreicher Grafikdesigner war. "Graphiti" hieß seine Agentur. Keine schlechte Zeit, sagte Rickman später, vor allem ein guter, sicherer Job - und als anständiger Arbeiterklassenengländer war ihm das wichtig: "Ich bin quasi mit einem Parteibuch der Labour Party geboren worden."

Der Tick fürs Theater

1946 war das, im Londoner Stadtteil Hammersmith. Seine Eltern waren Fabrikarbeiter, der Vater starb, als Alan acht war, eine höhere Schule konnte er nur aufgrund eines Stipendiums besuchen.

Das große Problem des später so erfolgreichen Grafikdesigners Rickman war, dass er nach Feierabend einen entscheidenden Tick zu gerne ins Theater ging. Und zwar so gerne, dass er sich mit 26 an der Royal Academy of Dramatic Art bewarb. Diese Academy ist wahrlich nichts für verschüchterte Seelen, Leinwandlegenden wie Peter O'Toole, Vivien Leigh und Anthony Hopkins haben hier studiert.

Alan Rickman

Sich selbst habe er nie sonderlich ernst genommen, sagte Rickman einmal.

(Foto: Carl Court/AFP)

Meisterlich überdreht

Die Kunst der Zuschauerverführung als dekadenter Widerling wandte Rickman nach der Schauspielausbildung zunächst vor allem am Theater an. Seine meisterlich überdrehten Auftritte ließen den konservativen Londoner Theaterzuschauern der späten Thatcher-Jahre den Mund offen stehen. Auch die sanft verklemmten Amerikaner machte er auf der Bühne sehr nervös, zum Beispiel mit seiner Darstellung des Vicomte de Valmont in "Gefährliche Liebschaften" am Broadway. Parallel trat er in Fernsehproduktionen auf, aber weil die BBC damals noch mehr Fünfuhrtee als Serienkaderschmiede war, erwiesen sich diese Jobs als nicht befriedigend. Rickman setzte sich in den Flieger, stieg in Los Angeles aus und wurde Filmstar.

Von nun an konnte er das tun, was nur einem winzigen Prozentsatz aller Schauspieler vergönnt ist: Er konnte drehen, worauf er Lust hatte. "Sinn und Sinnlichkeit" etwa, 1995 mit Ang Lee, oder "Love Actually/Tatsächlich Liebe", 2003, vom britischen Komödienmeister Richard Curtis.

Seine absolute Überrolle aber wurde eine andere: Zwischen 2001 und 2011 spielte er ganze achtmal den sinistren Severus Snape in den "Harry Potter"-Filmen. Der allgemeine Tenor: Idealbesetzung. Aber die Kunst des Alan Rickman war zu diesem Zeitpunkt doch längst britisches Kulturgut geworden, die "Potter"-Erfinderin J.K. Rowling hatte ihn bereits beim Schreiben des ersten Romans als Snape-Vorbild im Kopf, lange bevor es an eine Verfilmung ging oder sie wusste, ob sie überhaupt ein einziges Buch verkaufen würde. Sie hat Rickman im Lauf der Dreharbeiten dann immer wieder geheime Informationen über den Verlauf der Handlung zugespielt, damit er ihren und seinen Snape auch mit der richtigen Doppelbödigkeit spielen konnte.

Rickman machte Snape zu einem ganz famosen Zauberburschen, zwischen Emo und Aristokrat. Allein den Namen des Zauberlehrlings Harry Potter konnte er mit seiner tiefen, bebenden Stimme so merkwürdig betonen, dass es nach Drohung, Fluch und Segen zugleich klang, mit leichter Ironie im Nachklang.

"Ich nehme", sagte er in einem seiner zahlreichen "Potter"-Interviews, "meinen Job sehr ernst. Und zwar, indem ich mich selbst nicht sonderlich ernst nehme." Am Dienstag ist der große Zauberer und Schauspieler Alan Rickman im Alter von 69 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.

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