Zum 125. Geburtstag Franz Kafkas:Sprache als Lebensstoff

Seine Literatur speist sich aus der Wirklichkeit, aber er befreit sie vom Alltäglichen: Franz Kafkas Geschichten gehen den Menschen noch immer weltweit unter die Haut. Sein Leben in Bildern.

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Kafka als Gymnasiast, Foto: © Hartmut Binder

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Seine Literatur speist sich aus der Wirklichkeit, aber er befreit sie vom Alltäglichen: Franz Kafkas Geschichten gehen den Menschen noch immer weltweit unter die Haut. Zum 125. Geburtstag sein Leben in Bildern.

Franz Kafka in Schuluniform: Auf Wunsch seines Vaters besuchte der am 3. Juli 1883 in Prag geborene Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie das humanistische Staatsgymnasium in der Prager Altstadt. Wie Kafka seine Kindheit empfand, schilderte er später...

Foto: © Hartmut Binder

Brief in Faksimile und Transkription: © Joachim Unseld: Franz Kafkas Brief an den Vater, Hamburg, 1968

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...in seinem 1919 verfassten "Brief an den Vater": "Ich war ein ängstliches Kind, trotzdem war ich gewiß auch störrisch, wie Kinder sind, gewiß verwöhnte mich die Mutter auch, aber ich kann nicht glauben, daß ich besonders schwer lenkbar war, ich kann nicht glauben, das ein freundliches Wort, ein stilles Bei-der-Hand-nehmen, ein guter Blick mir nicht alles hätte abfordern können, was man wollte." Kafka schickte den Brief allerdings nie ab.

Brief in Faksimile und Transkription: © Joachim Unseld: Franz Kafkas Brief an den Vater, Hamburg, 1968

Lebenslauf von Frank Kafka, © Assicurazioni Generali, Triest

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Die Versicherungsgesellschaft "Assicurazioni Generali" war die erste Berufsstation Kafkas nach seinem abgeschlossenen Jurastudium. Mit einem handgeschriebenen Lebenslauf (Foto) bewarb er sich und bekam die Anstellung. Sie sollte allerdings nur eine Durchgangsstation bleiben (Oktober 1907 bis Juli 1908).

Von 1908 bis 1922 arbeitete Kafka in der "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen" (AUVA). Für ihn bedeutete das zwei Leben: Von 8 bis 14 Uhr befasst er sich mit Arbeitsunfällen in Fabriken und wie sie zu verhindern wären. Er plädiert für die Einführung runder Wellen in Hobelmaschinen statt der gefährlichen Vierkantwellen und schlägt sich mit Fabrikanten herum, die sich gegen die Versicherungsbeiträge wehren.

Und nachts, wenn die Wohnung endlich ruhig geworden ist, schreibt er seine Geschichten. Welches Leben sein eigentliches ist, stand für ihn fest, aber seinen Eltern hätte er es nie begreiflich machen können: "Er hat das Bewusstsein gehabt, dass er in der Sprache lebt. Die Sprache war sozusagen sein Sauerstoff, sein Lebensstoff", sagt sein Biograf Reiner Stach.

Foto: © Assicurazioni Generali, Triest

Grundriss der Wohnung im Mietshaus "Zum Schiff", Foto: © Hartmut Binder

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In das Mietshaus "Zum Schiff" war die Familie Kafka im Juni 1906 gezogen. In der Wohnung, die auch als Vorbild für die Örtlichkeiten in Kafkas herausragender Erzählung "Die Verwandlung" diente, logierte die Familie bis zum November 1913.

Das Bild zeigt den Grundriss der Wohnung, unter deren ungünstiger Aufteilung Kafka sehr litt. Zwar besaß er ein eigenes Zimmer, was für damalige Verhältnisse einen Luxus darstellte. Gleichwohl hatte er kaum Rückzugsmöglichkeiten, da sein Zimmer das Durchgangszimmer zwischen Wohn- und Schlafraum der Eltern war.

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Felice Bauer, 1914, Foto: © S. Fischer Verlag

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Franz Kafka lernte die Berliner Angestellte Felice Bauer am 13. August 1912 in der Wohnung seines Mentors Max Brod kennen.

Eine Woche später schrieb er über diese Begegnung in sein Tagebuch: "Frl. Felice Bauer. Als ich am 13. VIII zu Brod kam, saß sie bei Tisch und kam mir doch wie ein Dienstmädchen vor. Ich war auch gar nicht neugierig darauf, wer sie war, sondern fand mich sofort mit ihr ab. Knochiges leeres Gesicht, das seine Leere offen trug. Freier Hals, überworfene Bluse. (...) Fast zerbrochene Nase. Blondes, etwas steifes, reizloses Haar, starkes Kinn."

Trotz dieses wenig verheißungsvollen ersten Eindrucks näherten sich Kafka und Bauer in der Folge an und verlobten sich sogar. Allerdings war Kafka von ständigen Zweifeln über die Richtigkeit dieser Verlobung befallen, die er in etwa 300 Briefen an Bauer niederschrieb. Nach zwei Jahren kam es am 1. Juni 1914 zur offiziellen Verlobung in Berlin, die allerdings schon nach sechs Wochen wieder aufgelöst wurde.

Auch in der Folge blieb Kafkas Verhältnis zu Frauen schwierig, kam es doch zu zwei weiteren Verlobungen, die wieder gelöst wurden: zunächst noch einmal mit Felice Bauer (1917), dann mit der Prager Sekretärin Julie Wohryzek (1919). In seinem Verhältnis zu der Journalistin Milena Jesenská wiederholte Kafka dann 1920/21 das Verhaltensmuster der brieflichen Annäherung, der Zweifel und der Rückzug folgen. Aber nicht nur Kafka machte den Frauen das Leben schwer, bisweilen geschah das auch umgekehrt ...

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Hansi Juliane Szokoll und Franz Kafka, Foto: © Max-Brod-Archiv, Tel Aviv

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..., etwa durch die aus Wien stammende, drei Jahre jüngere Hansi Juliane Szokoll.

Kafkas langjähriger Feund Max Brod schrieb über die Romanze: "Ich erinnere an seine Leidenschaft zu einer Weinstubenkellnerin namens Hansi, von der er einmal sagte, ganze Kavallerieregimenter seien über ihren Leib geritten. Franz war in dieser Liaison sehr unglücklich." Erst in den letzten Monaten seines Lebens war Kafka eine erfüllte Beziehung vergönnt, die zu der ...

Foto: © Max-Brod-Archiv, Tel Aviv

Dora Diamant, © Lask Collection, Berlin

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... Kindergärtnerin Dora Diamant, die zu seiner letzten Lebensgefährtin werden sollte. Der Schriftsteller lernte sie im Juli 1923 im Ostseebad Graal-Müritz kennen und bezog mit ihr wenig später eine Wohnung in Berlin-Steglitz.

Seine Freude darüber drückte Kafka in einem Schreiben an Tile Rößler im August 1923 aus: "(...) besonders Dora, mit der ich am meisten zusammen bin, ist ein wunderbares Wesen." Doch dem Paar war nur ein kurzes Glück verheißen: Schon im September 1923 verschlechterte sich Kafkas Gesundheitszustand deutlich, und bereits ein knappes Jahr nach der Bekanntschaft mit Diamant verstarb der Dichter am 3. Juni 1924.

Foto: © Lask Collection, Berlin

Blick ins Café Arco, 1907, © Hartmut Binder

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Blick ins Café Arco, 1907. Neben dem Café Continental zählte das "Arco" zu jenen Kaffeehäusern Prags, in dem Künstler und Literaten ein und aus gingen: "Hierher kam auch öfters Max Brod, und mit ihm einmal ein neuer, stiller, sehr schmaler und dunkler Jüngling, eine Erscheinung wie ein spanisch-arabischer dichtender Prinz des Mittelalters aus Cordoba oder Toledo, olivenbraun, mit ganz schwarzen Augen und einer merkwürdigen mädchenhaften, sanften Stimme, die am schönsten war, wenn sie schwärmte: Franz Kafka." Aus: Willy Haas: "Prag und die Prager. Dreimal die Stimme des Todes." In: Prager MIttag 1, Nr. 7 (7.8.1933), S. 3.

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Blick aus Kafkas Wohnung im Schönborn-Palais auf die Prager Burg

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Das Palais Schönborn war der letzte Versuch Kafkas, selbständig in Prag zu leben. Der Schriftsteller fand am Fuße des Laurenziberges auf der Kleinseite ein luxuriöses Zuhause, das ihm einen phänomenalen Blick auf die Prager Burg gestattete.

Als ihm ein Makler die Wohnung nannte, konnte er es zunächst kaum fassen: "Es war wie die Erfüllung eines Traumes. Ich ging hin. Zimmer hoch und schön, rot und gold, wie etwa in Versailles. Vier Fenster in einen ganz versunkenen stillen Hof, ein Fenster in den Garten. Der Garten! Wenn man in den Torweg des Schlosses kommt, glaubt man kaum, was man sieht. Durch das Halbrund des von Karyatiden flankierten zweiten Tores sieht man von schön verteilten, gebrochenen verzweigten steinernen Treppen an den großen Garten eine weite Lehne langsam und breit hinaufsteigen bis zu einer Gloriette." (Brief an Felice Bauer 1916/17).

Kafka genoss die Aussicht der Wohnung allerdings nicht lange. Nachdem bei ihm 1917 nach einem Blutsturz Tuberkulose diagnostiziert worden war, zog er wieder in die elterliche Wohnung. Obwohl die Krankheit damals...

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Franz Kafka auf dem Altstädter Ringplatz, Prag, Foto: © Deutsches Literaturarchiv, Marbach/N.

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... nicht heilbar war, verbesserte sich sein Gesundheitszustand wieder. Im Herbst 1918 erkrankte Kafka dann allerdings an der Spanischen Grippe, die eine mehrwöchige Lungenentzündung nach sich zog. Trotz zahlreicher Kuraufenthalte ging es danach kontinuierlich mit Kafkas Gesundheit bergab.

Die Tuberkulose raubte ihm allmählich das Sprechvermögen, und er konnte nur noch unter Schmerzen Nahrung zu sich nehmen. Der Dichter und Übersetzer Rudolf Fuchs nahm die Auszehrung Kafkas wahr: "Dann sah ich ihn in der letzten Zeit seines Lebens. Er war mager geworden, sprach heiser und atmete schwer. Er trug auch bei kalter Witterung einen leichten Mantel. Auf der Gasse zeigte er mir, wie ihm der Mantel weit sei und wie er sich angenehm trage, ohne seine Brust beim Atmen zu beengen. Er turnte förmlich darin."

Das Bild zeigt Kafka rund zwei Jahre vor seinem Tod auf dem Altstädter Ringplatz in Prag um 1922.

© Deutsches Literaturarchiv, Marbach/N.

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