Zensur: "Die Band von nebenan":Die wollen nur spielen

Der neue Film "Die Band von nebenan" hat weltweit Erfolg - nur nicht in Ägypten. Arabische Zensoren verbieten eine Aufführung im Nachbarland.

Thorsten Schmitz

Als der neue internationale Flughafen von Tel Aviv im Herbst 2004 eröffnet wurde, wurde eine Nacht lang in dem imposanten Gebäude gefeiert. Der High-Tech-Airport löst den museumsreifen Vorgänger ab, in dem man außer Produkten vom Toten Meer kaum etwas kaufen konnte.

Zensur: "Die Band von nebenan": "Die Band von nebenan" irrt orientierungslos umher.

"Die Band von nebenan" irrt orientierungslos umher.

(Foto: Foto: dpa)

Im neuen Terminal 3 sind nun auch internationale Designer vertreten, in der Abflughalle fällt alle halbe Stunde Regen von der Decke in ein Bassin, das sorgt für ein gutes Klima. Und durch den neuen Bahnanschluss braucht man jetzt auch nur noch zwölf Minuten vom Flughafen bis nach Tel Aviv. Das schafft kein Taxi.

Nicht-Verhältnis zwischen Arabern und Israelis

An alles hatten die Architekten gedacht. Nur nicht an alle. Schlicht vergessen hatten die Flughafenplaner die mehr als eine Million in Israel lebenden Araber. Sämtliche Schilder und Wegweiser auf dem Flughafen waren nur in den Sprachen Hebräisch und Englisch beschriftet, nicht aber in Arabisch. Es sollten dann noch Wochen vergehen, bis jedes Schild und jeder Wegweiser auch auf Arabisch Reisende aufklärte.

Eran Kolirin kann sich noch gut an den Fauxpas erinnern. Er hat Zeitungsartikel über den peinlichen Vorfall archiviert. Darin wurde das Vergessen der Araber als symptomatisch für das Nicht-Verhältnis zwischen Arabern und Israelis beschrieben. In gewisser Weise ist Kolirin den fehlenden arabischen Wegweisern auch zu Dank verpflichtet. Er hat die Episode in seinen Film "Die Band von nebenan" integriert, der am Donnerstag in Deutschland startet.

Kalter Friede

Die Geschichte beginnt mit einem Polizeiorchester aus Ägypten in hellblauen Phantasieuniformen, das gerade auf dem neuen Flughafen gelandet, aber nicht abgeholt worden ist. Orientierungs- und hilflos irren die Musiker aus Alexandria im Flughafenterminal umher. Arabisch spricht niemand, und die hebräischen Schriftzeichen können sie nicht entziffern.

Also schlagen sie sich mit Not-Englisch durch, weshalb sie dann in einem Bus landen, der sie nicht nach Petach Tikwa bringt, wo sie eigentlich die Eröffnung eines arabischen Kulturzentrums musikalisch begleiten sollen. Sondern in das fast gleich klingende Kaff Bet Hatikva, eine trostlose Kleinstadt im Süden Israels, wo es weder ein arabisches Kulturzentrum noch Hotelzimmer gibt.

Der oft komische, manchmal melancholische Film über das gestrandete ägyptische Orchester ist eine Parabel über die mögliche Verständigung zweier Völker. Die Völker verbindet in der Wirklichkeit allerdings nichts weiter als ein kalter Frieden und ein Vertrag aus dem Jahre 1979. Im Film nähern sich die acht Musiker - mit unterschiedlichem Erfolg - den jüdischen Bewohnern und Bewohnerinnen der Kleinstadt an. Es wird Musik gespielt, geflirtet, getanzt, getrunken. Und das einen ganzen Abend und eine ganze Nacht lang, bis die Truppe am nächsten Morgen den ersten Bus zum arabischen Kulturzentrum nimmt.

Hollywood zeigt Interesse

Kolirins Debütfilm ist eine der erfolgreichsten israelischen Produktionen in jüngster Zeit überhaupt. Seit vier Monaten läuft er in den israelischen Kinos. Hier haben ihn mehr als 200000 Menschen gesehen, bei einem Sieben-Millionen-Volk eine "gigantische Zahl", wie Kolirin findet. Auch international wird der Film gefeiert. Der Regisseur kann sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass kein europäischer Produzent bereit war, den Film mitzufinanzieren, "weil er zu wenig vom Nahost-Konflikt erzählt".

Und trotzdem reist der 34-Jährige seit Wochen von einem Festival zum nächsten. Die halbe Welt hat er bereits gesehen. Er war in Tokio, Kopenhagen, Los Angeles, Warschau, Taipeh, Bangkok, Paris und auch auf dem Filmfest in München. In Zürich hat "Die Band von nebenan" den Hauptpreis gewonnen, ebenso in Tokio, in Cannes den "Jugendpreis". In Israel hat die zärtliche Komödie acht "Ophirs", das Pendant zum Oscar, gewonnen und beim Europäischen Filmpreis in Berlin zwei Preise eingeheimst, einen für den israelisch-arabischen Schauspieler Sasson Gabai, der den Chef der Polizeitruppe spielt, und einen für Kolirin selbst, als "Neuentdeckung des Jahres".

In den kommenden Wochen wird Kolirin nach Palm Springs und nach Belgrad reisen - und "versuchen, auf dem Boden zu bleiben", wie er sagt. In Los Angeles habe er schon Gespräche mit Hollywood-Produzenten geführt, das sei "wie im Film gewesen". Eine Oscar-Nominierung für die Kategorie "bester fremdländischer Film" wurde allerdings abgelehnt, weil die meisten Dialoge in Kolirins Film in Englisch geführt werden - wenn auch in einer radebrechenden Version.

Vision und triste Wirklichkeit

Während die Komödie weltweit als Paradebeispiel für israelisch-arabische Verständigung gewürdigt wird, bleibt es vorerst beim kalten Frieden zwischen den Nachbarstaaten Ägypten und Israel. Ursprünglich sollte der Film auf dem Filmfestival in Kairo Anfang Dezember seine Ägypten-Premiere haben. Doch die ägyptischen Zensoren aus dem Kulturministerium verhinderten gemeinsam mit den Festivalorganisatoren eine Aufführung.

Es solle nicht der Eindruck entstehen, hieß es, zwischen Israel und Ägypten herrschten "normale Beziehungen". Aus Protest will nun der israelische Botschafter in Kairo, Schalom Cohen, in den Räumen seiner Residenz dem Debütfilm von Kolirin doch noch zu einer Ägypten-Premiere verhelfen. Kolirin würde das freuen: Er war noch nie im Nachbarland.

Unbeirrt von der ablehnenden Haltung Ägyptens sandten die Produzenten auch eine Kopie an die Organisatoren des Filmfestivals von Abu Dhabi. Wunderbarerweise wurde der Film akzeptiert und Kolirin zur Premiere eingeladen. Doch eine Woche vor der geplanten Abu-Dhabi-Premiere wurde der Filmemacher wieder ausgeladen. Es heißt, Ägypten habe damit gedroht, nicht an dem Festival teilzunehmen, wenn "Die Band von nebenan" gezeigt werde.

Dass die Filmwirklichkeit schöner ist als der israelisch-ägyptische Alltag, belegt auch eine Entscheidung der israelischen Fluggesellschaften Arkia und El Al, die Flüge zwischen Tel Aviv und Kairo anbieten. Die Verbindungen sollen ab Februar eingestellt werden, die Strecken rentierten sich schon lange nicht mehr. Seit Jahren finanziert der israelische Staat die - leeren - Flüge zu 75 Prozent.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: