Zeitgenössischer Tanz:Fragen für alle

Die "Tanzwerkstatt Europa" eröffnet mit einem Stück im öffentlichen Raum und bleibt ihrem experimentierfreudigen Ruf im weiteren Programm treu

Von Rita Argauer

Zeitgenössischer Tanz gilt nicht als eine besonders zugängliche Kunstform. Denn während das klassische Ballett aus der Verbindung von spektakulär anmutender Technik und märchenhaften Handlungen in musealer Inszenierung doch auch ein fachfremdes Publikum zu beeindrucken weiß, wirkt der moderne Tanz oft wie eine introspektive Bewegungssuche, die weniger auf Sensation, denn auf eine gewisse Sonderbarkeit setzt. Doch es geht hier auch um etwas anderes als um Zirkuspferdchen-Virtuosität. Besonders bei der "Tanzwerkstatt Europa", dem neben der Tanzbiennale "Dance" sperrigeren Tanzfestival-Format Münchens, sollen in erster Linie "neue Möglichkeitsräume" für den Tanz entdeckt werden, wie Walter Heun es ausdrückt, der künstlerische Leiter der zehntägigen Tanztage.

Zeitgenössischer Tanz: Wer hat eine Antwort? Vielleicht der slowakische Tänzer Milan Tomášik, der seine Arbeit "Solo 2016" in der Muffathalle zeigt.

Wer hat eine Antwort? Vielleicht der slowakische Tänzer Milan Tomášik, der seine Arbeit "Solo 2016" in der Muffathalle zeigt.

(Foto: Ctibor Bachraty)

Gerade weil die Tanzwerkstatt als experimentell gilt, eröffnet man in diesem Jahr nun mit einem Stück für alle und in aller Öffentlichkeit: Der katalanische Künstler Quim Bigas ist mit "Molar" zum ersten Mal in München zu Gast. Die performative Arbeit experimentiert zwar mit Versatzstücken der Popkultur, soziologischen Ansätzen und Forschungen aus der Informationswissenschaft. Doch wenn der katalanische Künstler die Choreografie im öffentlichen Raum, genauer auf dem Wittelsbacherplatz, für Publikum wie zufällige Passanten öffnet, wird der Tanz im Idealfall zur gesellschaftlich übergreifenden ästhetischen Erfahrung.

Zeitgenössischer Tanz: Tomášik gibt auch einen Workshop zu glücklichen Füßen und verspielter Präsenz.

Tomášik gibt auch einen Workshop zu glücklichen Füßen und verspielter Präsenz.

(Foto: Ctibor Bachraty)

Das passt zu den Workshops, die ja auch immer noch die Hälfte des Angebots der Tanzwerkstatt ausmachen, genauso wie zu dem einzig nicht zeitgenössischen Programmpunkt, den Heun in diesem Jahr gesetzt hat: Ruth Childs, die Nichte der US-amerikanischen Tanzikone Lucinda Childs, führt drei derer Stücke neu auf. Der Tanzstil und die über den Tanz hinausreichenden Ambitionen dieser Choreografien aus den Sechzigerjahren hätten ebenfalls eine "offene Gesellschaft" eingefordert, erklärt Heun. Für Heun, der so auf das Neue und das Gegenwärtige im Tanz pocht, sind diese Wiederaufführungen also kein Widerspruch. "Ungefähr alle zehn Jahre findet ein Generationswechsel im Tanzpublikum statt", erklärt er, das "historisch orientierte Programm" zeige eine künstlerische Handschrift, die den Tanz verändert habe. Was denn jetzt wirklich die gegenwärtige künstlerische Handschrift des modernen Tanzes sei, das vermag jedoch auch Heun nicht zu beantworten. Was ihm auffällt: Die heutigen Choreografen arbeiten weniger mit festen Bewegungsidiomen, sondern: "Es geht mehr um Fragestellungen auf der Bühne und Befragungen der Kunst."

Tanzwerkstatt Europa, Mittwoch, 2., bis Samstag, 12. August, Programm unter www.jointadventures.net/tanzwerkstatt-europa

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