ZDF: Nikolaus Brender:Robespierre beim ZDF

So banal funktioniert Macht im Fernsehen: Der "staatsferne" Verwaltungsrat murmelt etwas von schlechten Quoten und zu langer Amtsdauer. Und beschließt dann über Nikolaus Brenders Schicksal.

Kurt Kister

Chefredakteure sind meist nicht so einflussreich, wie dies ihre Untergebenen glauben, sie sind praktisch nie so wichtig, wie sie sich selbst nehmen und sie wollen selten die Welt oder auch nur die Zeitung so verändern, wie ihnen das gerne von Lesern oder Zuschauern unterstellt wird. Ihr symbolischer Wert allerdings ist hoch, zumal in Zeiten in denen die Neubesetzung oder Bestätigung einer Chefredaktion ansteht.

ZDF: Nikolaus Brender: Nikolaus Brender: Ein profilierter Journalist und gelegentlich problematischer Chef.

Nikolaus Brender: Ein profilierter Journalist und gelegentlich problematischer Chef.

(Foto: Foto: dpa)

Ein Chefredakteur verkörpert "sein" Medium, weswegen jene, die ihn (leider noch viel zu selten: sie) berufen können, sonderbare Kapriolen schlagen, wenn sie befürchten der Neue könne in Botmäßigkeit, Auftreten, Einstellung oder sonstigen schwer zu messenden Kriterien nicht dem entsprechen, was "man" sich heimlich oder unheimlich von ihm erwartet.

Beim ZDF beschließt am Freitag der Verwaltungsrat über das Schicksal des noch bis April 2010 amtierenden Chefredakteurs Nikolaus Brender. Eigentlich wäre dies nur für eine begrenzte Anzahl von Menschen relevant: für ZDF-Mitarbeiter, Medienjournalisten, einen Teil der politischen Klasse, vielleicht noch für besonders interessierte Zuschauer. Der ZDF-Verwaltungsrat aber ist das beste und gleichzeitig schlimmste Beispiel dafür, wie Parteipolitiker versuchen, sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen als Beute zu erhalten.

Über Brender, einen profilierten Journalisten und gelegentlich problematischen Chef, entscheiden 14 Verwaltungsräte, die nicht den Buchstaben nach, aber de facto so gut wie alle unter (partei)politischen Kriterien bestimmt worden sind, darunter Roland Koch, Kurt Beck und Edmund Stoiber. Die Zusammensetzung entspringt einer längst zur Farce gewordenen Vorstellung, dass Vertreter von Ländern und Institutionen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrollieren müssten, um Ausgewogenheit und - ausgerechnet! - "Staatsferne" zu garantieren.

Diese Vertreter aber sind Parteipolitiker oder Nahesteher, sodass im ZDF weniger der große Fernsehrat als vielmehr der kleinere Verwaltungsrat eigentlich ein staatsnahes Gremium ist. Man kann mit Fug und Recht der Ansicht sein, dass die Gremienkonstruktion beim ZDF dem Gebot der Staatsferne widerspricht und damit verfassungswidrig ist.

Auch in der anders organisierten ARD spielen die Parteien in den Gremien wichtige Rollen; im Vergleich zum westdeutschen Lagerdenken vor 20 Jahren haben sich allerdings sogar im Bayerischen Rundfunk (BR) die Zugriffe der Mehrheitspartei abgeschwächt. Schon richtig, auch heute würde im BR kein "Linker" Intendant werden. Und ja, gerade in Hessen regiert die Staatskanzlei gerne in den Rundfunk hinein. Auch in Köln oder Bremen dient angebliche personalpolitische "Ausgewogenheit" immer wieder zur Befriedigung parteilicher Ansprüche. Aber trotzdem waren in den vergangenen Jahren in der ARD bei der Besetzung von Spitzenpositionen (journalistische) Qualifikationen häufiger ähnlich wichtig wie lange Zeit die Weltanschauung.

Brender muss weg

Im zentralistischen ZDF dagegen, das die Adenauer-CDU eigentlich als Staatsfernsehen wollte, verhalten sich die Politiker immer noch so, als seien sie die Hausherren. Im Verwaltungsrat haben Unionsleute und ihre Sympathisanten die Mehrheit. Und sie nutzen diese Mehrheit wie im Landtag: Unter Federführung des Haudraufs Roland Koch wurde beschlossen, dass Brender weg muss. Er passt ihnen nicht, weil er sich den Kungelgewohnheiten nicht unterworfen hat, dank derer die Räte Staatsferne simulieren und Botmäßigkeit erreichen wollen.

Wenn ein Fernseh-Chefredakteur zu lange im Amt ist oder die Leute zu sehr vergrätzt, dann soll das sein Vorgesetzter, der Intendant, beurteilen. Der ZDF-Intendant Markus Schächter aber schlägt Brender zur Verlängerung vor. Die Rundfunk-Robespierres um Koch dagegen murmeln etwas von schlechten Quoten und zu langer Amtsdauer. Sie haben sich bisher nicht einmal die Mühe gemacht, Brenders Ablehnung ordentlich zu begründen. Offenbar ist es ihnen egal, dass sie damit das ZDF und das öffentlich-rechtliche System in Deutschland insgesamt beschädigen.

Das Grundproblem liegt nicht in der Unions-Mehrheit im Gremium, sondern in der Art der Besetzung vor allem des Verwaltungsrats, die im ZDF-Staatsvertrag festgehalten ist. Sie entgrenzt die Macht der Parteienvertreter und erleichtert so den Zugriff der Politiker. Unter den Machtausübern gibt es immer noch genug, die in Chefredakteuren oder Hauptabteilungsleitern so etwas wie SPD-Unterbezirkssekretäre oder CDU-Ortsverbandskassierer sehen. Leider leisten manche Journalisten diesem Denken Vorschub, weil sie sich vorauseilend so anpassen, wie es ihre Förderer aus der Staatskanzlei kaum zu erwarten wagen.

Pikant an der Causa Brender ist auch noch, dass sie von zwei Politikern vorangetrieben wird, die gerade wegen ihres autoritären Gehabes abgestraft worden sind: Edmund Stoiber ist von seinen Wählern und seiner Partei verlassen worden; Roland Koch hat es allein wegen der Unfähigkeit der SPD in Hessen noch einmal mit Ach und Krach zum Ministerpräsidenten geschafft. Koch und Stoiber sollten gelernt haben, dass man mit Menschen nicht umgeht als seien sie Leibeigene - nicht einmal mit Chefredakteuren.

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