ZDF: Maybrit Illner und Telekom:... und sagte kein Wort

Eine heikle Debatte: Professionell ließ Maybrit Illner im ZDF über die Spitzelaffäre der Telekom debattieren, privat ist sie mit dem Telekom-Chef liiert.

Hans-Jürgen Jakobs

"Hmm", sagte die sonst so schlagfertige Fernsehmoderatorin Maybrit Illner. Sie ließ in ihrer ZDF-Sendung über die Spitzelaffäre der Deutschen Telekom reden, und sagte an entscheidender Stelle: "hmm". Und zwar, als Hans Leyendecker, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, dem amtierenden Telekom-Chef René Obermann ankreidete, dass er bei Entdecken der Schnüffeleien im Sommer 2007 nicht den ausspionierten Journalisten verständigte und die Staatsanwaltschaft mied. Das sei ein "gravierender Fehler" gewesen.

ZDF: Maybrit Illner und Telekom: Maybrit Illner ist seit einiger Zeit mit Telekom-Chef René Obermann liiert. Was weiß sie wirklich über die Spitzel-Affäre bei der Telekom?

Maybrit Illner ist seit einiger Zeit mit Telekom-Chef René Obermann liiert. Was weiß sie wirklich über die Spitzel-Affäre bei der Telekom?

(Foto: Screenshot: ZDF)

Maybrit Illner, die Frau mit dem "hmm", fragte nicht nach. Und jeder an den Bildschirmen, der sich in Bunte und Bild aufmerksam den neuesten Klatsch über Leute von heute erliest, konnte vermuten, das hänge vielleicht mit der Tatsache zusammen, dass die Fernsehfrau aus Berlin und der Manager aus Bonn seit einiger Zeit ein Paar sind. Was talkt die ZDF-Journalistin privat mit dem Telekom-Chef? Was weiß sie wirklich über die Affäre?

"Unbarmherzige" Firmempolitik

Überhaupt hätte an diesem Donnerstagabend vielleicht René Obermann selbst im Fernsehstudio sitzen sollen, um diese unappetitliche Story aus dem Reich der Strippen zu erklären. Aber ein solches öffentliches Gespräch zwischen ihr und ihm wäre vermutlich ein wenig viel des Rollenspiels gewesen.

So also saß von der Telekom in Berlin-Mitte ein mutmaßliches Opfer, der Aufsichtsrats-Vizechef Lothar Schröder von der Gewerkschaft Verdi. Vor allem den Arbeitnehmervertretern im Kontrollgremium galten die Schnüffelpraktiken, weil Kontakte zu Reportern ausfindig gemacht werden sollten. Auch Schröder beklagte, dass zum Beispiel ein interner Streit über die Neubesetzung des Arbeitsdirektors öffentlich wurde, er wetterte aber auch kräftig über das Klima in der Telekom-Ära des René Obermann, über Jobabbau und Renditedruck. Seine Vokabel über die aktuelle Firmempolitik: "unbarmherzig".

Maybrit Illner, die Dame in Weiß in dieser Herrenrunde, blieb wieder stumm. Hmm.

Sie hatte es zugegebenermaßen schwer und bemühte sich, professionell das Thema anzugehen, das seit fast zwei Wochen in Deutschland diskutiert wird und nun auch in "Maybrit Illner" landen musste. Es sei "längste Zeit", darüber zu reden, meinte die Lebensgefährtin von René Obermann.

Bester Datenschutz der Welt

Ihr zur Seite im Studio war der CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, der von einem "veritablen Skandal" sprach und meinte, der Bund als Haupteigentümer der Telekom habe ein Interesse daran, "das Vertrauen wiederherzustellen." Dafür aber reichten maximal 300.000 Euro Höchststrafe als Bußgeld - wie in solchen Fällen derzeit vorgesehen - nicht aus. Wenn aber die betroffenen Unternehmen etwaige Verstöße veröffentlichen müssten, hätte das abschreckende Wirkung.

Es müsse sich bei der Telekom um "Paranoia" der Verantwortlichen gehandelt haben, meinte SZ-Journalist Leyendecker. Sie hätten wohl geglaubt, "unantastbar" zu sein und Krieg gegen andere gespielt. Gemeint waren vor allem die ehemaligen Chefs Kai-Uwe Ricke (Vorstand) sowie Klaus Zumwinkel (Aufsichtsrat), die Moderatorin Illner noch einmal nannte. Sie erwähnte auch, dass ein Vorstand eines Unternehmens darauf bedacht sein müsse, dass gewisse Informationen geheim bleiben, was August-Wilhelm Scheer vom Branchenverband Bitkom, nur unterstreichen konnte: Sonst würden Sitzungen des Aufsichtsrats zur Farce. Im Übrigen biete seine Branche den besten Datenschutz der Welt. Es handele sich, wie bei der Telekom, um Einzelfälle: "Da sind zwei Personen aus dem Ruder gelaufen." Er sei überzeugt, dass das Telekom-Management sein bestes gebe, um die Vorgänge aufzuklären.

... und sagte kein Wort

Das wird Maybrit Illner - privat sozusagen - gerne gehört haben. Für Hans Sturhan, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Detektive, wiederum ist es der eigentliche Skandal, dass sich in Deutschland jeder ohne Prüfung einfach Detektiv nennen könne: Sowohl bei der Telekom als auch bei Lidl hätten die Spitzel-Aufträge abgelehnt werden müssen, weil sie illegal sind. "Die Weitergabe der Daten ist ein klarer Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte und das Datenschutz-Gesetz. Dazu kommt noch das Ausspionieren von Journalisten, also ein Verstoß gegen die Pressefreiheit." Vor allem aber gegen Wirtschaftsspionage oder Korruption sei der Einsatz von Detektiven in Firmen notwendig.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schließlich möchte den betrieblichen Datenschutz gestärkt wissen. Der Fall Telekom beweise, wie gefährlich und verfassungsrechtlich bedenklich die Datenspeicherung sein könne: Die bekanntgewordenen Fälle seien "nur die Spitze des Eisbergs illegalen Missbrauchs von Daten" - hier sei nun die Politik gefordert. Die "richtige Antwort" könne nur die Aussetzung der Regelung über die Vorratsdatenspeicherung sein.

Die Gäste im ZDF-Studio redeten, wie meistens bei solchen Sendungen, aneinander vorbei. Sie vermaßen die eigenen Inseln der Erkenntnis, und die Moderatorin - höchstwahrscheinlich streng daran interessiert, nicht den Eindruck von Voreingenommenheit aufkommen zu lassen - lieferte die verbalen Verbindungsmodule. Sie staunte zum Beispiel, dass in dem Thema "so viel Sprengkraft existiert". Oder sie wollte ganz investigativ wissen, ob es in der Spitzelfrage eine Rolle spiele, dass ein Konzern wie die Telekom früher in Staatsbesitz gewesen sei. Die Debatte musste im Fluss gehalten werden.

Womöglich war Maybrit Illner diesmal froh, als 60 Minuten Eiertanz vorbei waren. Um das große Wort zum Schluss bat sie den Reporter Leyendecker, der davon sprach, dass es in Deutschland derzeit keinen "großen Bruder" wie bei Orwell gebe, wohl aber "viele kleine Brüder". Im Übrigen forderten die Deutschen Datenschutz und gäben andererseits im Internet freiwillig ganz viel preis. "Wir sind alle schizo", sagte er.

Das sei nun wirklich ein großes Wort gewesen, befand die Gastgeberin und lächelte. Interessant wäre es zu wissen, wie die Kritik ihres Lebensgefährten Obermann über diese ZDF-Diskussion ausfällt. Aber das ist die Privatsache von Maybrit Illner. Und, im übrigen: Sind wir nicht alle ein bisschen schizo?

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