Zahi Hawass:Der Pyramiden-Show-Master

Neue Museen, neues Selbstbewusstsein: Ägyptens Antiken-Chef Zahi Hawass weiß den aktuellen Pharaonen-Boom zu nutzen. "Natürlich wollen mich alle Sender", sagt er. "Ich bin der Beste."

Von SONJA ZEKRI

Es heißt, der Herr über das Pharaonenreich sei ein Tyrann, rachsüchtig, launisch und eitel. Er beschimpfe seine Gegner als "Pyramidioten", er sei eine "Ein-Mann-Konfliktzone".

Zahi Hawass: Ein alberner Hut, um auszusehen wie Indiana Jones: Zahi Hawass.

Ein alberner Hut, um auszusehen wie Indiana Jones: Zahi Hawass.

(Foto: Foto: dpa)

Es heißt, alle Tempel seien nur Kulissen für seine Auftritte, und bei denen trage er immer einen albernen Hut, um auszusehen wie Indiana Jones. Manchmal vergleiche er sich sogar mit Tutanchamun. Selbst Freunde sagen dann, dass er langsam seltsam werde. Aber das hat man schon über viele Herrscher am Nil gesagt, und sie haben sich doch gehalten.

Und Zahi Hawass hält sich. Als er vor drei Jahren seinen Posten als Generalsekretär der ägyptischen Antikenbehörde antrat, platzte er in den feinen Zirkel der Ägyptologen wie der Ketzerkönig Echnaton in den Vielgötterhimmel des Neuen Reiches.

Seitdem kommt an Zahi Hawass, genannt "Der Pharao", keiner vorbei, nicht die Medien, nicht die Forscher, nicht die Museen. Er entscheidet über Leihgaben, Drehgenehmigungen und Grabungen. 200 internationale Archäologenteams sind am Nil tätig, Hunderte wären es gern, denn bisher sind vielleicht erst 30 Prozent der Schätze entdeckt.

An diesem Julitag sitzt Zahi Hawass in einem Büroturm in Kairo hinter einem dampfergroßen Schreibtisch. Er trägt einen marinefarbenen Anzug, seine weißen Haare schimmern violett: definitiv mehr Onassis als Indiana Jones. Müde sieht er aus und, ja, ein bisschen desinteressiert: "Was wollen Sie wissen?"

Ägypten, Dr. Hawass, boomt, jedenfalls das alte. Zeitungen, Zeitschriften, Filme berichten aus Theben so zuverlässig wie aus Washington. Die Bild-Zeitung druckt Tutanchamuns rekonstruierten Kopf, 870.000 Besucher sind zur Tut-Ausstellung nach Bonn gepilgert, nun verzückt die Schau Amerika.

Selbst Archäologen staunen über den Hype. Und Sie, Dr. Hawass, bestimmen, was wir sehen, ein Ägypter, zum ersten Mal seit Champollion. Niemand hat dieses Amt so offensiv genutzt. Warum ist das so?

Zahi Hawass legt das Handy weg. "Der Nil", sagt er bedeutungsschwer, "wurde geschändet. Seit Jahrhunderten haben Ausländer über Ägypten geschrieben, und zwar eine Menge Mist. Sie haben gemacht, was sie wollten, und großen Schaden angerichtet. Ägypten sollte von einem Ägypter erklärt werden." Das wird es.

Der Pyramiden-Show-Master

Ausländische Archäologen haben sich zu ihren Grabungen zu äußern und zu sonst nichts. Sie unterschreiben, dass niemand außer der Antikenbehörde Entdeckungen bekannt geben darf. Die britische Archäologin Joann Fletcher hat diesen Vertrag gebrochen, als sie verkündete, sie habe die Mumie der Nofretete gefunden. Sie wird nie wieder in Ägypten arbeiten.

Dafür äußert sich Zahi Hawass so oft, dass er in New York auf der Straße erkannt wird. "Natürlich wollen mich alle Sender", stellt er fest, "ich bin der Beste." Dabei ist Ägypten für Medien ein teures Pflaster.

Eine Stunde Drehzeit im Ägyptischen Museum kostet 1000 Dollar, größere Projekte sind verhandelbar. "Das Geld kommt seiner Behörde zugute, früher gab es da nicht mal Computer", sagt ein Archäologe, "aber wenn er so durch die Dünen tobt, ist man doch fassungslos."

Für die denkwürdigste Show schickte Hawass - live übertragen vom National Geographic Channel und dem ZDF - einen Roboter in eine Pyramide, der nach viel Getöse nur eine weitere Tür fand. Dietrich Wildung, Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, spottete über das "Null-Ergebnis". Seither ist er am Nil unerwünscht. Heute gibt er sich versöhnlich: "Vieles, was Zahi tut, war überfällig wie etwa die Computertomografie des Tutanchamun-Kopfes. Außerdem ist er der beste Werbeträger."

Der Westen fürchtet die arabische Welt als Hort der Rückständigkeit und des Terrors. Hawass' Ägypten aber ist die strahlende Wiege der Menschheit. Und der 58-Jährige weiß, was er tut. Er hat bewiesen, dass die Pyramiden nicht von Sklaven gebaut wurden, sondern von Ehrenmännern.

Er publiziert, er hat in Pennsylvania studiert, er kennt den Hunger des Westens nach Mysterien. "Als ich den Eintritt für die Pyramiden erhöht habe, hat sich ein Mann aus Boston beschwert", sagt er. "Ich habe ihm geschrieben: Es ist nicht teurer als ein Wasser auf den Champs-Élysées. Bleiben Sie zu Hause. Wir brauchen Sie nicht."

Das stimmt nicht ganz, denn Hawass hat große Pläne. 500 Millionen Dollar soll allein das Große Ägyptische Museum in Giseh kosten, die neue Heimat für Tutanchamun. Ab 2006 soll der Entwurf der irischen Architekten Heneghan und Peng gebaut werden, eine spitzwinklige Extravaganz mit Alabasterfront, die sich aus dem Felsplateau herausschiebt.

Kreditverhandlungen mit Japans Bank für Entwicklung laufen, außerdem, trumpft Hawass auf, "kriege ich ja das Geld aus der Tut-Schau". 40 Millionen Dollar erwartet er allein aus Amerika. Er ist schnell, sagen alle. Zu schnell, sagen viele. Er hat Besucherzentren eingerichtet, dreizehn weitere Museen will er demnächst eröffnen.

"Es ist eine neue Ära", sagt er, "unsere Museen waren finstere Lager, keine Orte des Lernens." Selbst das Ägyptische Museum ist in Bewegung. Die neue Direktorin Wafaa El Saddik hat die Keller gesäubert, neue Säle und eine Museumsschule eingerichtet.

Nun hofft sie auf 20 Millionen Dollar aus Italien für die komplette Neugestaltung. "Früher waren zwei Prozent der Besucher Ägypter, heute sind es 15", sagt sie.

Der Pyramiden-Show-Master

Noch ist vielen Muslimen die Pharaonenzeit unheimlich. So sehr sie die Antike als Einnahmequelle für den Tourismus schätzen, so wenig begreifen sie sie als ihr eigenes Erbe. Und dass die Islamisten einen Kulturbegriff propagieren, der alle Kunst mit dem Koran anfangen und enden lässt, macht es nicht besser.

Deshalb wirbt Hawass im Fernsehen und in Kolumnen für ein neues Verhältnis zur Antike: "Wir müssen den Menschen das Bewusstsein geben, dass diese Kultur ihnen gehört", sagt er, "nur so können wir die Bauwerke schützen."

Denn noch, nicht wahr, Dr. Hawass, sind sie oft nicht besonders geschützt ... Aber das war die falsche Frage, da wird er frostig: "Verflucht, es gibt Diebe in jedem Land!" - Aber Sie sagten doch selbst ... "Kein Ägypter wird jemals ein Denkmal berühren! Keiner!"

Nun weiß er sehr gut, dass die Ägypter alles andere als respektvoll mit Denkmälern umgehen, aber wenn man jetzt insistierte, das ist klar, wäre das Gespräch schnell zu Ende. Wir einigen uns darauf, dass es ein schöner Erfolg ist, dass er 3000 geraubte Stücke zurückgeholt hat, und das Gesetz gegen Antikenschmuggel verschärft wird.

Worauf wir uns nicht einigen, ist, dass die zarte Liebe zur Antike auch ein Gegenentwurf zum Fundamentalismus ist, der schlimmstenfalls wie in Afghanistan enden könnte, wo die Taliban die Buddhas von Bamian zerstörten. Politik interessiere ihn nicht, sagt Hawass, nur Archäologie.

Dabei ist der ganze Krawall, der ganze Mann ohne die Großwetterlage gar nicht zu verstehen. Zum Beispiel die Nofretete. Sie müsse zurückkehren, forderte er jüngst in Paris, so wie die Statue des Pyramidenbauers Hemiunu aus Hildesheim, der Stein von Rosetta aus London und zwei weitere Stücke.

Selbst viele Ägypter finden, dass die Nofretete in Berlin bestens aufgehoben ist, Hawass aber bastelt an einer Unesco-Konferenz zur Rückführung von Kulturgütern. Die Unesco solle vermitteln , "jedenfalls müssen wir reden".

Was er zwischen den Zeilen sagt, ist etwa dies: Hier ist einer, der den Anspruch auf Ägyptens Schätze aufrechterhält, der sich, anders als die korrupte Regierung, nicht einschüchtern lässt. "Ein Belgisches Museum hat ein gestohlenes Objekt ausgestellt - und bei uns gegraben!", wütet er.

Gebe Belgien das Stück nicht zurück, so drohte er, fliege die Grabung raus. Belgien gab nach. Nun führt er einen ähnlichen Schriftwechsel mit Cambridge. "Ägypten war ein Selbstbedienungsladen", sagt Wenzel Jacob, Direktor der Bundeskunsthalle in Bonn, "aber er zwingt sie alle in die Knie."

So ein Ruf ist viel wert in einem Land, in dem jede Kooperation mit Ausländern suspekt ist und ein exponierter Posten immer ein Risiko. Neuerdings müssen die Archäologen die heimischen Grabungsinspektoren bezahlen und ihre Berichte auf Arabisch publizieren.

"Wenigstens werden sie heute veröffentlicht, früher verschwanden sie einfach", sagt Günter Dreyer, Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo. Für das Gebiet südlich von Giseh gibt es keine neuen Lizenzen, da sei vieles freigelegt und wenig dokumentiert, sagt Hawass.

Im Delta aber bedrohe das Grundwasser die Werke, da könnten Grabungen vieles retten. Mancher Archäologe klagt über Gängelung und Bürokratie, Hawass aber betrachtet seine Gegner zufrieden wie Sethos I. die bezwungenen Hethiter: "Die Menschen mögen mich nicht, denn ich habe zum ersten Mal Regeln aufgestellt."

Noch ist der Westen Ägypten überlegen - logistisch, akademisch, finanziell. Oft verdeckt der emphatische Verweis, dass das Erbe am Nil der ganzen Welt gehöre, nur westliche Ansprüche. "Wenn ich früher über eine Statue publizieren wollte und ein deutscher Kollege ebenfalls, wer, glauben Sie, hat den Vorzug bekommen?", so Ali Radwan, Archäologe der Universität Kairo.

"Hawass hat unserer Wissenschaft die Würde wiedergegeben." Nur ist Würde kein akademischer Begriff. Ägypten, sagt Hawass, sei selbst schuld, wenn es übergangen wurde: "Wer mithalten will, muss gut sein." Und so lange Ägypten weder gut noch reich genug ist, macht er eben aus der Not eine Strategie: "Warum sollen wir alles allein bezahlen?" Alles ist Verhandlungssache.

"Haben Sie die Geschichte über mich in der New York Times gelesen?", fragt er zum Abschied, ¸¸das erste Porträt eines ägyptischen Ägyptologen." Aber man hat Sie mit dem Zirkusdirektor P.T. Barnum verglichen ... "Na und? Der Mann hat eine Menge bewegt."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: