Wortgeschichte:Frag den Oberdada!

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Ankündigung der "Ersten Internationalen Dada Messe" in der Kunsthandlung Dr. Otto Burchard, 1920. (Foto: Kunsthaus Zürich/VG-Bild-Kunst, Bonn 2016)

Sie nannten sich Dadaisten. Aber wer hat das Wort "Dada" erfunden? Was bedeutet es? Und was hat eine Brioche im Nasenloch damit zu tun?

Von Christopher Schmidt

Es gab den Oberdada Johannes Baader, den Originaldada Hans Arp, den Dadazar Tristan Tzara und den magischen Dada-Bischof Hugo Ball. Hinzu kamen der Dadamax Max Ernst, der Propagandadada George Grosz und der Dadasoph Raoul Hausmann, nicht zu vergessen die Dadafee Emmy Hennings, den Dada-Trommler Richard Huelsenbeck und den Dadabaron Walter Serner. Und alle waren natürlich Da-Dandys. Aber woher kam das Wort "Dada"? Die Dadaisten machten sich untereinander den Rang als Namensgeber der Bewegung streitig.

Hugo Ball erklärte im Dadaistischen Manifest am 14. Juli 1916: "Dada stammt aus dem Lexikon. Es ist furchtbar einfach. Im Französischen bedeutet es Steckenpferd. Im Deutschen: Addio, steigt mir bitte den Rücken runter, auf Wiedersehen ein ander Mal! Im Rumänischen: ,Ja, wahrhaftig, Sie haben Recht, so ist es. Jawohl, wirklich. Machen wir.' Und so weiter." Zuvor hatte sich bereits die Zürcher Toilettenartikelfirma Bergmann & Co. Dada als Markennamen schützen lassen. Das inspirierte Hugo Ball zu der Feststellung: "Dada ist die Weltseele. Dada ist der Clou, Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt."

Am 12. Juni 1916 taucht das Wort Dada erstmals in seinem Tagebuch auf. Seine Lebensgefährtin Emmy Hennings erinnerte sich später an eine stehende Redewendung zwischen ihnen. Immer wenn Ball mit ihr spazieren gehen wollte, habe sie geantwortet: "Alle Kinder sagen ,Dada'." Klabund und die Sängerin Marietta di Monaco hatten schon 1914 gedichtet: O Eduard steck den Degen ein, / Was denkst du dir denn dadabei'n? / Des morgens um halb fünfe? / Er sagte nichts dadarauf."

Hans Arp wiederum behauptete in einer "Deklaration" vom 6. August 1921: "Ich erkläre, dass Tristan Tzara das Wort DADA am 8. Februar 1916 um 6 Uhr abends eingefallen ist; ich war mit meinen 12 Kindern dabei, als Tzara zum ersten Mal dieses Wort aussprach, das in uns eine berechtigte Begeisterung auslöste. Dies ereignete sich im Café Terrasse zu Zürich, und ich trug gerade eine Brioche im linken Nasenloch. Ich bin überzeugt, dass dieses Wort gänzlich unbedeutend ist und dass sich nur Schwachsinnige und spanische Professoren für nähere Angaben interessieren. Was uns interessiert, ist die dadaistische Geisteshaltung, und wir waren alle schon dada, bevor es dada gab."

Ähnlich äußerte sich Richard Huelsenbeck: "Dada kann man nicht begreifen, Dada muss man erleben." Und: "Dada ist ein Geisteszustand, der die Persönlichkeit selbst angeht, ohne sie zu vergewaltigen." Oder: "Wir fanden Dada, wir sind Dada, und wir haben Dada. Dada wurde in einem Lexikon gefunden, es bedeutet nichts. Dies ist das bedeutende Nichts, an dem nichts etwas bedeutet." Tristan Tzara soll jedoch einmal zu seinem Freund Friedrich Glauser gesagt haben: "Dadaismus klingt doch viel besser als Futurismus. Und das Publikum ist so dumm."

Bevor Dada Kunst wurde, war es ein Name für Haarwasser und Lilienmilchseife

Glauser berichtet, wie Tzara vor der Musterungsbehörde in Bern den Verrückten spielte, um für kriegsuntauglich erklärt zu werden. Er habe nur mit "Ha" und "Ho" geantwortet, sich aber im Hinausgehen noch einmal umgewendet und laut und deutlich gesagt: "Merde" und wie zur Bekräftigung "Dada". "Dieses Wort sollte nicht nur das Stammeln des Kindes symbolisieren", so Glauser, "es ist außerdem noch eine doppelte Bejahung: ,Ja, ja' heisst es, in den slawischen Sprachen wenigstens, und ich glaube, auch in der rumänischen. Dieses Dada, das so unbewusst über seine Lippen gerutscht war, beschäftigte Tzara die folgenden Tage ziemlich tief."

Auch James Joyce wurde als Schöpfer des Wortes Dada verdächtigt, dementierte jedoch hartnäckig. Johannes Baader sollte jedenfalls recht behalten mit seinem Diktum: "Was Dada ist, wissen nicht einmal die Dadaisten, sondern nur der Oberdada - und der sagt es niemandem!".

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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