Wohnen:Röhrenarchitektur

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(Foto: James Law Cybertecture)

Hat nicht schon Diogenes in einem Fass gelebt? Ein Architekt aus Hongkong will die Wohnungsnot in seiner Stadt mit Röhren lindern.

Von Gerhard Matzig

Dass die Maxime "My home is my castle" nicht wörtlich zu nehmen ist: geschenkt. Dass sich aber in Hongkong demnächst das Heim nicht als Burg, sondern als Abwasserkanal aus Beton erweisen könnte, ist dann doch befremdlich. Genau das hat der in Hongkong lebende Architekt James Law kürzlich auf der Designmesse Hongkong seiner Heimatstadt als Ausweg aus der Wohnungsnot empfohlen: das temporäre Wohnen in vorgefertigten, industriell hergestellten Röhren-Segmenten, wie man sie aus der Kanalisation sowie aus Horrorfilmen kennt. Auf den zweiten Blick hat die kuriose Idee jedoch durchaus Charme.

Hongkong gehört zu den am dichtesten besiedelten Flächen der Welt. Einen Quadratkilometer teilen sich in der Sieben-Millionen-Metropole durchschnittlich fast 7000 Menschen. Zum Vergleich: In München, der am dichtesten bebauten Stadt Deutschlands, sind es gut 4000 Menschen. Daher ist die Wohnungsnot in Hongkong enorm. Die Mieten sind astronomisch. Derzeit warten etwa 220 000 Menschen auf eine Sozialwohnung. Durchschnittliche Wartezeit: drei Jahre.

Law möchte diese Wohnungssuchenden nun laut der Nachrichten-Plattform "ingenieur.de" auf Zeit in den von ihm gestalteten, aus je zwei Betonsegmenten bestehenden Mini-Wohneinheiten unterbringen. Da die Kanalteile (Durchmesser: zweieinhalb Meter) preiswert und stabil, zudem in einer geeigneten Konstruktion sogar stapelbar sind, könnte auf diese Weise massenhaft günstiger, sofort realisierbarer Wohnraum entstehen. Der smart möblierte, knapp zehn Quadratmeter messende Wohnraum bedeutet für Leute, die hunderttausendfach als "Cage People" in oft nur zwei Quadratmeter großen Verschlägen vegetieren, eine Vervielfachung des Platzes.

In Japan gibt es schon länger die bekannten Kapsel-Hotels, die wie bewohnbare Schließfächer funktionieren. In der Internationalen Raumstation ISS bewohnen die Wissenschaftler ebenfalls kreisrunde Wohnmodule. Und auch Diogenes, der antike griechische Philosoph, soll eine Tonne bewohnt haben. Raum ist eben in der kleinsten Hütte, wobei aus den Hütten nur selten Paläste, aber möglicherweise ja bewohnbare Kanäle werden könnten.

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