Der Glöckner
Jacques Martel ist 53 Jahre alt und muss seit acht Monaten jeden Tag 193 Stufen zu seinem Glockenspiel auf den städtischen Glockenturm in Bergues hochhetzen.
Bis 1999 hat hier Dany Boons Großonkel immer montags und mittwochs gespielt, doch seit sein Neffe ganz Frankreich Sch'ti-verrückt gemacht hat, wollten schon 22.000 Touristen die ganze Woche lang die Glocken hören, mit denen im Mittelalter vor Feinden gewarnt oder Feste eingeläutet wurden.
"Das ist purer Sport. Ich muss ja nicht nur den Turm rauf, sondern auch die Pedale an meinem Spieltisch mit Füßen und Fäusten bearbeiten", sagt Martel. Er macht das aber leidenschaftlich gern, zumal ihn Dany Boons Film auf eine schlaue Geschäftsidee gebracht hat. "Schon im November 2007, als die ersten Vorankündigungen liefen, hatte ich vor, Touristen an die Drehorte in Bergues zu führen", sagt Martel. Jetzt kann er sich vor Franzosen, Belgiern und Schweizern nicht mehr retten.
Die Besucherzahlen in Bergues haben sich 2008 vervierfacht. Erst vergangenen Dienstag hat Martel als offizieller "Sch'ti-Tour-Führer" 120 Leuten die Stadt gezeigt - und das mitten im regnerischen Herbst. "Die Menschen wollen beispielsweise sehen, wo Dany Boon und Kad Merad in den Kanal gepinkelt oder die Post ausgetragen haben", sagt er ganz vergnügt.
Die gerade mal 4300 Einwohner von Bergues reagieren erstaunlich gelassen auf die vielen unerwarteten Fans. "Wir müssen uns nicht mal anstrengen, um so nett wie im Film zu sein. Wir sind einfach von Natur aus freundlich", sagt Martel. So viel Eigenlob müffelt ein bisschen wie der Maroilles. Das macht aber nichts, man glaubt es trotzdem.
Foto: Der Belfried von Bergues, Screenshot: www.bergues.fr