Wiedereröffnung des Nationalmuseums:Bühnenreif

Nach 15-jähriger Sanierung erstrahlt das Schatzkästchen an der Prinzregentenstraße in neuem Glanz. Eine ausgeklügelte Beleuchtung rückt die Präsentation der Barock- und Rokokoausstellung ins rechte Licht

Von Evelyn Vogel

Gold und Silber, Perlen und Edelsteine, feinstes Porzellan und edelste Hölzer, dazu überbordende Ornamentik, leuchtende Farben und üppige Faltenwürfe - die ganze Pracht und Sinnlichkeit des Barock und Rokoko entfaltet sich nun wieder im Bayerischen Nationalmuseum. Nach 15 Jahren wird die Epoche nun wieder ausgestellt. Und zwar im schönsten Teil jenes Gebäudes, das schon immer reich war an eindrucksvollen Ecken: im frisch sanierten Westflügel des Museums, das Gabriel von Seidl um 1900 im Stil des Historismus erbaut hat.

Am schönsten ist der Trakt, weil er zum Englischen Garten hin gelegen ist, so dass die Bäume eine natürliche Kulisse hinter den Objekten abgeben. Besonders im Gartensaal, wo beispielsweise der Dessertaufsatz ein echter Hingucker ist, führt das zu reizenden Ergänzungen. Dort befinden sich, neben den Ausstellungsräumen, auch der zum Teil neu gestaltete Garten, in dem die Rosen einen betörenden Duft verströmen, sowie das Restaurant mit der im Sommer einladenden Terrasse. Nach 15-jähriger Umbau- und Sanierungsphase, ist diese Pracht und Herrlichkeit jetzt wieder zugänglich (mit Ausnahme des Obergeschosses, das 2016 folgen soll). Und sie erstrahlt in neuem Licht und Glanz.

Kein Objekt findet sich in der Ausstellung, das nicht eine Restaurierung oder sorgfältige konservatorische Reinigung erfahren hat - vulgo: abgestaubt wurde. Was die Stücke aber ganz besonders zum Glänzen bringt, ist die neue Lichttechnik. Bei frei stehenden Objekten wie dem Regensburger Domgitter, Ensembles wie dem Landshuter Zimmer oder Skulpturen wie den überlebensgroßen Plastiken von Ignaz Günther und Johann Baptist Straub mag die Sache mit dem Licht noch einfach sein. Schwierig wird es, wenn die Exponate zum Schutz hinter Glas verschwinden müssen - das sind etwa die Hälfte der 600 Stücke - und die fein gearbeiteten Strukturen zudem die Beleuchtung reflektieren. Diese plastisch auszuleuchten, ist eine Kunst für sich. Der Lichttechniker Jean-Francois Hocquard beherrscht sie meisterhaft.

Mit Hilfe von Glasfaserkabeln und LED-Spots werden die Objekte aus allen Winkeln zielgerichtet angestrahlt. Mitunter mehr als 200 Bühnenscheinwerfer im Kleinstformat hat Hocquard auf die Objekte ausgerichtet und macht so jede einzelne Präsentation zu einem theatralen Erlebnis. Hocquard gerät ins Schwärmen, wenn er davon spricht, dass man hier die Objekte geradezu mit den Augen berühren könne. Es ist aber tatsächlich ein Wow-Effekt, der sich hier einstellt.

Nicht weniger stolz ist Renate Eikelmann auf die Neupräsentation und die gelungene Sanierung des Westflügels - der mit 27 Millionen Euro im Vergleich zu den veranschlagten 60 Millionen Euro für das Haus der Kunst und ebenso viel für die Neue Pinakothek geradezu günstig wirkt. Die Generaldirektorin des Bayerischen Nationalmuseums kam vor 16 Jahren ans Haus, kurz bevor die Schließung folgte. Und ihr Vertrag wurde vor nicht allzu langer Zeit ohne großes Tam-Tam verlängert, weil man ihr die Freude, der Wiedereröffnung als Generalin voranzugehen, allenthalben gönnt. Gut ein Drittel der Ausstellungsfläche des Hauses stand ihr bislang nicht zur Verfügung. Von den 600 Objekten konnten nur etwa 100 - vor allem die bedeutendsten aus den Wittelsbacher Beständen - in Interimsausstellungen im Ostflügel gezeigt werden. Aber die Generaldirektorin war die meiste Zeit mit einer Baustelle konfrontiert, um die herum der Museumsbetrieb weitergehen musste. Einem Museum, das mit Möbeln, Skulpturen, Uhren, Waffen, Globen, Glas, Porzellan, den Gold- und Silberschmiedearbeiten, profaner wie sakraler Kunst sowie Gemälden und Tapisserien zu einem der bedeutendsten seiner Art gehört.

Gar nicht satt sehen kann man sich an der 2,60 Meter hohen Augsburger Prunkuhr, die um 1700 entstanden ist. Getragen von einem Tisch mit vergoldeten Atlanten und einem Putto, der zudem neun Schubladen birgt, ist der hölzerne Korpus der Uhr über und über mit ornamentalen und figürlichen Silberreliefs verkleidet, gedrehte Säulen aus Rubinglas stützen jede Etage. Götter und allegorische Darstellungen scheinen die Uhr ihrer profanen Funktionalität zu entheben. Die gibt es aber durchaus. Um davon einen Eindruck zu bekommen, sollte man unbedingt die neuen Mediaguides nutzen, auf denen nicht nur die Augsburger Prunkuhr näher zu erforschen ist. Die Tablets finden sich in vielen Räumen und verraten so manches kleine Geheimnis. Hier bekommt man nicht nur visuelle Einblicke ins Innere der Objekte, hier hört man es auch rattern und klicken, klingeln und schlagen, zischen und ächzen, dass es eine wahre Freude ist. Sinnlich eben, wie die ganze Schau.

Barock und Rokoko in neuen Licht, Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, Di-So 10-17 Uhr, Do 10-20 Uhr. Eröffnungsfest Barock für alle: Sa, 11. Juli, 14-24 Uhr

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