Whitney Houston ist tot:Sie war sich selbst der größte Feind

Model, Popstar, Ikone, Wrack: Zehn Jahre glänzte Whitney Houston als saubere Ausnahmesängerin, zwanzig Jahre dauerte ihr Niedergang, der nun in einer Badewanne in Beverly Hills endete. Einzigartig bleibt die Karriere der Sängerin - in ihrem Erfolg ebenso wie in ihrer Tragik.

Oliver Das Gupta

Nun ist die Frau, deren Lebensphasen so unterschiedlich verliefen, tot. Das Onlinemagazin TMZ.com meldete, Whitney Houston sei in der Badewanne eines Luxushotels in Beverly Hills aufgefunden worden - und das am Vorabend der Grammy-Verleihungen. Das Programm der Gala wird nun geändert, es dürfte ein würdiger Abschied des Musikbusiness von einem seiner größten Stars werden.

Auch Stunden nach ihrem Tod meldete ihre eigene Website zunächst noch, Houston werde an einer der Grammy-Partys teilnehmen. Die ganze Hoffnung der Sängerin schien aber auf "Sparkle" zu liegen. Der Film, der auf der Musikkarriere der "Supremes" basiert, soll im August in die Kinos kommen.

Einzigartig bleibt die Karriere der Sängerin, die in ihrem Leben viele Rekorde aufstellte, 170 Millionen Tonträger verkaufte und deren Stimme zwischen 1984 und 1993 die Musikwelt dominierte. Etwa in der gleichen Zeit feierte ein anderer amerikanischer Künstler seine größten Erfolge, auch er starb früh und tragisch: Michael Jackson.

Doch anders als der "King of Pop", der Zeit seines Lebens in einem Meer der Zwänge, des Ruhms und des Geldes trieb, verlief die Laufbahn der 1963 geborenen Whitney Elizabeth Houston ambivalent.

Genau genommen schien es Whitney zweimal zu geben: Die eine bastelte an ihrer Karriere mit kräftiger Hilfe ihrer musikalischen Familie, zu der Dionne Warwick gehört und ihrer Patentante Aretha Franklin. Sie modelte sich bis auf die Titelseite der Vogue, was Anfang der 1980er Jahre noch keine Selbstverständlichkeit für eine schwarze Frau war. Die erste Whitney verfügte über eine gewaltige Stimme, die drei Oktaven umfasste.

Eine Stimme, mit der sie eines der erfolgreichsten Debütalben aller Zeiten einsang. Eine Stimme, die ihr unerreichte sieben Nummer-Eins-Singles in Folge und viele andere Superlative einbrachte und so viele Preise wie keiner anderen Sängerin. Alles, was von Whitney kam, schien ein Hit zu werden.

Nur manchmal, bei Auftritten, wurde Kritik laut. Ein bisschen zu sauber, zu glatt und seelenlos, so empfanden Kritiker die schlanke Frau aus East Orange im Bundesstaat New Jersey. Vielleicht schien sie den Kritikern auch einfach zu langweilig: Es gab keine Drogengeschichten, keine Herz-Schmerz-Liebesdramen oder sonstigen Skandale. Sie galt als prüde und dünnhäutig und vor allem: sauber. Whitney Houston Nummer eins schillerte als keimfreie Ikone der Reagan-Ära.

Peinlich, wirr und ausgemergelt

Whitney, die zweite, lieferte sich Handgreiflichkeiten mit ihrem Ehemann, magerte auf 40 Kilogramm ab und bedrohte angeblich ihre Mutter mit einer Rasierklinge. Sie versank in einer Melange aus Drogen: Sie kiffte, schnupfte Kokain, konsumierte Alkohol und Heroin. Sie ließ sich in Entzugskliniken einweisen, aus denen sie nach wenigen Tagen flüchtete. Sie drehte ab und zu Filme und lieferte Musik dazu, sie nahm Duette auf mit anderen Musikstars. Doch die Platten verkauften sich immer schlechter, Hits blieben aus, irgendwann erschienen nur noch "Best of"-Alben, die Stimme umfasste schon längst keine drei Oktaven mehr. Ihr Management verschob Termine und sagte Konzerte ab, in Klatschblättern erschienen Berichte über Whitneys finanzielle Probleme.

Mit ihrem Ehegatten, dem R&B-Sänger Bobby Brown, ließ sie sich in bizarr bunter Kleidung ablichten, sie holten Kamerateams für eine Doku-Soap ins Haus, sie wirkte peinlich, wirr und ausgemergelt. "Ich habe mir die Seele aus dem Leib gefeiert", sagte sie vor ein paar Jahren, und bei einer anderen Gelegenheit: "Ich bin mein schlimmster Feind".

Zwei so unterschiedliche Leben in einem: Etwa zehn Jahre glänzte Whitney Houston als Superstar, etwa zwanzig Jahre dauerte ihr Niedergang. 1992 und 1993 war sie ein multimedialer Superstar: Sie hauchte im Film "Bodyguard" die Ballade "I will always love you", der Soundtrack dominierte die Hitparaden. Auf einer Welttournee stand sie etwas ungelenk, aber wunderschön anzusehen auf der Bühne und verzückte mit glasklarer Stimme. Doch dann heiratete sie den bekennenden Bad Boy Brown, bekam bald darauf eine Tochter - und torkelte fortan durchs Leben. Ihr Abstieg vom ersten Leben ins zweite begann.

Der Kreis schließt sich

2007 ließ sich das Paar zwar scheiden. Doch es war wohl zu spät, wie ihre Comeback-Tournee 2009 und 2010 zeigte: Auf der Bühne stand eine aufgedunsene Houston, deren Stimme brach. Das Publikum war hin und hergerissen zwischen Wut und Mitleid. Im folgenden Frühjahr erklärte eine Sprecherin, die Sängerin habe sich erneut in eine Entzugsklinik begeben. Von den Drogen kam sie wohl nicht mehr ganz los.

Letztmals gesehen wurde die 48-Jährige am vergangenen Donnerstag vor einer Diskothek in Hollywood - laut dem Sender ABC wirkte sie vernachlässigt und verwirrt. Am Samstag fand sie ihr Freund, R&B-Sänger Ray-J, im Beverly Hills Hotel in der Badewanne; alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolgslos.

Womöglich ertrank Houston, hieß es. In ihrem Zimmer seien zunächst keine illegalen Drogen, aber verschreibungspflichtige Medikamente gefunden worden. Es habe zunächst keine Hinweise darauf gegeben, dass Houston in ihrem Zimmer Alkohol konsumiert habe, hieß es. Allerdings berichtete TMZ.com, dass Houston in der Nacht zuvor heftig mit Freunden gefeiert habe. Hotelangestellte hätten berichtet, die Gruppe habe eine geraume Zeit an der Hotelbar verbracht, getrunken und sei sehr laut gewesen. Houstons Körper soll nun obduziert werden, um die Todesursache festzustellen.

Mit ihrem Tod schließt sich ein Kreis: Am Abend sollte sie bei einem Grammy-Dinner auftreten, das vom Produzenten Clive Davis organisiert wurde - der Mann, der Whitney Houston einst entdeckt hatte.

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