White Stripes in München:Meine Name ist Ekstase, ich weiß von nichts

Da sprach gerade der beste Gitarrist seiner Generation. Der Retter des Rock"n"Roll. Vollmundig sprach er, und er sprach über sich. Und Sie haben´s wieder nicht mitgekriegt. Wenigstens unser Reporter war dabei. Beim Tour-Start der "White Stripes" in München.

OLIVER FUCHS

Am Anfang tragen Männer in perfekt sitzenden schwarzen Anzügen Musikinstrumente und Verstärker auf die Bühne.

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So weihevoll, als bereiteten sie einen Gottesdienst vor.

Von einem Hut blitzt eine rote Feder. Moment mal, denkt man sofort, Rot ist die Farbe der Liebe, und wofür steht schnell noch mal Schwarz?

Mit unendlicher Präzision arrangieren die Männer die Gegenstände, als gäbe es einen geheimen Plan auf Millimeterpapier.

Dann werden, wie für ein Voodoo-Ritual, Puppen aufgestellt.

Die Vorbereitungen sind schon eine Show für sich, so dass man sich fragt, ob die Stars des Abends dieses Spektakel überhaupt noch übertreffen können. Aber dann stehen die White Stripes plötzlich auf der Bühne des Münchner Zenith, und ja, sie sehen tatsächlich noch besser, noch stilvoller aus als die Bühnenarbeiter.

Meg White im perlweißen T-Shirt. Jack White mit schwarzem Zorro-Mantel, darunter lugt etwas Rotes hervor.

Moment mal, denkt man gleich wieder, Rot steht für Liebe, Schwarz ist die Farbe der Trauer und Weiß - ach lassen wir das. Führt ja doch nirgendwo hin.

Die White Stripes sind so verliebt in ihr Farbkonzept und haben schon so oft dargelegt, weshalb bei ihnen Kleidung, Plattenhüllen und Bühnendesign ausschließlich in Rot, Weiß und Schwarz gehalten sind, dass man der ganzen Theorie ein wenig überdrüssig ist.

Überall scheint ein Warnlicht zu blinken: Vorsicht, Konzept! Das wirkt schlau ausgedacht, aber irgendwie auch yuppiehaft. Man stellt sich vor, dass sie anfangs wohl beim Finanzberater ihrer Bank saßen, zwecks Existenzgründung, und Jack redete auf den Banker ein, er hätte da eine Idee für eine Blues-Punk-Band, Meta-Rock"n"Roll, das Prinzip sei totale Reduktion, soundtechnische Askese, verstehen Sie?, nur zwei Musiker, ich und meine Ex-Frau, die wir zwischendurch auch mal als meine Schwester ausgeben, das Design übernehmen wir von einem amerikanischen Pfefferminzbonbon, und . . . Junger Mann, entgegnete der Banker, gibt es für so was denn Bedarf - und haben Sie eigentlich schon unseren Existenzgründungs-Workshop besucht?

Worauf es aus Jack White herausbrach: Hä, was? Hören Sie mal: Ich bin der beste Gitarrist meiner Generation. Der Retter des Rock"n"Roll.

Zu Beginn ihres Münchner Konzerts feuern die White Stripes eine Ladung alter Hits ab, die live gespielt noch zwingender klingen als auf Platte, ¸¸Hotel Yorba", ¸¸Dead Leaves and the dirty ground" . . . ¸¸Blue Orchid", der jüngste Hit von dem in nur zwei Wochen hastig zusammenimprovisierten Album ¸¸Get Behind Me Satan" wirkt so, als habe das Stück 50 Jahre als wütender Geist in einer Flasche gesteckt. Überhaupt wird eine sonderbar manische Energie frei. Woher nehmen zwei Musiker allein nur die Kraft, um so eine Wucht zu entfalten?

Sie sind ja ein seltsames Pärchen, die trommelnde Zahnfee Meg White mit der mütterlich gutherzigen Ausstrahlung, und Jack, dieser Edward-mit-den-Scherenhänden der Gitarre, der in Detroit, als dort Anfang der neunziger Jahre Techno erfunden wurde, auf dem Dachboden Bob-Dylan-Lieder spielte. Aber Autismus war bei der Hervorbringung von Kunst schon immer eher förderlich. Jack White, das zeigt dieser Abend, ist wahrscheinlich der beste Gitarrist seiner Generation - was er aber durch enervierend langes Gegniedel, begleitet von Haareschütteln und Ausfallschritten, nur leider sehr oft unter Beweis stellen zu müssen meint. Meist wirkt es wie Kraftmeierei, Virtuosentum um der Virtuosität willen. Manchmal ist der Meta-Rock vom gewöhnlichen Proll-Rock kaum zu unterscheiden. Aber vielleicht muss man, um den Rock zu retten, auch noch mal knietief durch alle Klischees waten.

Meg ist womöglich die schlechteste Schlagzeugerin ihrer Generation, dafür lächelt sie freundlich und hält ihre Drumsticks wie Staubwedel, was sehr charmant aussieht. Ihr schaut man lieber zu als dem Derwisch neben ihr, der verbissen eine Ein-Mann-Monsterrockshow durchexerziert. Irgendwann jault, greint und krächzt er nur noch Worte und Melodien, die offenbar aus dem BluesUnterbewusstsein aufgestiegen sind. Ein Ekstatiker, der gar nicht weiß, was da aus ihm heraus in die Welt drängt. Das stand nicht im Konzeptpapier.

Weitere Konzerte: 25.10. Berlin, 29.10. Düsseldorf

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