"Whiskey Tango Foxtrot" mit Tina Fey im Kino:Die größte Gefahr lauert darin, sich aus Versehen selbst zu erschießen

Lesezeit: 4 min

Keine Lust mehr auf New York: Kim Barker (Tina Fey) reist als Kriegsreporterin in den Irak. (Foto: Frank Masi)

Tina Fey hat eine brillante Komödie über den Krieg drehen lassen. Als Reporterin Kim hat sie keine Ahnung vom Koran - und muss in der Wüste pinkeln, während ein Soldat nach allen Seiten sichert.

Filmkritik von Tobias Kniebe

Bei Kriegsreportern geht es immer um Leben und Tod und eigentlich sowieso um alles - nur fast nie um den Sinn der Berichterstattung selbst. Vielleicht ist das auch gut so. Denn die geheime Übereinkunft besagt ja doch, dass die Welt nicht wegschauen darf, wenn alles katastrophal aus dem Ruder läuft, sondern eingreifen muss - und dass solche Eingriffe schließlich irgendetwas zum Besseren verändern werden.

Was aber, wenn alle Tatsachen vor Ort dagegensprechen, wenn diese ganze Idee nur wieder eine groteske Selbstüberschätzung des Westens ist, wie so oft? Dann landet man schnell bei einem großen, allumfassenden Egalgefühl. In der speziellen Welt der Krisenberichterstatter hat es sogar ein eigenes Kürzel: "Whiskey Tango Foxtrot", ein militärischer Buchstabencode, der im Klartext "What the fuck" bedeutet und ziemlich genau das fassungslos staunende Grundgefühl dieses Films beschreibt.

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Da wird man als Reporterin dann zum Beispiel bei amerikanischen Truppen "embedded", die in der staubigsten Provinz Afghanistans die Herzen der Bevölkerung gewinnen sollen. Alles ist Ritual, alles ist eine Show der Sicherheit und Überlegenheit, dreifach gepanzert, die Waffen immer im Anschlag. Nur dann erzählt einer der Soldaten vor der Kamera, dass er sein Sturmgewehr morgens gar nicht mehr lädt. Es passiere eh nichts hier, und die größte Gefahr lauere nun mal darin, sich aus Versehen selbst zu erschießen.

Hinter schwerem Brokatvorhang ein gewaltiges Lotterbett

Das ist ungefähr die erste Geschichte, die Fernsehreporterin Kim Barker (Tina Fey) nach Hause funkt, als sie irgendwann Mitte des letzten Jahrzehnts in Kabul stationiert wird. Afghanistan ist da schon ein fast vergessener Krieg, die eigentliche Geschichte spielt im Irak. Kim hat keine Ahnung von gar nichts, der Koran ist ihr ein Buch mit sieben Siegeln und der Ferne Osten genauso fremd wie der Nahe. Nur hält sie eben ihr Leben und ihre Beziehung in New York nicht mehr aus, wo es seit Jahren keinen Zentimeter vorangeht.

Ideale Voraussetzungen also, um zum Beispiel einen afghanischen Warlord zu interviewen? Aber sicher! Dessen Sohn wurde zwar gerade erst von den Amerikanern getötet, aber aktuell hat er vor allem einen Wunsch - dass diese Frau aus dem Westen sich ein wenig vor ihm fürchtet. Dem Manne kann geholfen werden. Beim mächtigen Minister für Tugend (Alfred Molina) wird es da schon schwieriger: Wenn er in seinem Büro einen schweren Brokatvorhang zur Seite schiebt, um in eindeutiger Absicht ein gewaltiges Lotterbett zu präsentieren, hilft fürs Erste ein schiefes Grinsen. Man könnte den Mann ja noch brauchen.

Eine schusselige Hauptfigur, die im Grunde nur verhindern will, dass sie gleich wieder heimgeschickt wird, in einem Konflikt, dessen Sinn sich niemandem mehr erschließt, nicht einmal in den herrlich trockenen Sprüchen von Marine-Corps-General Hollanek (Billy Bob Thornton) - für ein packendes Drama über Leben und Tod, die Arroganz des Westens und die Leiden des Ostens, über Sinn und Unsinn einer Militärstrategie, die unser aller Freiheit am Hindukusch sucht und dort auch verteidigen will, sind das denkbar miese Voraussetzungen. Aber das ist genau der Punkt.

Im Zweifel einfach die Kamera draufhalten! Irgendetwas wird schon passieren. Evan Jonigkeit und Tina Fey in einer Szene von "Whiskey Tango Foxtrot". (Foto: Paramount Pictures)

Denn es öffnet den Raum für eine brillante Komödie. Für einen sanften, unaufgeregten, durch seine Hauptfigur irgendwie auch sehr weiblichen, aber gerade in seiner Alltäglichkeit wirklich bohrend lustigen kleinen Film über den Krieg.

Er knüpft an große Vorbilder wie "Catch-22" und "M.A.S.H." an, braucht aber nicht einmal deren Zynismus, um am Ende seinen Punkt zu machen. Wir sind mitten in Afghanistan, wir lassen alle dramatischen Prätentionen einfach mal fahren, und schon ist das große Egalgefühl so furchtbar nah dran an der Wahrheit, dass es existenziell wird.

Was, mit diesem sexistischen Arsch? Na ja, hat sich so ergeben

Denn der Tod spielt natürlich trotzdem mit, wie sinnlos und zufällig auch immer. Kollegen geraten in eine Drohnenattacke, ihre Plätze an der Bar bleiben danach leer, kurz wird auf sie angestoßen. Dann geht es so weiter wie immer: Dein neuer Bodyguard ist heiß, wär's ein Problem, wenn ich gleich mit ihm schlafe? Ach nee, nur zu, ich bin gestern mit Ian abgestürzt. Was, mit diesem sexistischen Arsch? Na ja, hat sich so ergeben, eigentlich ist er ganz nett . . .

So geht es munter dahin, theoretisch kann ja auch jeder Tag der letzte sein, also was soll's, am besten, wir trinken noch ein bisschen und spielen weiter Jugendherberge, auch wenn wir alle zwanzig Jahre zu alt dafür sind. Kabul, so erfährt man hier, hat bei den Kriegskorrespondenten auch den passenden Spitznamen für eine hermetisch verrückte Parallelwelt bekommen: Kabubble.

Viele dieser Details sind echt. Die Hauptfigur des Films hat ein reales Vorbild, deren Namen sie auch trägt. Kim Barker hat von 2004 bis 2009 aus Afghanistan und Pakistan berichtet und darüber das Buch "The Taliban Shuffle" geschrieben. Das klinge nach einer Tina-Fey-Figur, meinte wohlwollend die Rezensentin der New York Times damals, als das Buch 2011 erschien. Woraufhin die echte Tina Fey hellhörig wurde und beschlossen hat, mit ihren Produzenten von "Saturday Night Live" daraus wirklich einen Film zu machen. Als Autor gewann sie dafür Robert Carlock, der schon seit "30 Rock" für sie schreibt, und für die Regie das brillante Duo von "Crazy Stupid Love", Glenn Ficarra und John Requa.

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Lauter Spitzenspieler also, die hier wunderbar locker bleiben, allen voran Tina Fey selbst. Wie man als Kriegsreporterin zum Beispiel schauen muss, wenn man sich mitten in der Wüste zum Pinkeln hinhockt, während ein Platoon-Soldat nach allen Seiten sichert und zugleich angestrengt versucht, wegzusehen - das kann wirklich niemand so gut wie sie.

Whiskey Tango Foxtrot, USA 2016 - Regie: Glenn Ficarra und John Requa. Buch: Robert Carlock, nach "The Taliban Shuffle" von Kim Barker. Kamera: Xavier Pérez Grobet. Musik: Nick Urata. Mit Tina Fey, Margot Robbie, Martin Freeman, Alfred Molina. Paramount, 112 Minuten.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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